Katrin Keller: Erzherzogin Maria von Innerösterreich (1551-1608). Zwischen Habsburg und Wittelsbach, Wien: Böhlau 2012, 300 S., ISBN 978-3-205-78796-9, EUR 35,00
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"Wer war Maria von Innerösterreich?" (9) Diese schlichte, aber freilich im Blick auf die zu erwartende Antwort äußerst komplexe Frage gibt die Richtung der neuen Historischen Biografie von Katrin Keller vor. Dahinter verbirgt sich der "Versuch" (12), die Fürstin aus dem Hause der bayerischen Wittelsbacher und Ehefrau Karls II. von Innerösterreich-Steiermark, dem jüngsten Sohn Kaiser Ferdinands I., "aus ihrer Zeit heraus zu beschreiben" (ebd.) und die zahlreichen Facetten der Person Marias zu beleuchten.
In zwölf Hauptkapiteln werden verschiedene Aspekte des Lebens und Nachlebens der Fürstin untersucht. Zunächst geht es um die Kindheit und Jugend der späteren Erzherzogin sowie ihre glanzvolle Hochzeit mit dem Habsburger in Wien. Als Tochter Albrechts V. von Bayern und Annas von Österreich genoss sie eine standesgemäße, streng katholische Erziehung - die sie auch an ihre eigenen Kinder weitergab - und festigte mit ihrer Heirat das nicht immer spannungsfreie Bündnis zwei der bedeutendsten Herrscherfamilien des Alten Reiches. Im Kapitel Ehefrau und Mutter schildert Keller die anscheinend glückliche und "geradezu vorbildliche fürstliche Ehe" (39), aus der in 19 Jahren 15 Kinder hervorgingen, von denen zwölf ihren Vater überlebten - darunter der künftige Kaiser Ferdinand II.
Im folgenden Kapitel gibt die Autorin umfangreiche Einblicke in das Leben am Grazer Hof: die Zusammensetzung des Hofstaats, die Haushaltsführung, die höfische Repräsentation, die sich vor allem in der Vergrößerung der von Karl II. eingerichteten Kunstkammer, in der intensiven Pflege und Förderung der Musik sowie natürlich in Festen, Theateraufführungen oder Jagden manifestierte.
Eine wichtige Rolle im Leben der Erzherzogin spielte die Religion, genauer gesagt die Stärkung und Bewahrung des katholischen Bekenntnisses, die auch ihr politisches Handeln im Wesentlichen beeinflusste. Gleich mehrere Haupt- und Unterkapitel widmen sich der Frommen Fürstin, ihrer engen Verbindung zum Jesuitenorden, ihren zahlreichen Stiftungen und vor allem ihrer Sorge als Landesfürstin um das Seelenheil ihrer Untertanen, das für sie einzig und allein im katholischen Bekenntnis zu finden war. Ihren Ausdruck fand diese Überzeugung in der Vehemenz, mit der Maria dem Protestantismus ihrer Untertanen entgegentrat, indem sie zum Beispiel lutherische Mitglieder des Hofpersonals entließ oder die freie Religionsausübung für den Adel, wie sie in der Brucker Pazifikation von 1578 festgelegt worden war, wieder abschaffen wollte. Im Streit um die Vormundschaft nach dem Tod Karls II. zeigte sich einmal mehr der tiefe Graben zwischen der katholischen Erzherzogin und den überwiegend protestantisch dominierten Ständen.
Bereits als Ehefrau des Landesherrn und nach seinem Tod Mitvormünderin des noch minderjährigen Ferdinand partizipierte sie an der Herrschaftsausübung und positionierte sich deutlich in politischen Angelegenheiten, was unter anderem aus den zahlreichen überlieferten Briefen an ihre Zeitgenossen deutlich herauszulesen ist. Gerade für die Zeit der Mitvormundschaft ist dies beachtlich, da die Formulierung in Karls Testament, Maria sollte als Mutter der Kinder "in allem hiemit zugeordnet" (113) werden, nicht ausreichte, um ihre Regentschaft rechtlich abzusichern. Selbst während der Regierung ihres Sohnes, zu dem sie bis zu ihrem Tod ein "enges und vertrauensvolles Verhältnis" (128) hatte, nahm sie Einfluss auf die konfessionelle Entwicklung in Innerösterreich (136). Freilich ging es bei der Sicherung des katholischen Bekenntnisses im Wesentlichen auch um die politische "Behauptung fürstlicher Entscheidungsgewalt" (143) gegenüber den Ansprüchen der Stände.
In einem eigenen Kapitel beschreibt Katrin Keller dann die politischen und sozialen Netzwerke, die Maria im Laufe ihres Lebens aufbauen konnte. Über familiäre und diplomatische Verbindungen konnten zahlreiche Fürstinnen der Frühen Neuzeit ihre Handlungsspielräume erweitern, indem sie beispielsweise als Beraterinnen, Vermittlerinnen oder Fürbitterinnen hinzugezogen und geschätzt wurden. Grundlage dieser Netzwerke waren persönliche Kontakte, die durch eine rege Korrespondenz und den Austausch von Geschenken aufrecht erhalten werden mussten. Zahlreiche Informanten an strategisch wichtigen Orten lieferten aktuelle Informationen, so dass die Fürstin stets auf dem Laufenden gehalten wurde und entsprechend agieren konnte. Darüber hinaus verfügte sie über "eine persönliche Klientel von Männern und Frauen, oft mit dienenden Funktionen oder mit höfischen Ämtern" (165).
In einem der letzten Kapitel geht es noch einmal um die Aufgaben Marias als Mutter, speziell um die standesgemäße Verheiratung der Töchter, über die sie wichtige internationale Kontakte nach Spanien, Polen und in die Toskana knüpfen und eine "Rolle in der internationalen Politik spielen" (196) konnte, sowie die Versorgung der jüngeren Söhne. Ausführlich beschreibt Keller anschließend die recht abenteuerliche Spanienreise, auf der die fürstliche Witwe ihre 13-jährige Tochter Margarethe zu ihrer Hochzeit mit dem spanischen König Philipp III. begleitete. Die Autorin schließt mit einem knappen Ausklang zum Tod und Nachleben Marias, insbesondere der Memoria der Erzherzogin, zudem ihrem Bild in der späteren Geschichtsschreibung.
Der Fokus der Biografie liegt in erster Linie auf der Untersuchung von Handlungs- und Einflussmöglichkeiten Marias. Katrin Keller kann dabei unter anderem auf eine breite Quellengrundlage in Form von Briefen zurückgreifen, von denen zahlreiche eigenhändig verfasst wurden und an vertraute Personen adressiert waren, weshalb "sich die Fürstin in diesen Schreiben meist in klaren Worten" (12) zu den unterschiedlichsten Themen äußerte. So bekommt man einen recht unmittelbaren Eindruck von der Person, ihrem Wesen sowie ihren Überzeugungen. Die Gliederung der Arbeit macht es hingegen etwas schwer, die großen Linien und Entwicklungen in Marias Leben nachzuvollziehen, da eigentlich zusammenhängende inhaltliche Aspekte, wie die Religiosität der Fürstin und deren Auswirkungen auf ihr Handeln oder ihre Rolle als Mutter, zugunsten der Chronologie in mehrere Kapitel aufgesplittet sind. Lediglich die Abschnitte zum Leben am Grazer Hof und zu den Netzwerken sind quasi thematische, zeitübergreifende Exkurse. Schade ist auch, dass die 24 farbigen Abbildungen in der Mitte des Buches kaum Eingang in die Darstellung und schon gar nicht in die Interpretation finden. So bleiben sie bloße Illustrationen und ihr Potential als Quelle wird nicht genutzt.
Katrin Keller zeichnet das Leben und Wirken Marias von Innerösterreich nach und gibt der bislang in der Forschung eher unbeachteten Fürstin ein Gesicht. Sie hat sichtbare "Spuren in der Geschichte hinterlassen", indem sie "einen Teil [...] zur bis heute erkennbaren konfessionellen Landschaft in Mitteleuropa" (230) beigetragen hat. Mit ihrer Biografie stellt Keller sie in die Reihe zahlreicher anderer Fürstinnen der Frühen Neuzeit, die ihre ihnen zugänglichen politischen Handlungsspielräume nutzten oder sogar neue erschlossen.
Simone Buckreus