Rezension über:

Gesa Wilangowski: Frieden schreiben im Spätmittelalter. Vertragsdiplomatie zwischen Maximilian I., dem römisch-deutschen Reich und Frankreich (= Ancien Régime. Aufklärung und Revolution; Bd. 44), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2017, X + 288 S., ISBN 978-3-11-049057-2, EUR 69,95
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Rezension von:
Ingeborg Wiesflecker-Friedhuber
Graz
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Ingeborg Wiesflecker-Friedhuber: Rezension von: Gesa Wilangowski: Frieden schreiben im Spätmittelalter. Vertragsdiplomatie zwischen Maximilian I., dem römisch-deutschen Reich und Frankreich, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2017, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 10 [15.10.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/10/31569.html


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Gesa Wilangowski: Frieden schreiben im Spätmittelalter

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Gesa Wilangowski legt mit dieser Arbeit, ihrer überarbeiteten Dissertation, eine sehr interessante Studie zur spätmittelalterlichen Vertragsdiplomatie zwischen dem römisch-deutschen Kaiser bzw. König und dem Reich einerseits und Frankreich andererseits vor, also zwischen zwei sehr unterschiedlich verfassten staatlichen Gebilden. Der Schwerpunkt liegt auf der genauen Untersuchung der Verhandlungen und des Zustandekommens und Festschreibens der Friedensverträge. Den zeitlichen Rahmen bildet die Regierungszeit Maximilians I. zunächst in den burgundischen Niederlanden ab 1477 und dann im Reich bis zum Vertrag von Cambrai 1508. Das Buch ist ein wertvolles und ergänzendes Gegenstück zu dem 2016 erschienenen Werk von Gregor Metzig, das sich auch mit Außenpolitik und Diplomatie in der Zeit Maximilians I. beschäftigt. [1]

In der ausführlichen Einleitung schildert Wilangowski den Forschungsstand, die geschichtswissenschaftlichen Konzepte der Außenpolitikforschung, den von ihr gewählten konstruktivistischen Ansatz, ihr methodisches Vorgehen, die Quellen für ihre Untersuchung und das Ziel dieser Arbeit.

Der Hauptteil enthält eine Reihe von ausgewählten Fallbeispielen. Als erstes geht es um die burgundische Erbschaftsfrage nach dem Tod Herzog Karls des Kühnen 1477 und den daraus erwachsenden Rechtsdiskurs. Dann folgt ein Kapitel über die Waffenstillstandsversuche zwischen Maximilian und Karl VIII. von Frankreich 1478-1480 als Vorbereitung eines endgültigen Friedens zur Beendigung des burgundischen Erbfolgekrieges. Sehr ausführlich werden dann die Friedensverträge von Arras 1482 bis Senlis 1493 behandelt und das Ringen um die Exekution der Vertragsbestimmungen. Im Kapitel "Reformreichstage als Zäsur?" geht es um die Interessen und Handlungsspielräume der Reichsstände, mithin um ihre Beteiligung an der Vertragspolitik Maximilians I. Sie wollten ein Mitspracherecht in der Außenpolitik des Königs gewahrt wissen, worin sie aus naheliegenden Gründen vom französischen König unterstützt wurden. Hier scheint die Autorin die Bedeutung der Reichsstände, d. h. im Grunde genommen der Kurfürsten und Fürsten, für die Verträge etwas zu überschätzen; sie musste selbst feststellen, dass die Reichsstände als Akteure "nur geringe Performanz" hatten (98). Im Kapitel über das Reichsregiment interessieren Wilangowski naturgemäß die Waffenstillstandsverhandlungen der Gesandtschaft des Reichsregiments nach Frankreich. Beim Vertrag von Trient 1501 wie bei dem Vertragswerk von Lyon-Blois-Hagenau 1503/1505. stehen wieder die beiden Monarchen, Maximilian und Ludwig XII., und ihre Interessen im Mittelpunkt der Vertragsdiplomatie, weshalb diese Verträge durch dynastische Verbindungen, nämlich Heirats- und Erbverträge gesichert werden sollten. Das zeigt deutlich, dass es sich im Übergang vom Spätmittelalter in die Neuzeit noch nicht um Staaten im modernen Sinn, sondern um dynastische Gebilde handelt. Im letzten Kapitel der Fallbeispiele über den Vertrag von Cambrai 1508 behandelt Wilangowski nicht den Vertragstext, sondern die Vergleichbarkeit bzw. Nicht-Vergleichbarkeit von Reichskammergericht und Parlament von Paris. In der Zusammenfassung, der "Synthese", fasst Wilangowski eingängig die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Fallbeispiele zusammen: den Wandel in der Praxis, die Grundelemente der Friedensverträge, Anpassungen und Entwicklungen, die sich durch Veränderungen der strukturellen Gegebenheiten ergeben, bis hin zu ersten Ansätzen für das Entstehen eines Völkerrechts.

Wilangowski arbeitet sehr quellennah und mit umfassender Kenntnis der einschlägigen Literatur, mit der sie sich kritisch auseinandersetzt; ihre Analyse der Vertragstexte ist sehr gründlich, manchmal geradezu spitzfindig und lässt an Genauigkeit nichts zu wünschen übrig. Es wird deutlich, dass die Vertragstexte ein Produkt ihrer Aushandlung sind und nicht nur formgebundene Urkunden. Ausgehandelt wurden sie im Auftrag der Monarchen durch deren bevollmächtigte Vertreter, deren jeweilige Rolle die Autorin sehr verdienstvoll herausarbeitet.

Zur Genauigkeit von Wilangowkis Arbeitsweise am Text passt nicht die Sorglosigkeit bei den anderen Teilen ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Ohne beckmesserisch sein zu wollen, muss gesagt werden, dass das Register bedeutende Schwächen zeigt: neben kleinen Fehlern wie falschen Vornamen (de la Marche als Olivier und als Robert, Wolkenstein heißt Michael), kommen merkwürdige Eintragungen vor, wie Berghes, Cornelius de, Cornelius de Glymes oder Doppeleintragungen wie Lodovico Maria Sforza, Herzog von Mailand und Sforza, Lodovico Maria, Herzog von Mailand. Gravierender erscheint, dass Wilangowski, obwohl sie die Bedeutung der Akteure bei den Verhandlungen, also der bevollmächtigten Vertreter der Monarchen, betont, die Namen im Text oder in den Fußnoten der jeweiligen Quelle folgend wiedergibt, ohne sie zu identifizieren. Das führt dazu, dass ein und dieselbe Person im Register zweimal vorkommt, jeweils ohne einen Querverweis. Ein paar Beispiele seien hier angeführt: Paul de Baenst scheint im Register als Paul de Banest und als Seigneur de Vornselle (= Voormezeele) auf, Thomas de Plaines als Thomas de Plannes und als Seigneur de Maygny, Antoin Rolin als solcher und als Seigneur d'Aymeries, Pierre II. Herzog von Bourbon als solcher und als Pierre de Beaujeu, Herzog von Bourbon; auch bei Johann von der Leiter fehlt ein Verweis auf seinen Ahnherrn Brunoro della Scala.

Das Verzeichnis der archivalischen Quellen ist äußerst spartanisch, die Archivorte sind nur mit Hilfe des Abkürzungsverzeichnisses festzustellen. Dass in das Verzeichnis der gedruckten Quellen Werke, die in Fußnoten mit vollständigen bibliographischen Angaben zitiert wurden, nur zum Teil aufgenommen sind, hilft vielleicht Platz zu sparen, ist aber nicht benutzerfreundlich.

Diese Kritikpunkte sollen den Wert dieser Arbeit nicht schmälern. Die Studie ist ein wertvoller Beitrag zur Erforschung der verschiedenen Entwicklungsprozesse in der Vertragsdiplomatie an der Wende vom Spätmittelalter zur Neuzeit, gezeigt am Beispiel "Maximilian I. und das Reich versus Frankreich" und damit auch ein Beitrag zur Diplomatiegeschichte und zur Außenpolitikforschung dieser Epoche.


Anmerkung:

[1] Gregor Metzig: Kommunikation und Konfrontation. Diplomatie und Gesandtschaftswesen Kaiser Maximilians I. (1486-1519) (= Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom; Bd. 130), Berlin 2016.

Ingeborg Wiesflecker-Friedhuber