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Stephan Conermann: Islamische Welten. Einführung, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 4 [15.04.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
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Islamische Welten

Einführung

Von Stephan Conermann

Das FORUM "Islamische Welten" beginnt mit der Besprechung dreier Werke, die sich mit den Reformen des osmanischen Sultans Selim III. (reg. 1789-1807) befassen. Angesichts einiger ökonomischer und sozialer Krisen und militärischer Niederlagen im 18. Jahrhundert hatte der Sultan in den 1790er Jahren eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um auf diese gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen zu reagieren. Lange Zeit sah man in den Bemühungen des türkischen Herrschers rein auf das Militär bezogene Reaktionen der Hohen Pforte auf die europäischen Modernisierungsprozesse. Letzten Endes sei es nicht viel mehr als ein kurzes Aufbäumen des ohnehin nach einem steten Niedergang am Boden liegenden Osmanischen Reiches gewesen. Seit einiger Zeit folgt die Forschung dieser Interpretation nicht mehr. Vielmehr ordnet man die Veränderungen in den globalgeschichtlichen Kontext des langen 19. Jahrhunderts ein. Aus dieser Perspektive stellt sich die Frage nach den Vorgeschichten, Zusammenhängen und geteilten Erfahrungen aller weltweit zu beobachtenden Transformationen. Darüber hinaus stellen die Osmanisten die Regierungszeit von Selim III. in den Gesamtzusammenhang der Geschichte des Osmanischen Reiches seit dem 16. Jahrhundert. Das Narrrativ "Aufstieg - Höhepunkt - Stagnation - Verfall" haben die meisten ernsthaften Historiker zum Glück auch hier hinter sich gelassen. Es werden Kontinuitäten hervorgehoben und vor allem die permanenten Anpassungen der osmanischen Gesellschaft an im Grunde unvorhergesehene und nur schwer berechenbare politische, wirtschaftliche und kulturelle Veränderungen im weiteren Umfeld des Reiches beobachtet und zu erklären versucht. (Conermann zu Yιldιz, Yacioğlu und Başaran)

Drei weitere Arbeiten beschäftigen sich mit dem Iran. Eine für Amerika typische, für uns etwas gewöhnungsbedürftige Mischung aus Reportage, historisch-deskriptiven Passagen, persönlichen Erlebnissen und Interviews bietet ein Buch über die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran im 20. Jahrhundert. Man merkt der Verfasserin an, dass sie keine ausgebildete Historikerin ist, sondern eher einen politikwissenschaftlichen Hintergrund hat und lange Zeit als Beraterin für verschiedene Organisationen tätig war. Interessante Einblicke werden dennoch geboten. (Schirrmacher zu Keynoush) Die nächste Autorin hat zwar auch als Journalistin gearbeitet, doch folgt ihre Dissertation, die uns einen sehr guten Überblick über die iranische Musikszene seit 1979 gibt, den allgemeinen wissenschaftlichen Standards solcher Qualifikationsschriften. Die Verknüpfung von politischer und musikwissenschaftlicher Geschichte macht den Reiz der Abhandlung aus. (Aras zu Siamdoust) Ebenso informativ ist schließlich eine sozialwissenschaftliche Studie über das im Jahr 2000 in Teheran gegründete "Künstlerhaus". Interviews, anthropologische Beobachtungen und Gespräche mit verschiedenen Gruppen werden ebenso wie zahlreiche Texte geschickt ausgewertet. Dadurch kann die Verfasserin einen guten Eindruck von den Werten und Normen der Personen im Umfeld der genannten Einrichtung vermitteln. (Schirrmacher zu Payvar)

Die islamische Theologie an sich ist ein sehr spannendes Thema. Allerdings benötigt es eine gründliche Ausbildung und eine lange Erfahrung mit den inhaltlich komplexen Texten, um Anerkennung im Kreise der Spezialisten zu bekommen. Insofern stellt eine Promotion in diesem Bereich immer auch ein Wagnis dar. Thomas Würtz hat diese Herausforderung offenbar bei seiner Darstellung der Auferstehungslehre, Handlungstheorie und Schöpfungsvorstellungen im Werk von Saʿd ad-Dīn Taftāzānī (gest. 1390) gut gemeistert. (Kam zu Würtz) Es bleiben schließlich noch zwei weitere Rezensionen: Zum einen stellen wir mit Arundhati Roys 2017 erschienenen The Ministry of Utmost Happiness wieder einmal einen Roman mit Gegenwartsbezug vor (Kulke zu Arundhati), zum anderen wird ein Sammelband besprochen, der sich der Freizeitaktivitäten militanter Islamisten widmet. Darunter wird das für viele Aktivisten durchaus anziehende Kulturprogramm gefasst, das jenseits des eigentlichen Kampfes Angebote auf den Gebieten Musik, Poesie, Film und gemeinsamer Erinnerungskultur macht. (Kulke zu Hegghammer)

Rezensionen