Rezension über:

Florian Knothe: The Manufacture des meubles de la couronne aux Gobelins under Louis XIV. A Social, Political and Cultural History (= Studies in Western Tapestry; 8), Turnhout: Brepols 2016, 290 S., 32 Farb-, 150 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-55320-7, EUR 150,00
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Rezension von:
Miriam Schefzyk
Institut für Kunstgeschichte, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster
Redaktionelle Betreuung:
Kristina Deutsch
Empfohlene Zitierweise:
Miriam Schefzyk: Rezension von: Florian Knothe: The Manufacture des meubles de la couronne aux Gobelins under Louis XIV. A Social, Political and Cultural History, Turnhout: Brepols 2016, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 12 [15.12.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/12/30324.html


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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.

Florian Knothe: The Manufacture des meubles de la couronne aux Gobelins under Louis XIV

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Die von Florian Knothe im Jahr 2011 an der Universität Bonn verteidigte Dissertation zur künstlerischen Produktion von Luxusobjekten der Gobelin-Manufaktur im 17. Jahrhundert geht weit über eine kunsthistorische Aufarbeitung hinaus. Einem interdisziplinären Ansatz folgend, untersucht der Autor das Entstehen der Manufaktur sowie ihre Produktion im sozialgeschichtlichen, kulturhistorischen, politischen und ökonomischen Kontext.

In vier Teilen deckt Knothe die merkantilistischen und propagandistischen Bestrebungen auf, die zur Entstehung der Manufaktur führten, ihre Organisation und Produktion strukturierten und auf nationaler sowie internationaler Ebene übernommen wurden. Einzelne klug gewählte Fallbeispiele erlauben ihm, anhand konkreter Objekte die treibenden Kräfte darzustellen.

Die ersten beiden Teile widmen sich der Voraussetzung zur Gründung der Manufaktur und ihrer Organisation. Diese beruhte auf dem gesteigerten Repräsentationsbedürfnis des französischen Königs und bedurfte finanzieller Stabilität in Friedenszeiten. Knothe sieht einen ersten starken künstlerischen Protektionismus gepaart mit merkantilistischen Ambitionen bei Heinrich IV. (20-24). Dessen Vorgehensweise, einerseits Importe von Luxusobjekten zu unterbinden und andererseits künstlerische Meisterschaft im Dienste der Krone zu fördern, stehen in einer Linie mit den späteren Bemühungen Ludwigs XIV. und seines Ministers Jean-Baptiste Colbert in den 1660er-Jahren. Ihren Ausdruck fanden diese Bemühungen in Einfuhrverboten für ausländische Tapisserien, in der Gründung der Louvre-Werkstätten sowie der individuellen Privilegierung ausländischer Handwerker, wie Knothe am Beispiel der flämischen Tapisserieweber Marc Comas und François de la Planche zeigt. Als maßgebliches Vorbild hinsichtlich der Privilegien und der Organisation der Kunsthandwerker arbeitet er die Maincy-Werkstätten heraus, die zur Ausstattung von Schloss Vaux-le-Vicomte gegründet worden waren - eine Verbindung, die nach dem Fall Fouquets vom König und Colbert offiziell negiert wurde (38).

Der Schwerpunkt der Studie liegt auf der Gobelin-Manufaktur als propagandistischem Instrument der merkantilischen Politik Colberts, dessen Ziele die Organisation der Manufaktur bedingten. Erlassene Privilegien dienten nicht nur zur Anziehung ausländischer Handwerker, sondern auch zu deren Bindung an den französischen Hof. Klug grenzt Knothe den Status privilegierter Handwerker von anderen Formen der Handwerksorganisation im 17. Jahrhundert in Paris ab und weist nach, wie sich die merkantilistischen Bestrebungen um Wissens- und Techniktransfer in der Lehrorganisation und -verpflichtung der ausländischen Handwerker abzeichnete. Durch die Einführung beispielsweise von Zeichenunterricht erhielt die Gobelin-Manufaktur einen singulären Stellenwert in der Handwerksausbildung des 17. Jahrhunderts.

Die Stärke des Buches liegt in der interdisziplinären Vorgehensweise, welche die Manufaktur aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, um so ihre Vielseitigkeit offenzulegen. Anhand der Holzhandwerker der Gobelin-Manufaktur arbeitet Knothe die sozialen und professionellen Verflechtungen heraus und zeigt durch Heranziehung der wenigen überlieferten Grundrisse des Gebäudekomplexes verschiedene Seiten des täglichen Lebens auf. Beispiele hierfür sind die Selbstverpflegung durch einen Obst- und Gemüsegarten und die Seelsorge in der eigenen Kapelle, in der auch Grammatik unterrichtet wurde. Auch die Repräsentationsstrategien der Manufaktur in Text und Bild werden behandelt.

Im dritten Teil schlägt Knothe den Bogen zu konkreten Luxusobjekten, die er im Folgenden auf ihre Rolle als Medien der Herrschaftsrepräsentation beleuchtet. Er verdeutlicht den großen Umfang der Maßnahmen, indem er Schriften und Druckgrafik, welche die Objekte verbreiteten, in seine Untersuchung miteinbezieht. Inwiefern Charles Le Brun (1619-1690) als künstlerischer Direktor der Manufaktur es schaffte, einen einheitlichen Stil und damit eine kohärente politische Botschaft zur Verherrlichung des Sonnenkönigs zu vermitteln, bildet die Leitfrage der Studie. Am Beispiel der Folge Les Quatre Eléments (1664-1717) demonstriert Knothe den starken Einfluss Le Bruns auf die Tapisserie-Produktion: Die Tapisserien reproduzierten Le Bruns Kompositionen der vier Elemente, die auf Karton kopiert wurden. Ihr machtrepräsentativer Inhalt wurde durch Bordüren, Embleme und panegyrische Schriften verstärkt. Auch bei den Silberschmieden ermittelt Knothe die maßgebliche Rolle von Le Bruns Vorzeichnungen, die ein reiches Formenrepertoire und einen einheitlichen Stil propagierten. Dem gegenüber steht die Produktion von Kastenmöbeln sowie Hartsteinmosaikplatten, die durch aus Italien immigrierte Handwerker wie den Holz- und Metallspezialisten Domenico Cucci (1635-1704) oder das pietre dure-Atelier des Ferdinand Megliorini (gest. 1683) dominiert wurden. Dort blieben die florentinischen und römischen Einflüsse weiterhin sehr präsent, obwohl Le Brun auch für diese Ateliers Modelle vorgab, wie Knothe anhand von Aquarellen belegen kann. Der Autor öffnet den Blick auf die große Bandbreite an Luxusobjekten, die in der Gobelin-Manufaktur hergestellt wurden, und grenzt sich damit von der bisherigen Forschungsliteratur ab, die meist nur eine kunsthandwerkliche Gattung oder bestimmte Künstler beziehungsweise Kunsthandwerker fokussierte. [1]

Im letzten Teil untersucht Knothe die Bedeutung der Luxusobjekte aus der Gobelin-Manufaktur als Medien der Machtrepräsentation Ludwigs XIV. Anhand der Beschreibungen von Madame de Scudéry (1607-1701) und von Lorenzo Magalotti (1637-1712) des von Cucci und René Chauveau für Versailles angefertigten Cabinet de filigrée veranschaulicht er die Verbreitung panegyrischer Texte.

Wird anfangs deutlich, wie stark fremdes Fachwissen importiert wurde, so beschreibt der Autor abschließend, wie die französischen artisans du roi durch den Architekten Nicodemus Tessin an den schwedischen Hof abgeworben wurden. Besonders hervorzuheben ist, dass Knothe dabei auf die Rolle der Ehefrauen der Kunsthandwerker eingeht, die stark an der Produktion beteiligt waren und bislang aufgrund der schwierigen Quellenlage von der Forschung nicht behandelt wurden. In seiner Analyse der durch den schwedischen Hof in Paris in Auftrag gegebene Tapisserie-Folge Conquête du Roi de Suède, die ab 1695 in Anlehnung an die ersten vierzehn Kompositionen der Folge Histoire du roi (nach Le Brun, 1663-1673) zur Verherrlichung des Lebens Ludwigs XIV. entstand, arbeitet Knothe heraus, wie Tessin diese Ikonografie französischer Herrschaftspropaganda für den Stockholmer Hof zu adaptieren versuchte.

Kritisch muss auf die fragwürdige Verwendung des Wagnerschen Begriffs des "Gesamtkunstwerks" hingewiesen werden, den Knothe unreflektiert zur Beschreibung der künstlerischen Konzeption von Schloss Versailles und seiner Innenausstattung nutzt (154-155). Dies ist umso erstaunlicher, als in den vorherigen Kapiteln eine akribische Definition der Begriffe "Merkantilismus" und "Manufaktur" erfolgte (22-23; 43). Auch eine schärfere Problematisierung von Begriffen wie "französischer" und "italienischer" Stil wäre wünschenswert. Insgesamt bietet das Buch aber eine umfangreiche Untersuchung, die zahlreiche weiterführende Perspektiven eröffnet und der Komplexität der königlichen Gobelin-Manufaktur gerecht wird.


Anmerkung:

[1] Siehe dazu u.a. Daniel Alcouffe: "Les Macé, ébénistes et peintres", in: Bulletin de la Société de l'histoire de l'art français (1971), 61-82; Calin Demetrescu: "Domenico Cucci, le plus baroque des ébénistes de Louis XIV", in: L'estampille / L'objet d'art 306 (1996), 58-79; Stéphane Castelluccio: Les meubles de pierres dures de Louis XIV et l'atelier des Gobelins, Dijon 2007. Bestimmte Handwerke, wie die Silberschmiede der Gobelin-Manufaktur, fanden in der bisherigen Forschung kaum eine Würdigung.

Miriam Schefzyk