Rezension über:

Giorgos Papantoniou: Religion and Social Transformations in Cyprus. From the Cypriot basileis to the Hellenistic strategos (= Mnemosyne. Supplements - History and Archeology of Classical Antiquity; Vol. 347), Leiden / Boston: Brill 2012, XXVII + 604 S., ISBN 978-90-04-22435-3, EUR 165,00
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Rezension von:
Andreas Mehl
Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Andreas Mehl: Rezension von: Giorgos Papantoniou: Religion and Social Transformations in Cyprus. From the Cypriot basileis to the Hellenistic strategos, Leiden / Boston: Brill 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 7/8 [15.07.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/07/22800.html


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Giorgos Papantoniou: Religion and Social Transformations in Cyprus

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Die am Trinity College der University of Dublin erstellte überarbeitete Dissertation will Veränderungen in Religion und Gesellschaft Zyperns zwischen der Zeit der Stadtkönige und der der ptolemäischen Könige bzw. der sie auf der Insel repräsentierenden Strategen nachgehen. Dabei geht es um Veränderungen, die das Gesicht der späteren Epoche geprägt haben ("transformations"). In der gegenwärtigen jungen Generation der Altertumsforscher ist Papantoniou wohl der erste, der sich den Übergang Zyperns von einem Herrschaftszustand in einen anderen zum Gegenstand gemacht und dafür die beiden im Buchtitel genannten Epochen ausgewählt hat. Arbeiten weiterer junger Kolleg(inn)en in demselben historischen Übergangsbereich werden folgen. [1]

Nach den üblichen Formalia am Buchanfang und einer allgemeinen Einleitung führt Kapitel 1 in die geschichtliche Situation ein und behandelt theoretische und methodologische Grundlagen des archäologisch-historischen Erforschens des Verhältnisses von Religion und Gesellschaft. Kapitel 2 gilt den Heiligtümern und "sakralen Landschaften" Zyperns, und Kapitel 3 behandelt diese beispielhaft für die Stadtkönigreiche bzw. Städte Soloi und Amathous. Kapitel 4 ist den zumeist aus Heiligtümern stammenden sogenannten 'Portraits' vorbehalten. Nach den Schlussfolgerungen der Kapitel 2 bis 4 gibt Kapitel 5 eine mehrteilige Schlussfolgerung für die gesamte Untersuchung. Ihr folgen ein kurzer "Epilog" sowie zwei Appendices, Bibliographie, Abbildungen und ein detaillierter Index.

Die von Papantoniou ausgewählten Quellen sind Heiligtümer samt ihrer Ausstattung, zu denen Papantoniou ihre örtlichen und regionalen Einbindungen und Ausstrahlungen hinzufügt, sowie porträtartige Darstellungen. Papantoniou 'macht' also Geschichte mithilfe dinglicher Überlieferung. Die eingehende Darstellung und Diskussion des archäologischen Materials der sakralen Landschaften und 'Portraits' hat samt dessen Ausbreitung in Listen und Tabellen (Appendices 1 und 2: 373-410) sowie den vielen Abbildungen (483-589) und einem geradezu überbordenden Verzeichnis archäologischer und historischer Literatur (411-481) den nicht nur für eine Doktorarbeit gewaltigen Umfang des Buches bewirkt.

Veränderungen in der Religion versteht Papantoniou als Teil auch der politischen Geschichte, die in der von ihm gewählten Übergangszeit in Zypern von kleinteiligen, einheimisch regierten Herrschaftsgebilden zu einem einheitlich von außen her verwalteten Gebiet geführt hat. In der Gesamtzusammenfassung weisen "Macht" ("power") und "Ideologie" der von ihnen eingerahmten "Religion" eine (macht)politische Bedeutung zu (Überschrift 5.2: VIII und 356). Bemerkenswert ist dabei Papantonious Verwendung der Begriffe 'Macht' und 'Religion': Letztere dient ihm als Mittel zur Erhellung gesellschaftlicher Verhältnisse, mithin sind Veränderungen in der Religion für ihn Indizien für Veränderungen in der Gesellschaft (1-2). Politisch-gesellschaftliche Macht sieht Papantoniou nicht nur bei den Herrschenden, sondern auch bei den Beherrschten gegeben, und sie ist nicht Besitz, sondern "ständiger Prozess des Aushandelns", mithin durchaus fluktuierend. Religion stellt für ihn eine "Superstruktur dar, in die alle anderen Aspekte des Lebens eingefügt werden können". Indem Religion mehr als nur Glauben ist, ist sie "Bestandteil eines 'unteilbaren Abbildes des Lebens'" (68). [2] Damit steht Religion auch in ständigem Bezug zur gesellschaftlichen Macht. Eben dies sei in der archäologischen und historischen Erforschung des eisenzeitlichen Zyperns, hier des Zyperns der Stadtkönige, bislang nicht berücksichtigt worden (68).

Papantoniou gibt eine ausführliche wertende Übersicht sowohl über die archäologische und historische Erforschung Zyperns als auch über theoretische Positionen. Bei ersterem fällt sein apodiktisches Urteil auf, dass das hellenistische Zypern in erster Linie in enger Verbindung zur folgenden römischen Zeit behandelt worden sei. Papantoniou zitiert hierzu lediglich den 1958 erschienenen 3. Teil des 4. Bandes des längst in die Jahre gekommenen Werkes der "Swedish Cyprus Expedition" (2). Auf dieser nicht zureichenden Urteilsbasis baut er seine Kritik an der bisherigen Forschung und einen ihm selbst geltenden Schluss auf: Indem er das gleiche Augenmerk dem "von außen Kommenden wie dem Einheimischen" widme und die Epoche der zyprischen Stadtkönige als die Zeit vor seinem eigentlichen Gegenstand nicht weniger intensiv in seine Betrachtungen einbeziehe als das hellenistisch-ptolemäische Zypern, biete er eine "Innovation" (3-4). Hinsichtlich der Theoriebildungen referiert Papantoniou auch solche Positionen, die für seinen Zweck nicht benötigt werden. Er wählt schließlich eine "Balance zwischen Datenvorlage und Interpretation im Licht moderner Theorie", will so auch das Überstülpen "hoch theoretisierter Modelle" über sein Quellenmaterial vermeiden und mit einem "gesunden Pluralismus" der theoretischen Zugriffe sich für vielfältige Interpretationen offen halten (54-55). Seine sieben Leitfragen zeigen ein klares Bewusstsein von den Erkenntnismöglichkeiten, die sein Gegenstand bietet, und weisen stimulierend zugleich über Zypern hinaus (5).

In den Zusammenfassungen der Kapitel 2 bis 4 und in der Gesamtzusammenfassung (Kapitel 5) kommt Papantoniou unter Wiederholung vieler allgemeiner Feststellungen, ja Allgemeinplätze zu folgendem Hauptergebnis: Angesichts einer im Prinzip gleichbleibenden Fundierung politischer Autorität auf religiösen Gefühlen, die auch die 'Portraits' beider Epochen aufzeigen, verloren die vielen außerstädtischen Heiligtümer der Stadtkönigszeit mit ihren lokalen oder regionalen Eigenheiten ihre Bedeutung an relativ wenige städtische oder stadtnahe Heiligtümer. Dabei vereinheitlichten die "politisch-religiöse Ideologie" (357) der ptolemäischen Funktionäre und Soldaten sowie Einrichtungen einschließlich des Königskultes die Insel so weit, dass sie in die hellenistische Allgemeinkultur (Koine) eintrat. Dieser Eindruck hat sich, wenn auch weniger detailliert begründet, schon vor Papantonious Arbeit aufgedrängt. Soweit in Zypern Unterschiede vorhanden gewesen sind, darf man nach Papantoniou nicht von ethnischen, das heißt eteo-, griechisch- und phoinikisch-zyprischen, oder stadtstaatlichen Unterschieden ausgehen, sondern nur von "regionalen" Differenzen, die gerade nicht auf Ethnien oder politischen Grenzen basieren. Der Leser wird sich fragen, was dann hinter den im Material auch von Papantoniou erkannten Unterschieden stehen soll, aber er wird keine wirkliche Antwort erhalten. Das ist das zentrale Problem der derzeitigen regionalen Deutung. Unter den hier gemachten Einschränkungen ist Papantonious Buch lesens- und bedenkenswert.


Anmerkungen:

[1] Sidonie Lejeune ist an der Universität Paris-Ouest mit der Arbeit "Chypre en transition. Les cités chypriotes de la fin des royaumes autonomes à la mise en ordre lagide (IVe-IIIe av. J.-C." promoviert worden. Benjamin Wieland hat mit der Arbeit "Interaktion zwischen König und Polis im ptolemäischen Zypern", deren Titel die Behandlung des oben genannten Übergangs zwar nicht formuliert, aber einschließt, an der Universität Freiburg im Breisgau den Mastergrad erworben und arbeitet nun für die Promotion am gleichen Gegenstand weiter.

[2] Das erste Zitat im obigen Zusammenhang hat Papantoniou aus T. Insoll, Archaeology, Ritual, Religion. London: Routledge 2004, 12 entnommen, dem er hier auch sonst folgt.

Andreas Mehl