Rezension über:

Sarah Houtermans: Mediale Zwischenwelten. Audiovisuelle Kunst in der Tschechoslowakei (1919-1939) (= Osteuropa medial: Künste - Sprachen - Techniken; 5), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2012, 160 S., ISBN 978-3-412-20824-0, EUR 29,90
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Rezension von:
Petr Bednařík
Prag
Redaktionelle Betreuung:
Christoph Schutte
Empfohlene Zitierweise:
Petr Bednařík: Rezension von: Sarah Houtermans: Mediale Zwischenwelten. Audiovisuelle Kunst in der Tschechoslowakei (1919-1939), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 10 [15.10.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/10/24124.html


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Sarah Houtermans: Mediale Zwischenwelten

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In ihrer Publikation, die an der Freien Universität Berlin entstanden ist, befasst sich Sarah Houtermans mit der audiovisuellen Kunst in der Tschechoslowakei in den Jahren 1919-1939. Ihr Hauptinteresse gilt dabei dem Verhältnis des Rundfunks zum Film. Zu diesem Zweck hat sie Dokumente und Quellen aus dem Nationalen Filmarchiv (Národnί filmový archiv) und des Tschechischen Rundfunks (Český rozhlas) ausgewertet. Die Verfasserin hat ein Thema gewählt, das selbst für einen tschechischen Autor nicht leicht zu bearbeiten wäre, da Kenntnisse aus mehreren Bereichen der Kultur zu verbinden sind. Es ist anerkennenswert, dass sich eine Nicht-Muttersprachlerin diesem Thema angenommen hat.

Houtermans Blick auf das Thema beginnt in den 1920er Jahren, wobei sie ihr Hauptaugenmerk auf die Schriftsteller legt, die sich in der Gruppierung Devětsil versammelten. Diese Literaten (Karel Teige, Vίtězslav Nezval, Jaroslav Seifert) bekundeten großes Interesse für Rundfunk und Film. Sie suchten nach Möglichkeiten diese Medien zu einem Raum für die Kunst der Avantgarde zu machen. Die Autorin zeigt auch in sehr gelungener Weise, wie der Rundfunk und der Film in den Gedichten der tschechischen Avantgarde zum Vorschein kamen, so zum Beispiel in Form eines filmischen Gedichts. Houtermans erinnert in diesem Zusammenhang auch an den Schriftsteller Vladimίr Raffel.

Anschließend befasst sie sich ausführlich mit der Entwicklung der Hörfunkkunst und der Etablierung des Hörspieles in Rundfunksendungen. Das Hörspiel entwickelte sich zu einem künstlerischen Genre. Der Rundfunk wurde in der Tschechoslowakei zur damaligen Zeit als ein Medium für die Bildung, Aufklärung und Kultur, nicht aber als kommerziell wahrgenommen. Die Gesellschaft Radiojournal entstand im Jahre 1923 als Privatfirma, die sich auf Rundfunksendungen spezialisierte. Jedoch wurde der tschechoslowakische Staat schon 1925 zu ihrem Mehrheitsaktionär. Der Rundfunk sollte den Hörern Übertragungen aus dem Theater, Klassikkonzerte, wissenschaftliche Vorträge und Kultursendungen bieten. Das Nachrichtenprogramm wurde vom Tschechoslowakischen Nachrichtenbüro (Československá tisková kancelář) erstellt. Wegen der hohen Preise für Rundfunkgeräte stiegen deren Verkaufszahlen in den 1920er Jahren jedoch zunächst nur sehr langsam. Die Verfasserin hebt zu Recht hervor, wie schwierig es für die Hörfunkautoren war, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie die Radiokunst eigentlich aussehen sollte. Sie analysiert, in welcher Weise sich diese Hörspielgattung entwickelte. Die Autoren mussten sich damit beschäftigen, wie die Toneffekte und die Tonmontage aussehen oder inwieweit sie sich bei der Tonausgestaltung der Wirklichkeit annähern sollten. Houtermans schildert die theoretischen Ansichten der Regisseure Miloš Kareš, Vladimίr Šimáček, Jan Grmela, Dalibor Chalupa und Jiřί Frejka. Sie unterstreicht die große Bedeutung der so genannten "Brünner Hörfunkschule", die sich als bahnbrechend für die Gattung des Hörspiels erwies. Die Autoren aus Brünn bemühten sich mit ihren Inszenierungen neue Wege einzuschlagen und das Hörspiel zu einer eigenständigen Gattung werden zu lassen.

Houtermans analysiert einige Hörspiele aus den 1930er Jahren und demonstriert, auf welche Art und Weise die Autoren mit den Toneffekten und der Montage gearbeitet haben. Auch zeigt sie, wie sich die Autoren vom Film inspirieren ließen, und verweist so auf die Beziehungen zwischen Film und Rundfunk. Ausführlich zeigt sie die Arbeit mit dem Ton anhand des Filmes Ze soboty na neděli (1931) des Regisseurs Gustav Machatý sowie die Art und Weise, in der Rundfunk in dem populären Film Hej rup (1934) des Regisseurs Martin Frič erscheint. Diesen Film, in dem Jan Werich und Jiřί Voskovec von dem avantgardistischen Befreiten Theater (Osvobozené divadlo) die Hauptrollen spielten, hat die Autorin deswegen ausgewählt, weil Voskovec und Werich an Film und Rundfunk sehr interessiert waren. Mit ihrem Auftritt zeigten sie, wie sich eine Rundfunksendung fantasievoll in einen Spielfilm integrieren lässt.

Es wäre sinnvoll gewesen, noch mehr Informationen über die Rundfunksendungen in der Tschechoslowakei zu geben, um die Darstellung zu veranschaulichen. So hätte sich zum Beispiel anführen lassen, wie sich die Anzahl der Hörer entwickelte, wie viel Senderäume der Rundfunk außerhalb von Prag hatte, wie das Verhältnis des Staates zum Rundfunk war und welche Gattungen des Rundfunks die beliebtesten waren. Das Wissen darüber kann man beim Leser nicht voraussetzen, und so würde er auch eine genauere Vorstellung über die Rolle des Hörspiels im damaligen Programm des Radiojournals erlangen. Auch hätte man aus diesem Grund Lebensläufe weiterer Persönlichkeiten hinzufügen sollen. Einige Biogramme finden sich zwar am Ende der Publikation, doch wegen der Beschäftigung mit der Avantgarde im ersten Kapitel wäre es besser gewesen, hier auch im Text behandelte Personen wie Teige, Nezval und Seifert oder den Rundfunkregisseur Josef Bezdίček einbeziehen, der ebenfalls zur Brünner Rundfunkschule gehörte. Das Buch bietet, insgesamt betrachtet, einen interessanten Einblick in die audiovisuelle Kunst in der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit, insbesondere zur Geschichte des Rundfunks der 1920er und 1930er Jahre.

Petr Bednařík