Rezension über:

Lawrence Wright: Dreizehn Tage im September. Das diplomatische Meisterstück von Camp David, Stuttgart: Theiss 2016, 415 S., 2 Kt., 4 s/w-Abb., ISBN 978-3-8062-3381-0, EUR 29,95
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Rezension von:
Bettina Sophie Weißgerber
Ostfildern
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Bettina Sophie Weißgerber: Rezension von: Lawrence Wright: Dreizehn Tage im September. Das diplomatische Meisterstück von Camp David, Stuttgart: Theiss 2016, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 2 [15.02.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/02/29667.html


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Lawrence Wright: Dreizehn Tage im September

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Die öffentliche Vorstellung vom Verlauf politischer Gipfeltreffen verbindet diese Form der Diplomatie nicht per se mit einer Definition von Hochspannung. So erstaunt es, dass der amerikanische Publizist Lawrence Wright sich einem solchen Thema widmet: den von den USA moderierten Friedensverhandlungen zwischen Israel und Ägypten in Camp David im Herbst 1978. Dabei geht der Autor auf Hintergründe und Motive ein und beleuchtet die an der Konferenz beteiligten Akteure. Weniger erstaunlich ist es hingegen, dass es dem Autor gelingt, diese vermeintlich trockene Materie für den Leser spannend und informativ aufzubereiten, denn neben seiner journalistischen Arbeit für das Magazin The New Yorker war Pulitzer-Preisträger Wright auch als Hollywood-Drehbuchautor (The Siege, 1998) tätig. Darüber hinaus liegt dem Buch ein von ihm selbst verfasstes Theaterstück zugrunde, das im April 2014 in Washington uraufgeführt wurde.

Das Buch selbst, das im Titel eine im englischen Sprachraum verbreitete Bezeichnung für die Kubakrise vom Oktober 1962 zitiert, ist in drei Teile gegliedert. Der 53-seitige Prolog soll den Leser auf die Schilderungen des Konferenzverlaufs vorbereiten. Der 216 Seiten umfassende Hauptteil ist entsprechend der Chronologie der 13 Verhandlungstage in 13 Unterkapitel unterteilt. Das Ende bildet der Epilog, der 27 Seiten umfasst.

Im Prolog schildert Wright die Vorbedingungen, die zur Einberufung der Konferenz führten, sowie die persönlichen und politischen Biographien der beteiligten Staatsmänner. Dabei beschreibt er die schwierigen politischen Anfänge des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter im rassistischen Süden der USA in den 1960er Jahren sowie dessen militärische Ausbildungszeit bei der US-Marine. Auch die Friedensinitiative des ägyptischen Staatspräsidenten Anwar as-Sadat, der 1977 als erster Staatsmann eines arabischen Landes nach Israel reiste, sowie das Persönlichkeitsprofil seines Verhandlungspartners, des israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin, bleiben nicht unerwähnt. Häufig wird die Rolle der persönlichen Religiosität für die politischen Motive der Beteiligten illustriert. Dies wirkt allerdings stellenweise befremdlich, etwa wenn der Autor davon spricht, Carter sei "zu der Überzeugung gelangt, dass Gott von ihm forderte, Frieden zu bringen und er irgendwie einen Weg finden müsse, das zu tun" (17).

Der Hauptteil illustriert in vielen Anekdoten den Ablauf der eigentlichen Verhandlungen. Dabei schwankt Wright stets zwischen dem narrativen Stil eines auktorialen Erzählers und der sachlichen Analyse politischer Zusammenhänge. So erfährt der Leser zwar einerseits, dass das Hauptproblem der Gespräche die rigorose Haltung des israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin gegenüber der Frage war, ob die von Israel im Sechstagekrieg 1967 besetzten Gebiete auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel geräumt werden sollten oder nicht. Denn während Sadat deren vollständige Räumung forderte, vertrat Begin die Haltung, die Siedlungen seien der "Sicherheitsgürtel, um das jüdische Heimatland zu schützen" (278). Für Palästina verwendete Begin stets die biblische Terminologie "Judäa und Samaria" und sprach davon, sich eher "Hände und Füße abschneiden" zu lassen, bevor er seine Positionen irgendwie verändere (321). Von David Ben-Gurion, dem Staatsgründer Israels, war Begin einst als "hitlerischer Typ" (15) bezeichnet worden, und Carter hielt ihn - nicht zuletzt wegen dessen terroristischer Vergangenheit - offenbar schlicht für einen "Psychopathen" (221). Andererseits wird dem Leser allerhand Boulevardeskes präsentiert: Sadat war Vorsitzender der afrikanischen Tischtennisvereinigung (94f.), Begin bevorzugte die TV-Serie Dallas (173) und Carter litt während der Verhandlungen unter Hämorrhoiden (331).

Wright berichtet von häufigen hochemotionalen Zusammenstößen zwischen Sadat und Begin während der Gespräche, sodass Carter bereits am dritten Verhandlungstag seinen Plan, nur als Vermittler zwischen beiden Parteien aufzutreten, aufgeben musste. Denn außer der ägyptischen Delegation war keine Seite mit einem konkreten Verhandlungsvorschlag nach Camp David gereist. Über Nacht ließ Carter einen amerikanischen Entwurf für eine Friedenslösung im Nahen Osten ausarbeiten, mit der sich Begin allerdings nicht zufrieden zeigte. Mehrmals standen die Verhandlungen vor dem Abbruch. Ab dem sechsten Verhandlungstag sprachen Sadat und Begin nicht mehr miteinander, ab dem neunten Tag verhandelte Carter nur noch mit je einem Juristen beider Delegationen.

Dass die Gespräche von Camp David überhaupt zu einem - je nach historischem Blickwinkel - befriedigenden Ende geführt werden konnten, ist laut Wright nicht zuletzt das Ergebnis eines verhandlungstaktischen Fehlers des US-Präsidenten. Als es am Morgen der geplanten Unterzeichnung des Abkommens um die Übergabe von Zusatzprotokollen ging, reichte die israelische Seite bei Carter ein Papier ein, das inhaltlich weit von den Absprachen der vorangegangenen Nacht abwich. Unabhängig von der beabsichtigten Aushandlung eines konkreten Friedensvertrages zwischen Israel und Ägypten hatte es eine zweite Vereinbarung gegeben. Sie sah Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern über Autonomie innerhalb von fünf Jahren vor. In dieser Zeit sollte es einen Baustopp für israelische Siedlungen in der West Bank geben. Im eingereichten Zusatzprotokoll war diese Passage von der israelischen Delegation jedoch gestrichen worden (323). Carter forderte daraufhin zwar das korrigierte Zusatzprotokoll ein, aber "erklärte sich einverstanden, die Zusatzvereinbarung erst am nächsten Tag zu bekommen, nachdem das Rahmenabkommen bereits unterzeichnet war" (323). Am Morgen nach der öffentlichen Unterzeichnung des Camp David-Abkommens bekam Carter das unveränderte Zusatzprotokoll von Begin zugesandt.

Im Epilog zeigt Wright die Schwierigkeiten auf, die in der Folge des Abkommens von Camp David für alle beteiligten Verhandlungsparteien entstanden. Zwar wurden Begin und Sadat mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, diplomatische Beziehungen wurden etabliert, und bis 1982 erfolgte die beinahe vollständige Rückgabe des Sinai an Ägypten. Carter büßte durch die Übernahme der Verhandlungsführung jedoch sehr viel innenpolitisches Kapital ein. Ägypten wurde innerhalb der arabischen Staatenwelt zum Paria, Sadat zum Opfer eines fanatisierten Attentäters und Begin brach bereits wenige Monate nach der Unterzeichnung des eigentlichen Friedensvertrages im März 1979 die Vereinbarungen zum Siedlungsbau. Die UN erkannten die Vereinbarung von Camp David gar nicht erst an, da die Palästinenser nicht als Verhandlungspartner an den Gesprächen beteiligt waren.

Das Buch arbeitet vor allem drei Aspekte recht eindringlich heraus: die verhandlungsstrategische Schwäche der Carter-Regierung, die kompromisslose Haltung der Verhandlungspartner und die komplexen nahostpolitischen Strukturen, in deren Kontext die Verhandlungsparteien zu agieren hatten. Die Stärke des Buches liegt vor allem in der Schilderung der Akteure und ihrer Motive. Wer sich allerdings von der vorliegenden Darstellung eine wissenschaftlich fundierte Analyse verspricht, wird enttäuscht. Dies liegt nicht zuletzt an den vom Autor zugrunde gelegten Quellen: Die Quellenbasis besteht in der Hauptsache aus Sekundär- und Memoirenliteratur und nicht aus Archivalien. Auch die für den Gegenstand maßgebliche Aktenedition der Foreign Relations of the United States (FRUS) ist lediglich für eine Fußnote herangezogen. An entscheidenden Stellen wird auf persönliche Gespräche und unveröffentlichte handschriftliche Notizen verwiesen, die aufgrund fehlender Angaben aber nicht nachzuprüfen sind. Leider erhält das Buch nicht nur dadurch lediglich den Charakter politisch-historischer Belletristik.

Bettina Sophie Weißgerber