Elias H. Füllenbach / Gianfranco Miletto (Hgg.): Dominikaner und Juden. Personen, Konflikte und Perspektiven vom 13. bis 20. Jahrhundert (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens. Neue Folge; Bd. 14), Berlin: De Gruyter 2015, L + 548 S., ISBN 978-3-05-004515-3, EUR 99,80
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Ursula Overhage: Konflikt und Konsens. Die Gründungen der Dominikanerklöster in der Teutonia, Münster: Aschendorff 2014
Jean de Mailly: Abbreviatio in gestis et miraculis sanctorum. Supplementum hagiographicum. Editio princeps a cura di Giovanni Paolo Maggioni, Firenze: SISMEL. Edizioni del Galluzzo 2013
In den letzten Jahren wurde eine Debatte darüber geführt, wie das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum zu bewerten ist. Ausgehend von der Kontroverse um das Verhältnis Pius' XII. zu Nationalsozialismus und Holocaust geriet die Frage danach, wie sich die Kirche im Feld zwischen Antijudaismus und Antisemitismus bewegte und inwiefern ihr Judenfeindschaft, zumindest in einer religiösen Aufladung, schon immer inhärent war, in den Blickpunkt des Interesses. [1] Dass nun auch die Einstellungen und Beziehungen der Dominikaner zum Judentum untersucht werden, ist daher folgerichtig, da die Predigerbrüder, deren primordiale Zielstellung die Bekämpfung von Häretikern und die Homogenisierung von Glaubenswelten beinhaltete, auch immer zur Missionierung von Juden ansetzten. Die wechselhafte Geschichte dieses Verhältnisses will der vorliegende Sammelband untersuchen.
Bereits in ihrer umfangreichen Einleitung unterstreichen die Herausgeber Elias H. Füllenbach und Gianfranco Miletto, dass die Dominikaner von Beginn an ihr Interesse auch auf die Juden im mittelalterlichen Europa richteten. Daran anschließend legen sie nicht nur das Programm des Bandes dar, sondern liefern bereits einen chronologischen Überblick zum Verhältnis der Dominikaner zu den Juden. Sie stellen die missionarischen Konzepte kurz vor, deuten auf den "fruchtbaren Gedankenaustausch zwischen dominikanischen und jüdischen Gelehrten" (XXV) hin, verweisen auf die Verdienste einzelner Predigerbrüder in der Hebraistik, benennen aber auch klar die antijüdischen Ausfälle und die (Re)Produktion und Verbreitung antijüdischer, ab dem 19. Jahrhundert wohl auch als antisemitisch zu bezeichnender Verschwörungstheorien. Bei diesen Ausführungen fällt positiv auf, dass die beiden Herausgeber sich nicht scheuen, drastische antijüdische Aktionen und Maßnahmen, wie zum Beispiel die Gesetzgebung des IV. Laterankonzils 1215, auch als solche zu benennen (XVI). Zugleich wird hervorgehoben, dass die Verbreitung antijüdischer Ressentiments und das Aufkommen von Vorwürfen, wie dem des Ritualmords, mit der dominikanischen Predigttätigkeit korrelieren: "Ein Zusammenhang zwischen Predigten und Verfolgungen ist daher anzunehmen, auch wenn er sich nicht immer nachweisen lässt." (XL)
Die einzelnen Beiträge beschäftigen sich hingegen vor allem mit der dominikanischen Auseinandersetzung mit der jüdischen Theologie und jüdischen Glaubenspraktiken. So fragen die ersten beiden Aufsätze nach dem Verhältnis des wohl bekanntesten Dominikanertheologen, Thomas von Aquin, zum Judentum und richten den Blick sowohl auf seine Einstellungen als auch auf seine Lektürepraktiken jüdischer Theologen. In der Folge stellen dann andere Beiträge einzelne Akteure, wie Juan de Torquemada, Santi Pagnini, Petrus Nigri, Santi Marmochino, Gaetano Feletti oder auch Marie Joseph Lagrange vor und fragen nach ihrem Umgang mit und ihren Aneignungen von rabbinischen Texten bzw. ihren Einstellungen gegenüber den Juden.
Aber glücklicherweise bleibt man nicht allein auf dem Höhenkamm der auf Persönlichkeiten fokussierten Ideengeschichte stehen, sondern thematisiert gezielt auch die Missionskonzepte, die Missionierungspraktiken und die inquisitorische Verfolgung von Juden durch Dominikaner. Zum einen wird dabei herausgestellt, dass die Dominikaner sich jeweils in einem spezifischen Kontext bewegten, der ihre Einstellungen zu den Juden und die Versuche, eine Konversion herbeizuführen, wesentlich konfigurierte, zum anderen zeigen diese Untersuchungen, dass die Bemühungen der Dominikaner um einen Zugang zur talmudischen Lehre und rabbinischen Literatur, die oftmals mit aufwendigen Studien der hebräischen Sprache verbunden waren, letztendlich auf die intellektuelle Durchdringung, aber auch Überwindung der jüdischen Theologie abzielte. Sie wollten ihren Gegner im Kampf um den rechten Glauben besser kennen, um ihn dann von der Wahrheit der eigenen Lehre zu überzeugen.
Die Mehrzahl der Beiträge beschäftigt sich mit den dominikanisch-jüdischen Beziehungen und Auseinandersetzungen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Der Band wird seinem Anspruch, diese Geschichte vom 13. bis zum 20. Jahrhundert zu behandeln, daher nur in Ansätzen gerecht. Ob es damit zusammenhängt, dass die Dominikaner mit der Reformation und der Gegenreformation ihre Stellung in der katholischen Kirche zunehmend an die Jesuiten abgeben mussten, oder vielleicht doch eine zu enge Perspektivierung bei der Konzeption des Bandes eine Rolle spielte, vermag der Rezensent nicht zu beurteilen. Gerade aber weil die Herausgeber die Erforschung der Einstellungen und Umgangsweisen der Dominikaner zu und mit den Juden ab dem 17. bis ins 20. Jahrhundert als Desiderat explizit benennen (XLVI-L), wäre es zu wünschen gewesen, dass sie Forschungen zu diesem Aspekt für ihren Band angeregt und aufgenommen und dafür die Beiträge, die sich mit der mittelalterlichen Phase dieser wechselhaften Beziehung auseinandersetzen, etwas reduziert hätten.
Anmerkung:
[1] Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 2005.
Johannes Schütz