Werner Maleczek (Hg.): Die römische Kurie und das Geld. Von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum frühen 14. Jahrhundert (= Vorträge und Forschungen; Bd. LXXXV), Ostfildern: Thorbecke 2018, 623 S., 24 s/w-Abb., 8 Tabl., ISBN 978-3-7995-6885-2, EUR 64,00
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Die päpstliche Kurie und das Geld. Ein Thema, zu dem wohl seit jeher und bis heute jeder seine oft genug wenig differenzierte Meinung hat. Umso erfreulicher ist es, dass der einschlägig ausgewiesene Experte Werner Maleczek im Jahr 2014 mit diesem Thema nicht nur den traditionsreichen Konstanzer Arbeitskreis in selten besuchte Gefilde gelenkt, sondern auch einem drängenden Forschungsdesiderat eine Plattform geschaffen hat. Besonders hervorzuheben ist, dass Maleczek den Fokus seiner Tagung auf die Jahrhunderte vor Avignon und damit auf einen bislang beklagenswert unterbelichteten Zeitraum gelegt hat. Die Frage, die Maleczek zum Ausgangspunkt seiner Tagung wie des vorliegenden Bandes stellt, mag einfach klingen: Wie hat die seit dem 12. Jahrhundert geradezu exponentiell anwachsende römische Kurie bis zum Ende des 13. Jahrhunderts tatsächlich ihren Finanzbedarf gedeckt und wie wurde das Geld ausgegeben? (12) Dass diese Frage leichter zu stellen als zu beantworten ist, legt der Blick auf die zwischen Mangel und Überfluss oszillierende Quellenlage ebenso nahe wie der auf das Itinerar der Päpste in diesem Zeitraum, die sich mitsamt ihrem Hof häufig außerhalb der heiligen Stadt aufhielten. An diese Frage schließt Maleczek die starke These an, dass das sich entwickelnde Finanzwesen der römischen Kurie einen "kräftigen Impuls" für die sich in Europa entwickelnde Geldwirtschaft bedeutet hätte "und das italienische Bankwesen, einer der Motoren des frühen Kapitalismus, [...] ihr zu erheblichem Teil seinen Aufstieg" verdanke (24).
Die Reihe der Beiträge wird durch die Studie der Mailänder Numismatikerin Lucia Traversini eröffnet, die sich dem päpstlichen Finanzwesen von der Seite der Geldsorten her nähert, welche zwischen 1150 und 1305 in Rom und an der Kurie geschlagen oder durch die Besucher aus allen Teilen der Christenheit an die Kurie gebracht wurden und dabei einen Eindruck von der Leistung der kurialen Finanzbeamten vermittelt, die die unterschiedlichsten Geldsorten bewerten und gegeneinander aufrechnen mussten. Der folgende Beitrag von Stefan Weiss (†) charakterisiert die päpstliche Finanzverwaltung anhand der kurialen Überlieferung als "Wunder an Effizienz" (86), wobei er zurecht darauf hinweist, dass ein gewichtiger Teil der diesbezüglichen Schriftlichkeit in Form von heute verlorenen Notariatsinstrumenten vorgelegen haben muss. Ebenfalls mit den päpstlichen Einkünften befasst sich Jochen Johrendt, indem er angesichts der heterogenen Quellenlage die Qualität der an der Kurie einlaufenden Gelder aus den unterschiedlichsten Quellen - etwa Pilgergaben, Mieteinnahmen, Lehnszahlungen und Urkundentaxen - untersucht. Dabei werden auch die Transportwege der Gelder an den päpstlichen Hof beleuchtet, wobei Johrendt besonders die Rolle der päpstlichen Kapläne herausarbeiten kann.
Der anschließende, auf der Tagung heftig diskutierte Beitrag von Markus A. Denzel schlägt nicht weniger als einen Perspektivwechsel vor, wenn er den bisherigen Forschungsschwerpunkt zur Papstfinanz aus der avignonesischen Zeit ins "'lange' 13. Jahrhundert" (164) zurückverlegt und die Weichen für den Ausbau der päpstlichen Kammer im 14. Jahrhundert bereits in der Zeit zwischen Innocenz III. und Clemens V. gestellt sieht. Mit seiner These, wonach der geographisch weitgespannte kuriale Zahlungsverkehr, die "Re-Intensivierung der Geldwirtschaft" und die "Entwicklung der bankmäßigen Dienstleistungen der italienischen Kaufmannsbankiers" (165) mit ihrer Herausbildung eines bargeldlosen Zahlungsverkehrs letztlich auf den Bemühungen der Kurie wie der Kaufleute gründeten, das kanonische Zinsverbot zu umgehen, stieß Denzel freilich auf die heftige Kritik von Hans-Jörg Gilomen, der zum vorliegenden Band einen so umfangreichen wie dichten Aufsatz zur zeitgenössischen akademischen Diskussion zum kanonischen Zinsverbot beigesteuert hat, der nachweist, dass die päpstliche Gesetzgebung das Zinsverbot bis in die Neuzeit hinein niemals aufgegeben hat. Eine Synthese der beiden Positionen wäre vielleicht in der Form möglich, dass das Zinsverbot aus nachvollziehbaren Gründen zwar niemals aufgegeben, aber Schleichwege gefunden wurden, um die kaufmännischen mit den theologisch-kanonischrechtlichen Interessen zu versöhnen.
Zwei Beiträge wenden sich den Bankiers, damit den unverzichtbaren Akteuren des kurialen Finanzwesens zu. Während der durch seine Arbeiten zu den römischen Kaufleuten einschlägig ausgewiesene Marco Vendittelli sich in seinem ebenfalls nicht auf einen Vortrag zurückgehenden Aufsatz dem Aufstieg der römischen mercatores zu den Bankiers der Päpste und der Kurie widmet, richtet Arnaud Jamme den Fokus seines Vortrags auf die Ablösung der römischen durch oberitalienische Bankiersfamilien, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts greifbar wird und letztlich zum Bedeutungsverlust der römischen Kaufleute-Bankiers geführt hat.
In zwei detaillierten Einzelstudien wird die zugunsten von politischen und theologischen Fragestellungen oft vernachlässigte Bedeutung des Geldes für die politische Papstgeschichte des Mittelalters herausgestellt. Matthias Thumser untersucht die bisweilen geradezu verzweifelt wirkenden päpstlichen Bemühungen, die nötigen Geldsummen für das negotium Sicilie aufzubringen, die Rückgewinnung des Königreichs Sizilien durch Karl von Anjou von den Staufern. Andreas Büttner ergänzt in seinem nur für den Band verfassten Beitrag diesen Zugriff, indem er die Rolle des Geldes im Kampf zwischen den Päpsten und Kaiser Friedrich II. untersucht. Dabei gelingt es ihm, den hinlänglich bekannten, lautstarken Veröffentlichungen der jeweiligen Kanzleien neue Dimensionen abzugewinnen, die dazu aufrufen, auch in anderen Kontexten nicht nur nach Macht, Ehre und Prestige zu fragen, sondern auch die finanziellen Aspekte mittelalterlicher Politik im Blick zu behalten.
Ebenfalls mit der Finanzierung päpstlicher Politik befasst sich Pascal Montaubin in seinem Beitrag über die Prokurationen päpstlicher Legaten, der nach Umfang und analytischer Tiefe Handbuchcharakter beanspruchen kann. Widerspruchslos oder gar selbstverständlich wurde der kuriale Zugriff auf die Börsen der Christenheit jedenfalls nicht hingenommen, auch wenn, wie Thomas Wetzstein herausstellt, die bekannten und gern zitierten kurienkritischen Texte der Zeit wenig überraschend nicht als Augenzeugenberichte vom päpstlichen Hof, sondern eher als gelehrte literarische Kunstwerke zu verstehen sind, die nicht unreflektiert als historische Quellen gelesen werden dürfen. Seinen Aufruf, die tatsächliche Meinung der Christenheit zum päpstlichen Finanzwesen stattdessen in "staubigen" (372) Archiven aufzustöbern, löst Andreas Fischer in einem methodisch neue und überzeugende Wege beschreitenden Beitrag ein, in dem er ausgehend von der Rolle der Kasse des Kardinalskollegiums für den Korporationscharakter dieses Gremiums auf die sehr unterschiedliche finanzielle Ausstattung der einzelnen Kardinäle überleitet um unter Rückgriff auf Pierre Bourdieu das soziale Kapital der Kardinäle zu untersuchen: Ausgehend von den Einflussmöglichkeiten der einzelnen Purpurträger auf den Papst waren sie für die Petenten unterschiedlich attraktiv, so dass sie sich genau überlegten, in die Fürsprache welches Kardinals sie ihre meist beschränkten Mittel investierten. Fischers bescheiden in Anführungszeichen gesetzter "Petentenkapitalismus" (258) hat in Zukunft als Interpretationsrahmen für die Beziehungen zwischen Kurie und Peripherie wie für die kuriale Stratifikation zweifellos größere Aufmerksamkeit verdient.
Die pragmatische Zusammenfassung von Jürgen Dendorfer bündelt die Tagungsergebnisse und formuliert Perspektiven für die weitere Arbeit mit und am Finanzwesen der römischen Kurie nicht nur vor Avignon.
Auch wenn die Frage nach der Rolle der päpstlichen Finanzverwaltung für die Herausbildung des europäischen Frühkapitalismus im Mittelalter in den Beiträgen mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte, ist dem in seiner thematischen Vielfältigkeit eindrucksvollen Band eine intensive Rezeption zu wünschen. Ein umfangreiches Register erschliesst und verknüpft die Einzelstudien, so dass allein die schwankende Qualität des Lektorats Wünsche offenlässt.
Kerstin Hitzbleck