John Matusiak: Henry V (= Routledge Historical Biographies), London / New York: Routledge 2013, XII + 281 S., 3 Kt., ISBN 978-0-415-62027-7, GBP 16,99
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2013 war das Jahr des Thronjubiläums Heinrichs V. von England. Das Erscheinen seiner Biographie in den Routledge Historical Biographies ist also gut zu begründen. Als Teil dieser Reihe zu wichtigen historischen Figuren wie Lenin, Mussolini, Bismarck, Martin Luther oder eben englischen Königen und Königinnen soll sie laut Umschlagtext "engaging, readable and academically credible" sein, aus einer historischen Perspektive heraus geschrieben und zugleich kurz, "for students and general readers alike".
Heinrich V. gehört nicht zu den Königen, die in Vergessenheit geraten sind. Ebenfalls 2013 erschienen ist der von Gwilym Dodd herausgegebene ertragreiche Sammelband, der die Ergebnisse einer Tagung in Nottingham bündelt. In der Reihe "Yale English Monarchs" hat Christopher Allmand 1997 eine hervorragende Biographie verfasst, die gleichermaßen eine Neubewertung der Regierungsjahre 1413-1422 im internationalen Kontext vornimmt und noch dazu gut lesbar ist, allerdings 480 Seiten umfasst. Ebenso präzise und detailgenau formuliert ist der von G. L. Harriss 1985 herausgegebene thematisch gegliederte Sammelband.[1]
Wenn John Matusiak sich im vorliegenden Buch erneut der Aufgabe stellt, Heinrichs Leben und Regentschaft zu schildern, sollte man mehr als eine Zusammenfassung bekannter Ergebnisse erwarten. Die Kapitel folgen traditionell der Chronologie, beginnend mit "The making of a Lancastrian Prince" und endend mit Heinrichs Tod. Vorangestellt ist ihnen eine längere Einführung mit einer Textkritik zeitgenössischer Chroniken wie den Gesta Henrici Quinti, immerhin noch zu Lebzeiten des Königs 1416-1417 verfasst, oder der posthumen, den König glorifizierenden Vita des Italieners Titus Livius Frulovisius, die 1436 eigens für den Sohn und Nachfolger, Heinrich VI., bestellt worden war. Ebenfalls an den Anfang stellt Matusiak die Einschätzungen moderner Historiker von König Heinrich V. und dessen Regierung.
Der Autor ist belesen, erzählt gern und erfreut die Leser teilweise mit prägnanten Charakterisierungen. Er beschreibt auf mehreren Seiten Rouen im Mittelalter, hierin dem zeitgenössischen Chronisten folgend (182-188). Es sei, schreibt Matusiak, die Großmutter Heinrichs V. gewesen, die dessen Berater ausgewählt habe - offenbar meint er, ohne nähere Begründung, Joan de Bohun, Gräfin von Hereford (78) -, und er räsonniert über die Fruchtbarkeit und die dauernden Schwangerschaften der Königsmutter Mary Bohun, die sechs Kinder in acht Jahren bekam ("she was more or less continually pregnant", 23). Heinrichs Onkel Henry Beaufort, Kardinal und Bischof von Winchester, bezeichnet er als "the king's mythmaker-in-chief" (26). Dabei unterlaufen Matusiak aber, und das ist ein entscheidender Schwachpunkt des Buches, allerlei flüchtige und unkritische Bemerkungen. Was Kaiser Sigismund gedacht haben soll (166), ist ebenso Spekulation wie Matusiaks Annahme von Heinrichs V. Frömmigkeit ("with his usual piety" habe er eine Kapelle in Caen ausgestattet, 178): Auf diese Frömmigkeit schließt Matusiak aus dem dreimal täglichen Zelebrieren der Messe für den König, das aber genauso gut einer propagandistischen Absicht entsprungen sein kann, wie Jeremy Catto argumentiert hat.[2] Die Musikalität Heinrichs V. beweist angeblich die Harfe, die er in den Krieg mitgenommen hat (29). Ebenfalls problematisch sind Matusiaks Wertungen mancher alter wie neuer Quellen. So mag die Chronik des Adam von Usk vielleicht unsystematisch sein (6); dass sie Schilderungen etwa des Londoner Triumphzugs Heinrichs nach dem Sieg von Azincourt enthält, die sich bei keinem anderen Zeitgenossen finden, sollte Grund genug sein, sie nicht pauschal zu verwerfen. Im Literaturüberblick finden sich dann so gönnerhaft klingende Wertungen wichtiger Autoren wie "B. Guenée, Un meurtre, une société; [...] is of considerable value, as is B. Schnerb, Armagnacs [...]" (247).
Das Buch ist tatsächlich durchaus "engaging und readable" und erfüllt damit ergänzend zu den umfangreicheren neueren Werken die Funktion einer Kurzbiographie. Auf akademischem Niveau überzeugt es allenfalls bedingt, nicht nur aus den bereits erwähnten Gründen: Nachweise der verwendeten Literatur sind überwiegend pauschal gehalten, eine Bibliographie im engeren Sinne gibt es nicht. Die acht Bildtafeln sind rein illustrativ; Signaturen der Buchmalereien fehlen, bei einer wird (ohne Angabe des Standorts!) sogar nur Wikipedia als Bildquelle genannt. So kann man das Buch wegen seiner Einführung und seiner Kürze durchaus als Einstieg insbesondere für Schüler und interessierte Laien empfehlen; Studenten und Studentinnen sollten wie der Rest der akademischen Leser vor allem auf die andere oben angeführte Literatur zurückgreifen.
Anmerkungen:
[1] Gwilym Dodd (ed.): Henry V. New Interpretations, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2013, siehe die Rezension von Ralf Lützelschwab in: sehepunkte 14 (2014), URL: http://www.sehepunkte.de/2014/05/24282.html; Christopher Allmand: Henry V, New Haven/London 1997; Gerald L. Harriss (ed.): Henry V. The Practice of Kingship, Oxford 1985.
[2] Jeremy Catto: Religious Change under Henry V, in: Harriss (wie Anm. 1), 97 - 115.
Antje Fehrmann