Harald Jele: Wissenschaftliches Arbeiten: Zitieren, 3. Auflage, Stuttgart: W. Kohlhammer 2012, 161 S., ISBN 978-3-17-022328-8, EUR 19,90
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Harald Jeles Buch über das Zitieren ist aus der langjährigen fachübergreifenden Lehrtätigkeit des Autors zur "Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten" hervorgegangen und hat seit seiner Erstausgabe 2003 [1] einen festen Platz in vielen Literaturlisten zum wissenschaftlichen Arbeiten erhalten.
Jele ist an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt seit Jahren an der Schnittstelle zwischen Literatur-, Bibliotheks- und Informationswissenschaft tätig; u.a. betreut er die technische Seite der Digitalisierung des Robert Musil-Nachlasses durch das Robert Musil-Institut für Literaturforschung. Von dieser Expertise profitiert dieses Buch wie seine anderen auch [2]; es bietet eine gute Einführung in Nutzen und Grenzen der Informationstechnologie beim Zitieren von Literatur und Quellenmaterial.
Der Linux-Magazin-Autor Jele macht dabei aus seiner Sympathie für die Open Source-Bewegung keinen Hehl. Es ist ihm ein Anliegen, auf freie Software als sinnvolle Alternative zu kommerziellen Produkten hinzuweisen, die seit Jahren den Markt der Text- und Literaturverarbeitungssoftware beherrschen.
Das vorliegende Buch wurde jetzt in dritter Auflage hinsichtlich technologischer Neuerungen aktualisiert, zudem angesichts der Plagiatsskandale der vergangenen Jahre um ein Kapitel über "Zitieren versus Plagiieren" erweitert. Mit dem Wechsel vom Oldenbourg- zum Kohlhammer-Verlag wanderte der Band außerdem aus der Rubrik "Informationstechnologie" zur (geschichtswissenschaftlichen) "Fachdidaktik und Berufsqualifizierung", was seinen Zwittercharakter verdeutlicht.
Das Buch sollte ursprünglich den Titel "Zeitgemäßes Zitieren in wissenschaftlichen Arbeiten" tragen. [3] Unter Wissenschaftlichkeit versteht der Autor dabei nicht das Einhalten von formvollendeten Zitierregeln. So hält er sich konsequenterweise nicht an die vermeintliche Regel, Fußnoten seien mit Großbuchstaben zu beginnen und endeten mit einem Punkt (123). Den Lesefluss stören eher die zahlreichen kleineren Fußnoten, deren Notwendigkeit sich nicht immer erschließt. Sie zeugen aber von der Genauigkeit des Autors und illustrieren nebenbei die formale Gestaltung eines Fußnotenapparats.
Jele liefert auf 150 Seiten in der Tat etliche Beispiele sowie einen "kritische(n) Kommentar " (XII), warum und in welcher Weise Zitierformen kontextabhängig sind: "Textumgebungen" sind so komplex, dass sie sich nicht auf ein allgemeingültiges Regelwerk reduzieren lassen. Fachtraditionen, fachlich-methodische, aber auch informationstechnologische "zeitgemäße" Anforderungen an Datenaufbereitung und an Texte sowie verschiedene Publikations- und Werkformen bringen vielmehr unterschiedlichste Varianten von Zitierformen hervor.
Im Grundsatzkapitel beschreibt der Autor zunächst, welche allgemeingültigen Zitierkriterien sich aus der Funktion des Zitates ableiten, nämlich in einem wissenschaftlichen Text die Übernahme fremder Inhalte (aus anderen Texten) sichtbar zu machen: Textimmanent ("innerer Kontext") soll das Zitat formal einfach gestaltet sein, konsequent angewendet werden, für Dritte die Angaben exakt und nachvollziehbar beschreiben, sich entsprechend den Anforderungen des jeweiligen Fachs als praktikabel erweisen sowie text- und fachübergreifend vergleichbar sein. Zitate sind aber auch außerhalb von Texten wirksam ("äußerer Kontext"), wenn sie von bibliometrischen Verfahren sowie kommerziell geführten Zitationsdatenbanken statistisch aufbereitet werden, um den Einfluss von wissenschaftlichen Publikationen zu messen. Da dabei allerdings nur ein Teil der gesamten wissenschaftlichen Publikationen ausgewertet wird, sind die Ergebnisse entsprechend diskussionswürdig.
Nach der Theorie die Praxis: Im Hauptteil findet man nach alphabetischer Ordnung vom "anonymen Werk" bis "Zeitungsartikel" Beispiele für die gängigsten Zitierformen und -varianten. Man erfährt von "Anmerkungsnote" bis "Zitatstelle", wie der Vorgang des Zitierens im Text typografisch sichtbar zu machen ist. Außerdem geht Jele auf das Zitieren von Nicht-Texten (Abbildungen, Tabellen, Grafiken und audiovisuellen Quellen) und Online-Formen ein. An Hand der Umwandlung von bibliografischen Angaben aus dem Österreichischen Verbundkatalog illustriert er die Form von Literaturangaben nach der Harvard-Methode (für Geistes-, Sozial und Kulturwissenschaften) sowie nach der American Mathematical Society (für Technik- und Naturwissenschaften). Das Erstellen von Literaturverzeichnissen und Quellenbelegen mit Softwareunterstützung erläutert er mit Hilfe der am weitesten verbreiteten Programme kommerzieller Hersteller (EndNote/WordPerfect) sowie freier Software (LATEX/BibTEX). Wer in die Einrichtung und Nutzung von BibTEX eingewiesen werden möchte, ist hier gut aufgehoben. Den Lehrbuchcharakter unterstützen zahlreiche Abbildungen im Text und im Anhang über die informationstechnologischen Aspekte des Zitierens. Insgesamt wird deutlich, dass das Zitieren sowohl formal als auch inhaltlich die (leserfreundliche) Reduktion auf das Wesentliche bedeutet.
Abschließend diskutiert Jele die Produktionsbedingungen des aktuellen wissenschaftlichen Schreibens: Eine zunehmend output-orientierte Forschung und Lehre an der Massenuniversität bringe Plagiate als "erwartbare Produkte (wissenschaftlicher) Vorgaben" (114) hervor. Als Strategien zur Qualitätssicherung des wissenschaftlichen Arbeitens nennt Jele die Zugänglichkeit wissenschaftlicher Publikationen und Forschungsdaten im Rahmen der Open-Access-Bewegung sowie die Ausbildung wissenschaftlicher Schreibkompetenzen.
Dieser Teil stellt den größten Gewinn der Neuauflage dar. Mag der IT-Experte Jele an das Regulativ des Internets glauben, als Lehrender verweist er am Ende auf die Aufgaben der "Wissenschaftspädagogik" (121), qualitätsbewusste Schreibende auszubilden. Das liest sich im Vergleich zur Erstausgabe als vorsichtige Öffnung gegenüber der neueren Schreibdidaktik, die Lese- und Medienkompetenzen, Textverstehen und Feedbackkultur als Teil der Schreibkompetenzen versteht. Tatsächlich war es die Universität Klagenfurt, die 2004 das erste universitäre Schreibzentrum Österreichs gründete. Die Zahl der universitären Schreibzentren im deutschsprachigen Raum nimmt seit Jahren zu, entsprechend auch die hiesige Schreibforschung und die institutionelle Professionalisierung. [4] Merkwürdigerweise aktualisiert Jele hier aber nur den Hinweis auf das angelsächsische "Writing across the Curriculum" und "Writing in the Disciplines", das so neu auch nicht ist. Kann es sein, dass der Autor den Austausch über die aktuelle Schreibdidaktik mit seinen Kolleginnen noch nicht gesucht hat? Es wäre kein ungewöhnliches Beispiel dafür, dass die fachübergreifende kollegiale Beratung beim Schreibenlehren im komplexen Textumfeld "deutschsprachige Universität" noch selten ist.
Trotzdem kann Jeles Handbuch Studierenden empfohlen werden. Insgesamt gelingt es dem Autor auf knappe und verständliche Art und Weise zu zeigen, wie sehr Kenntnisse über das Textumfeld den wissenschaftlich Schreibenden das Handwerk des Zitierens und damit auch die Entscheidung für die Art der IT-Unterstützung erleichtern. Lehrende können das Buch nutzen, sich mit Studierenden und Kollegen offen über ihr Textumfeld und das fachspezifische Schreiben zu verständigen.
Anmerkungen:
[1] Harald Jele: Wissenschaftliches Arbeiten. Zitieren, München 2003 (2. Aufl. 2006).
[2] Harald Jele: Wissenschaftliches Arbeiten in Bibliotheken. Eine Einführung für StudentInnen, München 1999; Harald Jele: Informationstechnologie in Bibliotheken, München 2001; Harald Jele: X-Linking versus Informationsportale. Ergänzung zu Informationstechnologie in Bibliotheken, Oldenbourg 2001, Klagenfurt 2003, http://wwwu.uni-klu.ac.at/hjele/publikationen/infotech/2003_infotech_main.pdf (Abruf 22.11.2013).
[3] Harald Jele: Wissenschaftliches Arbeiten in Bibliotheken. Eine Einführung für Studierende, 2. Aufl., München 2003.
[4] Siehe die Gründungen des "Forums wissenschaftliches Schreiben" (http://www.forumschreiben.ch) in der Schweiz 2005, der österreichischen "Gesellschaft für wissenschaftliches Schreiben" (www.gewisss.at) 2009 und jetzt, 2013, der deutschen "Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung" (http://schreibdidaktikundschreibforschung.wordpress.com).
Daniela Liebscher