Rezension über:

Claudia Gerken: Entstehung und Funktion von Heiligenbildern im nachtridentinischen Italien (1588-1622), Petersberg: Michael Imhof Verlag 2015, 224 S., 136 Abb., ISBN 978-3-86568-837-8, EUR 39,95
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Rezension von:
Wibke Vera Birth
Suermondt-Museum, Aachen
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Wibke Vera Birth: Rezension von: Claudia Gerken: Entstehung und Funktion von Heiligenbildern im nachtridentinischen Italien (1588-1622), Petersberg: Michael Imhof Verlag 2015, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 4 [15.04.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/04/29274.html


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Claudia Gerken: Entstehung und Funktion von Heiligenbildern im nachtridentinischen Italien (1588-1622)

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Die von Claudia Gerken vorgelegte Publikation stellt die überarbeitete Fassung ihrer Dissertation aus dem Jahr 2011 dar, vorgelegt an der Humboldt-Universität zu Berlin und betreut von Prof. Dr. Gerhard Wolf. Auf rund 200 Seiten thematisiert die Autorin anhand der Heiligen Filippo Neri, Carlo Boromeo und Ignatius von Loyola, wie deren Verehrung schon zu Lebzeiten vorbereitet, über die Viten nach ihrem Tod verbreitet und durch bildliche Porträtdarstellung angeleitet wurde. Sie widmet sich darüber hinaus der Frage nach Funktion und Kontext der bildlichen Darstellungen, die sie im Hinblick auf ihre räumliche Zugänglichkeit und ihre Verbreitungsmöglichkeiten, aber auch als Mittel zur Inszenierung heiliger Orte und Initiatoren von Bildwundern differenziert betrachtet. Über die Bildanalyse der Darstellungen der drei Heiligen weist Gerken einen Zusammenhang der Kulte im Sinne einer übergreifenden nachtridentinischen Heiligenpropaganda nach. In einem gesonderten Kapitel geht die Autorin abschließend auf die Bedeutung der Bilder, hier insbesondere der Kanonisationsfahnen, für das Kanonisationsverfahren ein.

Als Startpunkt ihres Untersuchungszeitraumes wählt Gerken die erste Heiligsprechung nach dem Tridentinum im Jahr 1588 und beendet diese mit dem von ihr als Höhepunkt der inszenierten Heiligsprechungszeremonien definierten neuen Modell der Gruppenkanonisation mehrerer Heiliger 1622.

Als Reaktion auf die reformatorischen Auseinandersetzungen entschied sich die katholische Kirche nach dem Tridentiner Konzil, existierende Heiligenverehrung zu fördern, den Kult um frühchristliche Heilige wiederzubeleben und lokale Feste und die Heiligenverehrung auszuweiten. Ziel war es, die Heiligenverehrung durch Reliquien, Heiligenviten und die Betonung der langen Tradition der Kanonisation zu legitimieren und gegen die der Verehrung ablehnend gegenüberstehenden Protestanten zu verteidigen. Gerken untersuchte in diesem Zusammenhang die wichtige Funktion von Heiligenbildern zur Neudefinition der katholischen Kirche. Dazu wählt sie mit Filippo Neri, Ignatius von Loyola und Carlo Borromeo drei unterschiedliche Vertreter von "Heiligkeitsmodellen" aus: Einen sozial engagiertem Ordensgründer, einen Theologen und Missionar sowie einen Erzbischof.

Ziel ihrer Arbeit ist, eine Veränderung im Umgang mit den Heiligen anhand ihrer Darstellungen im Zeitraum vor der Kanonisation nachzuweisen. Um die Funktion der Bilder zur Etablierung einer neuen Verehrung aufzeigen zu können, analysiert Gerken das Umfeld der Entstehung der Werke, ihre Auftraggeber und die Einflussnahme der Förderer auf die Künstler. Obwohl die Autorin damit auch die Konkurrenzsituation der verschiedenen Gemeinschaften im Kampf um die Gunst des Papstes im Kanonisationsprozess in ihrer Arbeit thematisiert, schließt sie bereits eingangs eine mögliche Beeinflussung durch politische Interessen aus ihrer Untersuchung aus. In einer Zeit, in der die Vergabe von Ämtern und Gunstbeweisen innerhalb der katholischen Kirche sehr stark mit familiären Banden und politischen Interessen verbunden ist, würde man jedoch auch in diesem Bereich wichtige Erkenntnisse für die Auftragslage und Förderung einzelner Gemeinschaften vermuten.

Herauszustellen ist, dass sich Gerken umfassend der systematischen Untersuchung der Darstellung und Bildtradition vor dem Tod der später heilig zu Sprechenden widmet. Einsetzend noch zu Lebzeiten der drei Kandidaten, kann sie aufzeigen, wie sich Darstellungstraditionen verändern und sich zunehmend ein neues ikonografisches Darstellungsmuster herausbildet. Dass sie dabei gattungsübergreifend Kupferstiche, Andachtsbilder, monumentale Malerei und insbesondere die Totenmasken berücksichtigt, zeichnet ihre Untersuchung als besonders vielschichtig aus. Auch dass die Werke differenziert im Hinblick auf die Anforderungen der Volksfrömmigkeit und den davon abweichenden theologischen Vorgaben des Konzils untersucht und die kunsthistorische, reine Bildanalyse durch historische, volkskundliche und theologische Literatur untermauert wird (insbesondere durch Einbezug der Viten), macht ihre Werkanalyse sehr überzeugend und stellt diese auf eine breite Basis. Durch diesen systematischen und medienübergreifenden Ansatz ergänzt sie die Forschungsliteratur zu Heiligenbildnissen, in der die Verbreitung und Funktion nur anhand von Fallbeispielen behandelt und bisher nicht in einen so übergreifenden Kontext gestellt wurde.

Claudia Gerkens Arbeit gibt nicht viele Ansatzpunkte für Kritik. Etwas ausführlicher hätte man sich einige Passagen in der Einleitung gewünscht, so beispielsweise zu benennen, weshalb sie sich gerade auf diese drei Heiligen festlegte, obwohl noch weitere Kanonisationsprozesse im Untersuchungszeitraum stattfanden. Weshalb blieben Raimondo de Peñafort, Francesca Romana, Franz Xaver, Theresa von Avila oder Isidor von Madrid außen vor? Die einleitende Eingrenzung ihres Themas lässt auch offen, wie sich die von ihr genannten "neuen Heiligkeitsmodelle" um 1600 von den bisherigen unterscheiden und weshalb offenbar manche "Heiligkeitsmodelle" nach dem Tridentinum nicht weiterverfolgt wurden. Die Abgrenzung zu einer vortridentinischen Bildsprache oder vortridentinischen Motivation zum Heiligenkult hätte geholfen, die von ihr bezifferten Neuheiten klarer herauszustellen. Auch eine grundlegende Definition des "Heiligenbildes" an sich, das sie als feststehende Bildgattung versteht, wäre einleitend hilfreich gewesen, um dessen neue Bedeutung nach dem Tridentinum auch in der Bildsprache selbst aufzuzeigen. So ist interessant, dass Gerken zwar fragt, wie die Verehrung der Bilder von den Viten beeinflusst wird, aber nicht, ob sich die Darstellung durch die Viten verändert.

Bis auf diese marginalen Kritikpunkte, die sich auf den Einführungsteil ihrer Arbeit und nicht auf die schlüssig erarbeitete Argumentationskette beziehen, bleibt festzustellen, dass Gerkens Arbeit einen grundlegenden Beitrag für die weitere Erforschung der Funktion von Heiligenbildern nach dem Konzil von Trient darstellt und sicherlich künftig als Referenzwerk und fundierte Basis zur Argumentation für die Einordnung einzelner Fallbeispiele herangezogen werden kann. Die von ihr behandelte Materialfülle ist herausragend und beispielgebend für die gattungsübergreifende Erforschung eines solchen Themas. Als besonderen Bonus erleichtert das von ihr erstellte Personenregister die Benutzung ihrer Arbeit ungemein, was Anreiz und Aufforderung zugleich ist, sich diesem Werk zu widmen und es für die gezielte Suche nach Kirchengrößen und Künstlern zu nutzen.

Wibke Vera Birth