Blair Worden: God's Instruments. Political Conduct in the England of Oliver Cromwell, Oxford: Oxford University Press 2012, X + 440 S., ISBN 978-0-19-957049-2, EUR 35,00
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Die Begeisterung in der britischen Forschung für die Zeit der englischen Bürgerkriege und des Interregnums scheint untrübbar. In die große Zahl von Neuerscheinungen, die jedes Jahr zu diesem breiten Themenfeld vorgelegt werden, reiht sich auch das neue Werk Blair Wordens ein, Emeritus von St Edmunds Hall, Oxford und einer der wohl ausgewiesensten Experten auf diesem Feld. So neu ist das Werk freilich nicht, handelt es sich doch um eine Anthologie zentraler Texte Wordens, die der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Medien bereits in Form von Zeitschriftenaufsätzen, Beiträgen in Sammelbänden, Festschriften und Vorträgen zugänglich gemacht wurden. Für die nun erschienene Neuauflage wurden die Texte überarbeitet und zum Teil erweitert.
Der Band führt wesentliche Studien zusammen, die Worden über einen Zeitraum von zwischen 1984 und 2011, also beinahe drei Jahrzehnten, vorgelegt hat. Inhaltlich gemein ist den einzelnen Beiträgen der Blick auf die politische Geschichte des Interregnum, die königsfreie Zeit in England von der Hinrichtung Karls I. im Jahr 1649 bis zur Restauration der Stuarts im Jahr 1660. Im Fokus steht die Herrschaft der Puritaner unter der Regierung Cromwells, ihre ideologischen und materiellen Ressourcen, ergänzt um Fragen nach den Wurzeln der politischen und religiösen Denkmuster der puritanischen Machthaber sowie zum Nachleben und Einfluss der Ära Cromwells in der politischen Kultur bis ins 20. Jahrhundert.
Die Anordnung der zehn recht heterogenen Kapitel folgt grob dem ursprünglichen Erscheinungsdatum der Beiträge, die sich auf zwei Zeiträume, 1984-1986 und 2007-2011 konzentrieren. Daneben gruppiert der Autor Kapitel ähnlicher Ausrichtung und Fragehaltung. So ergibt sich eine Anordnung in fünf, freilich recht großzügig gewählte Themenfelder, die den Lese-, vor allem aber den Gedankenfluss erleichtern. Diese Themenfelder beziehen sich auf die politische Gestaltungskraft religiöser Überzeugungen, die Übersetzung religiöser Werte in praktische Politik, die Mechanismen puritanischer Herrschaft unter Cromwell, die Rückwirkung politischer Entwicklungen auf puritanische Werte und Normen sowie die Auseinandersetzung mit individuellen Akteuren unterschiedlicher politischer Provenienz.
In den ersten beiden Kapiteln widmet sich Worden der Frage nach der politischen Relevanz religiöser Überzeugungen. Der Glaube an die göttliche Bestrafung eines ganzen Volkes aufgrund der Sünde eines einzelnen sei nicht allein im Kampf gegen Karl I. von Relevanz gewesen, er habe auch eine permanente Selbstüberprüfung der puritanischen Regierungsbeteiligten und insbesondere Cromwells bewirkt, dessen Verzicht auf die Königskrone Worden auf diese Weise plausibilisiert. Eng damit verknüpft ist auch die Bedeutung des Providentialismus für das politische Handeln der Puritaner, die Worden herausstellt. Zwar sei die Sprache des Providentialismus auch zu anderen Zeiten und bei anderen politischen und religiösen Gruppen von Bedeutung gewesen. In der Bürgerkriegszeit und der Zeit des Interregnums sei sie jedoch zum zentralen Rechtfertigungsnarrativ der Puritaner avanciert. Der Providentialismus ist dabei nach Worden nicht als 'irrationale' politische Größe zu betrachten. Er sei vielmehr einer eigenen Ratio gefolgt. Worden verweist auf die mit dem Providentialismus verbundene Suche nach rationalen Entwicklungslogiken und den Kausalketten göttlichen Handelns in der Welt. Auf diese Weise habe der Glaube an die göttliche Vorsehung als wesentliches Element Eingang in die politischen Bewertungs- und Entscheidungsbildungsprozesse gefunden und sei damit als zentraler Faktor politischen Handelns ernst zu nehmen.
Ausgehend von diesen Überlegungen wendet sich der Autor der Umsetzung von puritanischen Glaubensinhalten in praktische Politik, der Implementierung von religiösen Werten und Idealen zu (Kap. 3 und 4). Im Fokus stehen hier die Diskussionen um den Einsatz Cromwells für eine höchst umstrittene Gewissensfreiheit, die gedanklich zu trennen ist von den Toleranzdebatten des 18. Jahrhunderts, sowie das Bemühen der Puritaner um die moralische und religiöse Reform der ursprünglich königstreuen Universität Oxford, als deren Kanzler Cromwell persönlich seit 1653 firmierte. Die Mechanismen der Herrschaftsausübung unter Cromwell und den konkreten Herrschaftstechniken stehen im Fokus zweier weiterer Kapitel (Kap. 5 und 6). Hier wird insbesondere die Rolle des Council und des Parlaments beleuchtet. Ersterer wurde konstitutionell durch verschiedene Reformen aufgewertet und nahm eine zentrale verfassungsrechtliche Stellung ein, konnte seine Geltung aber de facto vor allem durch den Einfluss führender Militärs behaupten.
Die Rolle des Parlaments dagegen erwies sich für den Protektorat als überaus diffizil. Hatte der Einsatz für die Freiheitsrechte des Parlaments auf der einen Seite die Rebellion gegen die Monarchie legitimiert, so spielte der Schutz eben dieser Freiheitsrechte vor dem Protektorat seinerseits eine wesentliche Rolle bei der Restauration der Monarchie. Insbesondere die Frage, wie sich Herrschaftsauffassungen und politische Ideen wandelten, konkret, wie Ideen, die politisches Handeln prägten, ihrerseits wiederum durch politische Entwicklungen beeinflusst und modifiziert wurden, ist für Worden von besonderer Bedeutung (Kap. 7 und 8). Im Mittelpunkt seiner Untersuchungen stehen dabei drei Schlüsselaspekte der politischen Debatten der späten 1640er- und der 1650er-Jahre: Die Abschaffung der Monarchie, die Frage religiöser Gewissensfreiheit sowie die politische Rolle des Militärs. Insbesondere die Prägung einer neuen Begrifflichkeit von "religious and civil liberty", die ursprünglich getrennte Aspekte auch gedanklich zusammenführte und in der Folge eine enorme Wirksamkeit entfalten sollte, bietet dabei interessante Einblicke in die Entwicklung zeitgenössischer politischer Ideen und deren Fortleben in der politischen Kultur Englands.
Seinen Abschluss findet der Band in der Gegenüberstellung zweier biografisch angelegter Beiträge, die zwei zentrale Protagonisten des politischen und literarischen Sinnstiftungsprozesses, John Milton und Edward Hyde, den Earl of Clarendon, gegenüberstellen (Kap. 9 und 10). Trotz der gegensätzlichen politischen und religiösen Ausrichtung des Puritaners Milton und des Royalisten Clarendon, wird aber auch die Verwurzelung beider in einem geteilten normativen und sprachlichen Bezugssystem deutlich, das sich gleichermaßen auf den Zentralbegriff der Tugend wie auf den Glauben an die göttliche Vorsehung erstreckt.
Gegenüber einer Monografie liegt der Mehrwert des vorliegenden Sammelwerkes vor allem in dem Zusammentragen von verschiedenen Perspektiven und Blickwinkeln, die innerhalb einer Einzelstudie möglicherweise unter einem zentralen Narrativ amalgamiert worden wären. Gerade diese Perspektivenpluralität macht den Wert dieses vielschichtigen und gelehrten Porträts des Interregnum aus. Es bietet dabei auch einen exzellenten Einblick in das Œuvre des Autors. Unabhängig von den variantenreichen Fragestellungen und Analysen in den Einzelkapiteln durchziehen den Band auch Themenfelder, mit denen sich Worden zeit seines bisherigen Forscherlebens auseinandergesetzt hat. Dazu gehört etwa die Frage nach der ideengeschichtlichen Einbettung der Bürgerkriegszeit und des Interregnum, nach dem Erbe der puritanischen Regierung und der Adaption und Transformation der politischen Ideen, die sie geprägt haben. Daneben ist aber vor allem der Blick auf die Verbindung von Religion und Politik eng mit dem Namen des Autors verbunden. Zusammen mit John Morrill war Worden in den frühen 1980er-Jahren einer der Ersten, die den Eigenwert von Religion als politischen Faktor ernst genommen haben und dafür zeitgenössisch viel Kritik erfahren haben. Aus heutiger Perspektive liegt im Anstoß dieser Debatte einer der wesentlichen Verdienste Wordens, der auch in diesem Sammelband gebührend berücksichtigt wird. Die Überarbeitungen der einzelnen Beiträge, die Worden im Vorfeld der Neuveröffentlichung geleistet hat, reagieren zum Teil auf die ältere Kritik und bemühen sich um deren Klärung. Das betrifft beispielsweise den Vorwurf, er habe religiöse Faktoren als alleinwirksame Motivationsgründe zu sehr betont und dabei andere handlungsleitende Notwendigkeiten ignoriert. Dass derartige Überarbeitungen und Erweiterungen des Textes nicht gesondert kenntlich gemacht werden, ist bedauerlich, läge doch gerade hier ein besonderer Reiz, die Entwicklung von Texten und die dahinterliegenden Kontroversen gerade auch für den Leser zu eröffnen, der sich nicht heimisch wähnt in der diffizilen Debattenlandschaft der Bürgerkriegs- und Interregnumsforschung.
Bedauerlich ist auch das Fehlen eines Resümees oder einer vertiefenden Einleitung. Die knappe Einführung enthält zwar interessante Beobachtungen und zum Teil über die Kapitel hinausgehende Ausführungen, sie lässt aber eine Einordnung in die überaus dichte Forschungsentwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte vermissen. Hier wurde auch eine wichtige Gelegenheit verpasst, das Werk zu mehr als zu einer Aktualisierung und Zusammenführung zentraler Texte des Autors zu machen, nämlich zu einer Synthese und Bilanz seiner Forschungsleistung. Diese lohnenswerte Aufgabe bleibt dem Leser dieses spannenden und klugen Werks überlassen.
Kerstin Weiand