Silvio Calzolari / Nino Giordano: Antonino Pierozzi. Un santo domenicano nella Firenze del Quattrocento, Firenze: Edizioni Polistampa 2017, 112 S., 22 Farbabb., ISBN 978-88-596-1728-0, EUR 12,00
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Gegen das Vergessen - immer weniger Besucher und Besucherinnen zählt der jährliche Gedenkgottesdienst zu Ehren des Heiligen Antoninus (1389-1459). Um diesem Mangel - laut Vorwort des Dominikaners Fausto Sbaffoni - abzuhelfen, wurde das vorliegende, 108 Seiten umfassende Buch von zwei Florentiner Gelehrten (Religionswissenschaften bzw. -geschichte) verfasst. Da die Rezensentin auch zu diesem Heiligen, näherhin zu seinen Bußbüchern, habilitiert hat und ebenso das Vergessen für die eigene Fachdisziplin Moraltheologie anzusetzen ist, stieß diese aktuelle italienischsprachige Lebensbeschreibung des Patrons der Stadt und der Erzdiözese Florenz (seit 1959) auf großes Interesse.
Die beiden Autoren Calzolari und Giordano ordnen Antoninus in insgesamt 20 Abschnitten in seinen Orden, näherhin in die Observanzbewegung der damaligen Zeit, und in die Stadtgeschichte von Florenz ein. Als großer Seelsorger, Wohltäter, Moraltheologe und Historiker begegnet Antoninus in diesem mit ca. 20 Künstlerabbildungen (bzw. Ausschnitten) und Fotos zu ihm und seinem Umkreis bebilderten Buch, das nur zu wenigen Teilen aus einer Deskription der Lebensgeschichte des Antoninus besteht. Das Buch aus der Gattung Gebrauchsliteratur setzt sich vielmehr aus fiktionalen Gesprächen zwischen verschiedenen Personen (Cosimo de' Medici, dem Maler Fra Angelico usw.), Auszügen aus Schriften des Antoninus (nur teilweise mit bibliografischen Angaben) und Betrachtungen einer Angehörigen des Tertiärordens der Dominikaner (keine Jahreszahl) zusammen. So gelingt ein anschauliches, man kann fast schon sagen, plastisches Bild dieses Heiligen des 14./15. Jahrhunderts, welches jedoch an manchen Stellen - nicht nur im Layout - additiv wirkt, als wären Fakten zusammengetragen worden (vor allem im Kapitel zum Dominikanerorden).
Nicht von der Hand zu weisen ist aber die dadurch bewirkte Niedrigschwelligkeit des Erstzugangs zu Antoninus, der vor allem im Konvent San Marco in Florenz gewirkt hat. Anzumerken gilt es, dass neben der Lebensbeschreibung auch eine ausführlichere Einführung in die Werke (Briefe, Summa theologica, Summa historialis, Bußbücher, Erbauungsschriften usw.) des Antoninus hilfreich gewesen wäre, zumal aus sehr vielen zitiert wird. Bei der Angabe der Sekundärliteratur fällt auf, dass sich in der Erarbeitung des Inhalts auf etablierte romanischsprachige Monografien gestützt, aber weniger die internationale Forschungslandschaft berücksichtigt wurde (z.B. Peter F. Howard zu den Predigten des Antoninus).
Zumeist Orte (Florenz und Rom) samt Jahreszahlen markieren die einzelnen Kapitel, in denen der Leser und die Leserin Antoninus kennenlernen darf. Die Verbindung zum Ordensbruder und Maler Fra Angelico wird beispielsweise sehr ausgeschmückt, was in dieser Innigkeit von der Forschung durchaus kritisch gesehen wird. Die Textausschnitte, die im Buch zu den Stationen des Antoninus präsentiert werden, zeichnen sich durch Kürze und Prägnanz aus. Folglich kommen sehr viele Aspekte der Persönlichkeit und des Wirkens des Antoninus zum Tragen. Zwar wird er sehr facettenreich (die Unterüberschriften leiten sehr gut) eingeführt, aber dann wird wieder die - man ist fast schon geneigt zu schreiben altbekannte und nicht schlussendlich zu beantwortende - Frage nach dem Humanismus des Antoninus gestellt und mit Argumenten (die erste öffentliche Bibliothek, die u.a. von Antoninus gegründet wurde, enthielt auch Werke von Humanisten; Marsilio Ficino wurde von Antoninus gefördert; der Humanist Francesco da Castiglione arbeitete als sein Sekretär usw.) ausgeführt. Zugutehalten kann man diesem Kapitel, dass in der Überschrift von einer "curiosità humanistica" gesprochen wird, was sicherlich auf Antoninus, der sich selbst als Ameise gesehen hat, zutrifft.
Im Vorwort wird er als einer der großen Meister der Moderne gefeiert (vgl. 4), was ihn und sein Wirken als Erzbischof nicht in Gänze trifft. Dem Forschungsinteresse von Nino Giordano, eines der Autoren, scheint der Briefausschnitt von Giorgio La Pira (1958) zu Antoninus zu entspringen, der zu Beginn des Buches wiedergegeben wird. Wem dieser katholische Florentiner Politiker und Oberbürgermeister nicht so geläufig ist, bleibt ratlos zurück. Sehr stark wird das ortskirchliche Wirken des Antoninus gewürdigt (Konzil von Florenz), weniger das gesamtkirchliche (Aufruf zu den Kreuzzügen) und kirchenrechtliche.
Gegen das Vergessen - mit dieser Lebensbeschreibung, die stellenweise ins Hagiografische abrutscht, wird plastisch dagegen angekämpft. An manchen Stellen reiht sich Quelle an Quelle. Vor allem wenn zusätzlich deren Angabe fehlt, fällt eine Einordnung schwer: Handelt es sich nun um eine theologische Argumentation oder um eine erbauliche? Das Buch gibt auf jeden Fall Einblick in das Leben und Denken des Antoninus, vor allem auch für das Quattrocento in Florenz und ist aus diesem Grunde lesenswert.
Kerstin Schlögl-Flierl