Rezension über:

Hans Georg Trüper (Bearb.): Urkundenbuch der Herren von Zesterfleth. 1232-1677 (= Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden; Bd. 51), Göttingen: Wallstein 2017, 410 S., 2 s/w-Abb., ISBN 978-3-8353-3142-6, EUR 39,90
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Rezension von:
Florian Dirks
Stadtarchiv Bremerhaven
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Florian Dirks: Rezension von: Hans Georg Trüper (Bearb.): Urkundenbuch der Herren von Zesterfleth. 1232-1677, Göttingen: Wallstein 2017, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 5 [15.05.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/05/31268.html


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Hans Georg Trüper (Bearb.): Urkundenbuch der Herren von Zesterfleth

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Es ist ein Glücksfall für die Forschung zu Spätmittelalter und Früher Neuzeit, dass sich immer wieder WissenschaftlerInnen an das von Karl E. Demandt als "heißes Eisen" bezeichnete Unterfangen einer Quellenedition wagen. [1] Hans Georg Trüper, eigentlich Biologie-Professor an der Universität Bonn, hatte sich bereits vor seiner Emeritierung der mittelalterlichen Geschichte seiner Herkunftsregion im Großraum Bremen verschrieben. Nach seiner durchaus beeindruckenden geschichtswissenschaftlichen Dissertation über Ritter und Knappen zwischen Weser und Elbe (erschienen 2000, erweiterte Neuauflage 2015) ließen ihn die Schicksale der regionalen (Nieder-)Adelsfamilien nicht los. Diesem Umstand verdankt die Nachwelt eine umfangreiche Fondsedition der Urkunden der Herren von Zesterfleth.

Die Herren von Zesterfleth, benannt nach einem heute nicht mehr existierenden Dorf im Alten Land auf der Südseite der Elbe, stiegen zu einer der bedeutendsten Familien des bremischen Niederadels auf. Angehörige dieser Familie saßen in Domkapiteln, brachten es zum Bischof in Verden [2] und waren immer wieder in weltlich-militärische Belange involviert. In männlicher Linie starben die von Zesterfleth 1848 aus.

Die Herren von Zesterfleth amtierten bis ins 14. Jahrhundert hinein als Ministerialen des Erzstifts Bremen. Dabei hatten sie keine Dienstbeziehungen zu den Bischöfen von Verden oder den Grafen von Stade. Dies unterscheidet sie beispielsweise von Familien wie den von Clüver oder von Klencke, die in dieser Zeit sowie im folgenden 15. Jahrhundert auch anderen Herren als dem Erzbischof dienten.

Im Jahr 1312 ist ein Ritter Johann von Zesterfleth erstmals urkundlich fassbar, wenngleich über die Geschichte der Familie vor diesem Zeitpunkt wenige gefestigte Informationen vorhanden sind. Dieser Johann I. hatte zudem ein nicht unbedeutendes Amt inne. Er war Vogt zu Buxtehude. Diese Position war nicht nur sehr angesehen in der Bremer Ritterschaft, sondern gleichzeitig auch sehr ertragreich. Nachfahren des Ritters Johann I. von Zesterfleth kauften zahlreiche Ländereien im Alten Land. Dort siedelten sie nach Steinkirchen über, das fortan als Sitz der Familie diente. Gleichzeitig bestanden laut Trüper keine Beziehungen mehr zum Stammort der Familie, da der Herrenhof an eine verwandte Familie, die von Bliedersdorf, verpfändet gewesen sei.

Zusätzlich zur Vogtei Buxtehude verfügten die Herren von Zesterfleth über einen Burgmannssitz auf der Horneburg. Dieser Besitz hatte großes Konfliktpotenzial. Nicht nur innerhalb der Bremer Ritterschaft, sondern auch gegenüber dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg und den Hansestädten kam es im 14. und 15. Jahrhundert immer wieder zu teils langwierigen fehdeartigen Auseinandersetzungen, an denen allerdings maßgeblich die übrigen Burgmannen beteiligt waren. [3] Doch hatte der Burgmannssitz der Herren von Zesterfleth auch innerfamiliäre Streitigkeiten zur Folge. Die Herren von Zesterfleth zogen mit ihrem um 1540 begonnenen Erbstreit bis vor das Reichskammergericht. Das Gericht entschied 1617, also ganze 75 Jahre später, auf einen Vergleich.

Mit Johann V. von Zesterfleth war die Familie im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts bereits so gefestigt in den Strukturen des Erzstifts vertreten, dass ihm 1374 die Position des Domdekans anvertraut wurde. 1382 gelang es ihm, als Johann II. den Bischofsstuhl in Verden zu erlangen. Auch nach ihm waren zahlreiche Angehörige der Familie von Zesterfleth von geistlichem Stand (von Trüper auf S. 19 zusammengefasst).

Die der Einleitung beigefügten Stammtafeln erleichtern den Überblick über die durchaus zahlreichen Verästelungen der Familie, die durch Heirat mit vielen wichtigen Adelsfamilien des Landes zwischen Weser und Elbe verbunden war (v. Borch, v. Bothmer, v. Brobergen, v. Klencke, Schulte, v. Selsingen).

Die von Trüper vorgelegte Edition umfasst 296 Texte aus der Zeit von 1232 bis 1677. Diesen Urkundenfonds verwahrt das Niedersächsische Landesarchiv, Standort Stade. Die Publikation folgt hierin den Maßgaben der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Denn Trüper hätte gern eine viel umfangreichere Pertinenzedition der Herren von Zesterfleth veröffentlichen wollen (Kappelhoff/Dannenberg, Zum Geleit, 7-8). Hervorzuheben ist dabei, dass es sich um einen weitgehend geschlossenen Fond handelt. Die edierten Stücke bildeten das Gutsarchiv des bis 1857 existierenden Adelssitzes Bergfried im Kirchspiel Steinkirchen im Alten Land nahe Stade (10).

Trüper ordnet die edierten Stücke in den historischen Zusammenhang der Familiengeschichte ein (10-33). Den Grafen von Kielmannsegg sowie einer Versteigerung sei es demnach zu verdanken, dass das Gutsarchiv nach ihrer Übernahme der Zesterfleth'schen Güter in das damalige Staatsarchiv Hannover und von dort 1965 nach Stade kam. Ein nicht unbedeutender Teil sei im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen (10-11).

Punktuell werden die Texte lediglich im Regest wiedergegeben, was dem schlechten Zustand des jeweiligen Originals zugeschrieben wird. Ein Index der Personen- und Ortsnamen (349-407) sowie der Inhaber im Original erhaltener Siegel und Notariatssignete (408-410) erschließen diese wichtige Edition.


Anmerkungen:

[1] Karl E. Demandt: Zum Problem spätmittelalterlicher Quelleneditionen, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 90 (1953) 17-29, 17.

[2] Arend Mindermann: Johann von Zesterfleth (+1388). Ein Altländer Adeliger als Bremer Domdekan und Bischof von Verden. 1: Der Bremer Domdekan, in: Stader Jahrbuch, Neue Folge 98 (2008) 13-34; Ders.: Johann von Zesterfleth (+1388). Ein Altländer Adeliger als Bremer Domdekan und Bischof von Verden. 2: Der Bischof von Verden (Johann II.), in: Stader Jahrbuch, Neue Folge 99 (2009) 19-43.

[3] Florian Dirks: Konfliktaustragung im norddeutschen Raum des 14. und 15. Jahrhunderts. Untersuchungen zu Fehdewesen und Tagfahrt, Göttingen 2015, 121-144.

Florian Dirks