Rezension über:

Demetrio S. Yocum: Petrarch's Humanist Writing and Carthusian Monasticism. The Secret Language of the Self (= Medieval Church Studies; Vol. 26), Turnhout: Brepols 2013, XVIII + 307 S., ISBN 978-2-503-54419-9, EUR 85,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Coralie Zermatten
Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte, Technische Universität, Dresden
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Coralie Zermatten: Rezension von: Demetrio S. Yocum: Petrarch's Humanist Writing and Carthusian Monasticism. The Secret Language of the Self, Turnhout: Brepols 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 9 [15.09.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/09/24998.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Demetrio S. Yocum: Petrarch's Humanist Writing and Carthusian Monasticism

Textgröße: A A A

Kein anderes Bild wäre für den Umschlag dieses Buches von Demetrio S. Yocum, das einen Einblick in die humanistischen Schriften Petrarcas auf der Suche nach dem Selbst darstellt, passender gewesen: Man sieht auf einer von Petrarca gezeichneten Marginalie einen Reiher - vermutlich die bildliche Transkription von Petrarcas Namen (27) - mit einem Fisch im Schnabel und im Hintergrund eine Einsiedelei. Die Zeichnung versinnbildlicht die Liebe des Humanisten zur Einsamkeit, in welcher das Lebensideal der Kartäuser einen Existenzraum fand. In seiner Monographie erfasst Yocum den Einfluss des kartäusischen Mönchtums auf die humanistischen Schriften Petrarcas entlang von vier Hauptthemen: 'die Einsamkeit', 'die Muße', 'die Liturgie' und 'das Lesen und Schreiben'. Dabei konzentriert er sich auf drei lateinische Traktate des Humanisten, namentlich: De vita solitaria, De otio religioso und Secretum (xvii). Da die Editionsansprüche von Brepols eine englische Übersetzung jedes Zitates verlangen, hat der Leser parallel zum lateinischen Text stets auch eine englische Hilfe zur Hand. Yocum zögert nicht, ganze Abschnitte zu zitieren, und erklärt die verwendeten Werke Petrarcas Schritt für Schritt.

Da in diesem Buch nur selten vom kartäusischen Mönchtum als solchem die Rede ist - und der Begriff des Mönchtums vom Autor auch nicht näher erläutert wird -, scheinen Titel wie Publikationsreihe zunächst irreführend. Yocum versucht, das Mönchtum der Kartäuser zu erfassen. Er tut dies jedoch nur auf Grundlage der frühen kartäusischen Quellen, weshalb er die Kartäuser als eine zeitlose Gemeinschaft betrachtet. Diese verkehrte Wahrnehmung resultiert vor allem aus einer ungenügenden Berücksichtigung aktueller Forschungen, was sich auch in der Bibliographie niederschlägt. Um seine Aussagen zu bekräftigen, verwendet er Bilder (insgesamt 18), die eher als Schmuck dienen: kontextualisiert werden sie nicht. Yocums Arbeit bietet somit keine geschichtliche, sondern vielmehr eine philologische Untersuchung einiger Schriften Petrarcas mit dem Focus auf seinen kartäusischen Quellen. Als eine solche ist die Arbeit sehr gelungen.

Die vier Themen, anhand derer Yocum seine These, "monastic humanism, especially in its Carthusian trait, anticipates and permeates Petrach's secular Christian humanism" (25), entwickelt, wurden passend gewählt, weil sie die Hauptmerkmale der kartäusischen Spiritualität repräsentieren. Obwohl Yocum sie nacheinander bearbeitet, fällt immer wieder auf, wie stark sie miteinander verbunden sind. Die Reihenfolge, in der die Themenkomplexe vom Autor bearbeitet werden, ist ebenso nachvollziehbar, wie auch jedes Kapitel für sich verständlich ist. Yocum gestaltet seine Arbeit dabei gleichsam als einen Spaziergang durch die Räume der Kartause, wodurch seine Studie selbst - ähnlich einem Kloster - zu einem einheitlichen Ensemble wird.

Das zweite Kapitel "Rethinking Solitude", erläutert die Einsiedelei als notwendigen Raum für die Entfaltung des Selbst und verweist auf die in Petrarcas Gesamtwerk zu findende Dichotomie Stadt-Land. Petrarcas persönliche Erfahrung der kartäusischen solitudo während seines Aufenthaltes in der Kartause von Montrieux und seine spätere Reflektion darüber werden hier erfasst. Für den Humanisten ist die Findung des Selbst nur durch die Einsamkeit ermöglicht, dabei zeigt er sich von der außerordentlichen Bedeutung der Zelle und der besonderen Stellung, die die Kartäuser ihr geben, beeindruckt. Im dritten Kapitel über das otium konzentriert sich Yocum auf die Metapher des an die Zelle angrenzenden Gartens, den jeder Kartäuser pflegte. Die Thematik der Natur wurde treffend gewählt, denn sie erlaubt es dem Leser, der humanistischen Essenz der Schriften Petrarcas nachzugehen. Indem Yocum aufzeigt, wie der Autor Werke der Kirchenväter mit denjenigen antiker Autoren und der asketischen monastischen Tradition perfekt miteinander verbindet und thematisiert, kann er nicht nur zeigen, dass für Petrarca die Muße eine aktive Form der Gebetspraxis darstellte, sondern dies auch an der Gartenarbeit beispielhaft erläutern.

Im vierten Kapitel richtet sich der Blick auf die außergewöhnliche und bisher nur unzureichend untersuchte kartäusische Liturgie. Der Orden preist Gott sowohl individuell in der Zelle als auch gemeinsam in der Kirche. Als Kleriker reflektiert Petrarca über die liturgische Praxis des Einzelnen und plädiert für eine aktive Teilnahme am liturgischen Geschehen. Vielleicht ist der Humanismus Petrarcas in diesem Kapitel über eine Säkularisierung monastischer Eigenschaften am besten erkennbar. Die Edition einiger Gebete im Text macht aus diesem Kapitel einen besonders wertvollen Teil des Buches.

Letztlich findet Petrarca den Weg zur Befreiung des Selbst in seiner intellektuellen Tätigkeit des Schreibens und des Lesens. Der Gemeinplatz, dass die Kartäuser besondere Bücherfreunde waren, wird hier von Yocum ohne weiteres übernommen, indem er aber Petrarcas Methodik des Lesens untersucht, setzt er sich von diesem Klischee ab. Der Humanist gibt den Kartäusern Ratschläge, um sich effizienter auf ihre Lesetätigkeit konzentrieren zu können, und, gestützt auf die patristische Tradition, erinnert er daran, dass das Lesen die Mobilisierung aller Sinne verlangt. In diesem Kapitel findet sich erneut eine Reflektion über den Raum, in welchem die Tätigkeit des Schreibens ausgeübt wird. So wie das Bild 5.3 (223) es zeigt, sind Darstellungen von Petrarca im cubiculum relativ bekannt, was auffällig erscheint, denn durch das Schreiben löst sich der Humanist von seinem Selbst und erreicht den Weg zur Erfahrung Gottes.

Auf das einleitende Zitat der "Introduction" antwortend, beginnt Yocum sein Fazit mit einem Zitat von Ruskin, in dem dieser seiner Enttäuschung über einen Besuch in der Grande Chartreuse Ausdruck verleiht. Im Gegensatz zu Petrarca liebte Ruskin die Natur als Gegenstand der Kontemplation nicht und konnte somit auch die innige Beziehung der Kartäuser zu ihrer solitudo nicht nachvollziehen. Petrarca dagegen beschloss, die Erfahrung des kartäusischen Lebens in seinen Lebensalltag zu übertragen und fand dabei einen Weg zur Essenz der kartäusischen Spiritualität, die er der säkularen Welt durch seine Schriften mitteilen wollte. In seiner Arbeit analysiert Yocum aufs Genaueste die drei lateinischen Traktate Petrarcas: untersucht wird die Grammatik des Autors, der aus der monastischen Tradition hinaus einen Weg für einen säkularisierten christlichen Humanismus weisen wollte. Die Untersuchung macht außerdem auf eine bestehende Forschungslücke aufmerksam: die Verbindungen der religiösen Orden zum Humanismus.

Coralie Zermatten