Matthew Wranovix: Priests and Their Books in Late Medieval Eichstätt, Lanham, MD: Lexington Books 2017, XX + 220 S., ISBN 978-1-4985-4886-1, GBP 65,00
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Was Theologen seit der Antike dachten bzw. vermeintlich dachten, ist in den kleineren und größeren Werken der Theologiegeschichte hinlänglich dokumentiert, auch wenn die Wirkung einzelner Werke mitunter unter- oder auch überschätzt wurde. Auch der universitäre Unterrichtsbetrieb, in dem die Ausbildung der Endverbraucher theologischer Literatur vorangetrieben wurde, ist einigermaßen gut erforscht. Was die Absolventen nach ihrer akademischen Ausbildung in den Pfarrgemeinden außer der Verwaltung der Sakramente betrieben, ist dagegen - trotz der wegweisenden Arbeiten von Enno Bünz [1] - vergleichsweise schlecht erforscht. In diese Lücke hinein ist das hier zu besprechende Buch geschrieben. Es geht im Kern zurück auf eine Doktorarbeit des Verfassers an der Yale University im Jahr 2007, Teile des dritten, vierten und fünften Kapitels wurden in Aufsätzen bereits veröffentlicht bzw. zur Veröffentlichung eingereicht. Für die vorliegende Publikation wurde das Buch gründlich überarbeitet. Die Arbeit stützt sich insbesondere auf die Handschriften- und Inkunabelsammlung der Eichstätter Diözese, die in der dortigen Universitätsbibliothek aufbewahrt wird. Das große Plus dieser Sammlung ist, dass ein Buchbesitzer, Ulrich Pfeffel [2], über Besitzeinträge identifiziert werden kann und so Spuren seiner Amtsführung aus seinen handschriftlichen Anmerkungen erhoben werden können.
Wranovix geht in seiner Darstellung in sieben Schritten vor. Nach einer Einleitung und einer Karte der Erzdiözese Eichstätt - warum beides in lateinischen Ziffern paginiert ist, bleibt Geheimnis des Verlags - wird der fünfgliedrige Hauptteil mit einem allgemein gehaltenen Kapitel über Ausbildung ("Education") in der Diözese eröffnet. Für die praktizierenden Theologen gab es Erwartungen ("Expectations"), die sich auf die Fähigkeit zur Seelsorge, aber auch auf theologische Grundkenntnisse für die Ordinations- bzw. Weiheprüfung bezogen; offen bleibt, welche Lateinkenntnisse bei den Kandidaten vorauszusetzen waren. Für den Priester als Beichtvater galt es insbesondere zu wissen, was eine (Tod-) Sünde ausmachte; als Prediger und Lehrer musste er ein Gegengewicht zu wandernden Predigern wie z. B. Johannes Capistrano (1386-1456) bilden können. Für beides gab es bischöfliche Buchlisten (liturgische Bücher, Synodenprotokolle, Pastoralhandbücher, aber auch Predigtsammlungen) sowie Studienorte.
Im zweiten Kapitel werden die Anforderungen an Priester in Gemeinde, Diözese und Herrschaftsgebiet dargestellt. Hier wird ein Überblick über die Vergabe von Benefizien in Eichstätt, ihre Verwaltung und die bischöfliche Kontrolle gegeben, bevor der einzelne Priester als Herrschaftssubjekt in den Blick genommen wird. Im 15. Jahrhundert ist eine zunehmende Bürokratisierung des Pfarrberufs festzustellen, die mit dem Versuch einer episkopalen Zentralisation einherging, wie sich beispielsweise an der gut dokumentierten Visitation von 1480 zeigen lässt; der Ortsgeistliche verwaltete nunmehr nicht nur die Sakramente, sondern musste seine Arbeit auch dokumentieren. Im letzten Abschnitt des Kapitels werden die einzelnen Aufgaben des Ortspriesters anschaulich gemacht: "None of these duties would have required the knowledge and skills of a scholar, but would have nevertheless presupposed a basic education in both German and Latin." (58)
Das dritte Kapitel ist den Gemeindebibliotheken und Privatsammlungen gewidmet, die seit dem 15. Jahrhundert durch Schenkungen und Nachlässe vergleichsweise gut dokumentiert sind. Wie das möglich war, lässt sich zunächst beim Blick auf die Herstellung und die Preise für Papier, Druck und fertige Bücher zeigen: Diese sanken zwischen 1400 und 1500 beträchtlich. Das führte dazu, dass sich innerhalb der Diözese beispielsweise die Publikation der Synodalstatuten leicht durchführen ließ, die erstaunlich weit verbreitet waren. Auch die Zunahme von (erhaltenen) Handschriften aus Gemeindebibliotheken lässt sich damit teilweise erklären. Doch nicht nur Gemeinde, sondern auch die einzelnen Pfarrer schafften sich Bücher für die eigenen Bibliotheken an. Diese Bücher wechselten teilweise mehrfach die Besitzer.
Auf einen einzelnen Buchbesitzer, den schon genannten Ulrich Pfeffel, fokussiert das vierte Kapitel. Sein Lebenslauf wird quellennah wiedergegeben, bevor dann die in Eichstätt erhaltenen 35 Kodizes auf ihre Inhalte hin analysiert werden. Hierbei stellt sich die naheliegende methodische Frage, aus welchem Grund manche der gebraucht gekauften Handschriften angeschafft wurden. Für andere, für Pfeffel angefertigte Handschriften sind die Schreiber oder die Vorlagen oder beides bekannt. Für die ersten Amtsjahre (1457-1467) scheint der Schwerpunkt auf Literatur für den pastoralen Gebrauch gelegen zu haben, sei es im Blick auf Glaubensartikel, sei es Exempel- und Kommentarliteratur, sei es akademische Theologie wie Sentenzenkommentare. Von 1467 bis 1485 dagegen liegt der Schwerpunkt auf Predigtliteratur, wenngleich auch jetzt noch Thomas von Aquins Summe der Theologie II-II oder Johannes von Freiburgs Summa confessorum dazukamen. Aus den Einzelstücken der Bibliothek leitet Wranovix ab: "Pfeffel seems to have had particular affinity for Mary and contemplation" (118), insbesondere im Gefolge der Devotio moderna, wenngleich er keine Aversionen gegen akademische, patristische oder traditionelle pastorale Literatur hegte. Zudem belegt seine Bibliothek, dass er, wie wohl die meisten Theologen seiner Zeit, sowohl Werke der via antiqua als auch der via moderna besaß und las.
Im fünften Kapitel versucht Wranovix eine Synthese unter der Überschrift "Leseinteressen" ("Reading Interests"), wobei er zugleich einschränkt, dass die überlieferten Buchbestände wohl nur den Teil abdecken, der hinsichtlich der Seelenmessen für ihre Donatoren interessant war, also theologische Literatur, wohingegen nur wenige philosophische Titel aus Privatbibliotheken von Priestern oder aus Gemeindebibliotheken überliefert sind. Aber schon die überlieferten Bücher deuten darauf hin, dass Konstitutionen und andere kirchenjuristische Texte einen bedeutsamen Beschäftigungshorizont - nicht zuletzt im Blick auf die Seelsorge und die Buße - bildeten. Ein zweiter ist die originär praktische Literatur zur Predigtvorbereitung (einschließlich Predigtsammlungen und Fragmente eigener Predigten). Daneben spiegelt sich die Diskussion um die unbefleckte Empfängnis Mariens rund um das Konzil von Basel (1431-49) auch in der Literatur der Eichstätter Priester ebenso wider wie Fragen zum Priestersein selbst. Schließlich ist ein ganz eigener Bereich medizinischer Literatur gewidmet, der zeigt, dass Priester auch als medizinische Ratgeber (oder mehr?) angesehen wurden - nicht immer zum Vergnügen der Bistumsverwaltung.
Eine kurze Conclusio sowie zwei Übersichten beschließen den Band: Appendix A ist eine hilfreiche Übersicht zu den erhaltenen Bucharten der säkularen Ortspriester der Diözese, sowie in Appendix B ein Verzeichnis der Bibliothek der Gemeinde Schwabach im Jahr 1515.
Das Buch ist, abgesehen von zahlreichen Trennfehlern bei deutschen Wörtern, gut lektoriert [3], was zum Lesevergnügen ebenso beiträgt wie die klare Disposition. Das Berufsleben spätmittelalterlicher Priester wird klarer konturiert und es wird deutlich, dass sich im Hoch- und Spätmittelalter das Berufsbild des Priesters wandelte und der Priesterberuf professionalisiert wurde. Auch wenn viele Einzelerkenntnisse dieses Buchs nicht "neu" sind, ist ihre überblicksartige Zusammenstellung gut gelungen und eine gute Einstiegsmöglichkeit in die Materie. Obgleich die Studie insbesondere auf das 15. Jahrhundert bezogen ist, enthält sie eine indirekte Warnung für die Amtskirchen des 21. Jahrhunderts: Auf die zunehmende Transformation hin zu einer professionalisierten Verwaltungskirche folgte im 16. Jahrhundert die Reformation, die Zeiten einer fast ausschließlich christlichen Gesellschaft sind jedoch vorbei.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Enno Bünz: Die mittelalterliche Pfarrei: Ausgewählte Studien zum 13.-16. Jahrhundert (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation; 96), Tübingen 2017; ders.: Der Pfarrer, seine Köchin und weitere Teufel, die ihn quälen: Vom Alltag der Geistlichen in Thüringen vor der Reformation, Jena 2018.
[2] Es hätte noch Gerd Dicke: Predigt im Kontext von Reform und Frühhumanismus. Der Eichstätter Domprediger Ulrich Pfeffel (urk. 1452-1492), in: Reform und früher Humanismus in Eichstätt: Bischof von Eych (1445-1464) (Eichstätter Studien; NF 69), hg. v. Jürgen Dendorfer, Regensburg 2015, 280-312, erwähnt werden können.
[3] S. 106 lies "nineteenth" statt "eighteenth"; S. 132 lies "practical" statt "pratical"; S. 151 ist ein "the" zwischen "in" und "diocese" ausgefallen; S. 159 lies "meistersänger" sowie "Folz" statt "Holz".
Görge K. Hasselhoff