Katrin Bobsin: Das Presseamt der DDR. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit für die SED (= Medien in Geschichte und Gegenwart; Bd. 29), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2013, 477 S., ISBN 978-3-412-21029-8, EUR 49,90
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Katrin Bobsin schließt mit ihrer vom Mainzer Medienhistoriker Jürgen Wilke betreuten Dissertation eine Forschungslücke. Denn bisher wurden in der Fachliteratur die Geschichte und die Funktion des am 30. November 1989 aufgelösten Presseamts beim Vorsitzenden des Ministerrats der DDR allenfalls am Rande behandelt. Das gilt auch für dessen Vorgängereinrichtung - das von 1949 bis 1952 bestehende, von Gerhart Eisler und Hermann Axen gegründete Amt für Information.
Drei Fragen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung: "Wie erfüllte das Presseamt die Aufgabe der Information von Bürgern und Staat? Welche Strukturen und Hierarchien der Anleitung lagen seiner Arbeit zugrunde? Inwieweit hatte das Presseamt einen Einfluss auf die Art der Öffentlichkeitsarbeit des Staates und dadurch auf das von Außen wahrgenommene Bild der Regierung und der Partei in der DDR?" (12)
Zunächst werden zum Verständnis der Einbindung des Presseamts in den Partei- und Staatsapparat die Grundzüge des von der SED beherrschten politischen Systems und die Struktur der Medienlandschaft erklärt. Es folgt ein Kapitel, das den Zeitraum von 1945 bis 1989 umfasst. Beginnend mit der bis 1949 ausgeübten Medien-Kontrolle durch die Sowjets, dem vorübergehend bestehenden Amt für Information und dessen Dependancen in den damaligen fünf Ländern wird die institutionelle und strukturelle Entwicklung des Presseamtes bis zu dessen Auflösung geschildert.
Im anschließenden Kapitel beschäftigt sich die Verfasserin mit den Facetten der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit des Presseamtes, die sie zutreffend auch als "politische Massenarbeit" bezeichnet. Zu Recht kritisiert sie den vereinzelt in der Literatur propagierten Begriff der "Politischen PR" zur Beschreibung der Medienlenkung in der DDR. Dessen Anwendung macht schließlich nur Sinn in demokratisch verfassten Staaten mit einem unabhängigen und transparenten Mediensystem.
Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Presseamtes wurden DDR-Journalisten auf Pressekonferenzen und Exkursionen betreut; außerdem hatte dieses ein Mitspracherecht bei der Genehmigung oder Ablehnung von Auslandsreisen. Vor dem Abschluss des deutsch-deutschen Grundlagenvertrages war das Presseamt zusätzlich Ansprechpartner für westdeutsche Reisejournalisten, worüber die Autorin bisher unveröffentlichte Quellen ausgewertet hat. Zur innenpolitischen Öffentlichkeitsarbeit des Presseamtes gehörte die Zusammenarbeit mit der staatlichen Nachrichtenagentur ADN. Überdies stellte es die hauptsächlich mit Beiträgen von Funktionären des Staatsapparats bestückten, dreimal wöchentlich herausgegebenen "Presse-Informationen" oder das vierzehntäglich erscheinende Bulletin "Presse der Sowjetunion" zusammen.
Im Kapitel "Materielle und inhaltliche Einflussnahme auf die Presse" geht es um die Zuständigkeiten des Presseamtes bei der Vergabe von Lizenzen für Druckerzeugnisse und die permanent knappen und umkämpften Papierkontingente. Zu den Aufgaben des Presseamtes gehörten auch die Anleitung und die Nachkontrolle der Parteipresse der Blockparteien sowie der Kirchenzeitungen. Die Kirchenpresse unterlag im Gegensatz zu den anderen Medien der Vorzensur, die Kurt Blecha, der von 1958 bis November 1989 amtierende Leiter des Presseamtes, in der Regel selbst wahrnahm. Blecha war Mitglied der Agitationskommission beim Politbüro des Zentralkomitees der SED, die dienstags nach den Sitzungen des Politbüros tagte. Der ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda, zuletzt Joachim Herrmann, versorgte hier einen kleinen Kreis von Spitzenjournalisten mit aktuellen Vorgaben für die Medienberichterstattung. Die ZK-Abteilung Agitation veranstaltete donnerstags die sogenannte "Argu" (Argumentation), zu der nur Berliner SED-Journalisten zur Instruktion geladen wurden. Die Chefredakteure der Blockparteizeitungen bestellte man am folgenden Tag ins Presseamt, um sie über die Weisungen der Agitationsbürokraten im "Großen Haus" zu instruieren.
Die Aufgaben des Presseamtes waren vielfältiger Natur. Die durchschnittlich 60 Mitarbeiter fühlten sich ständig überfordert. Ihr Einfluss auf die staatliche Öffentlichkeitsarbeit war allerdings begrenzt. Er hing davon ab, inwieweit ihre Vorlagen vom Parteiapparat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurden. Dabei handelte es sich nicht nur um die ZK-Abteilung Agitation, der das Presseamt hauptsächlich zugearbeitet hat. Da sich das Spektrum der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit von der Kirchen-, der Wirtschafts-, bis zur Sport-, Kultur- und Wissenschaftspolitik erstreckte, mussten auch die jeweils zuständigen ZK-Abteilungen konsultiert werden.
Katrin Bobsin hat mit ihrer quellengesättigten Darstellung erstmals einen umfassenden Einblick in das Beziehungsgeflecht des Presseamts im Partei- und Staatsapparat der DDR vermittelt.
Gunter Holzweißig