Rezension über:

Felix Teichner (Hg.): Mirobriga. Eine Stadt im fernen Westen des Imperium Romanum (= Kleine Schriften aus dem Vorgeschichtlichen Seminar Marburg; Heft 62), Marburg: Vorgeschichtliches Seminar der Philipps-Universität Marburg 2018, 316 S., zahlr. Abb., zahlr. Kt., zahlr. Tbl., ISBN 978-3-8185-0540-0, EUR 40,00
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Rezension von:
Katharina Eleonore Meyer
Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Katharina Eleonore Meyer: Rezension von: Felix Teichner (Hg.): Mirobriga. Eine Stadt im fernen Westen des Imperium Romanum, Marburg: Vorgeschichtliches Seminar der Philipps-Universität Marburg 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 6 [15.06.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/06/32712.html


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Felix Teichner (Hg.): Mirobriga

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Seit etwa 50 Jahren hat die archäologische Forschung bei den Untersuchungen des römischen Einflusses in den westlichen Provinzen mehr und mehr die größeren urbanen Siedlungszusammenhänge in den Fokus gerückt. Während es zunächst vor allem um die Auswertung von monumentalen Gebäuderesten des öffentlichen Raums (Forum, Tempelanlagen, Thermen, Theater etc.) und um kunsthistorisch relevante Einzelfunde aus diesem Kontext ging, stehen dabei inzwischen immer öfter siedlungsgeschichtliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen im Vordergrund. Erfreulicherweise sind dabei auch die Spuren des privaten Lebens der ansässigen Bevölkerung stärker in den Blick geraten. Eine Vielzahl jüngerer Arbeiten hat sich explizit mit der Erforschung des privaten Wohnraums in den römischen Provinzen befasst. Auf diesem Gebiet lassen sich lokale Phänomene wie geologische und klimatische Besonderheiten ebenso erfassen wie die sozialen und ökomischen Bedingungen, die das Leben der Bevölkerung bestimmten und mit großer Wahrscheinlichkeit - so ist zu vermuten - auch maßgeblich für die Ansiedlung der Menschen waren.

Vor diesem Hintergrund leistet die vorliegende Publikation einen wertvollen Beitrag zum Verständnis von Siedlungsstrukturen und Siedlungsentwicklungen auf der Iberischen Halbinsel während der römischen Kaiserzeit.

Der von Felix Teichner herausgegebene Sammelband dokumentiert ein über fünf Jahre dauerndes deutsch-portugiesisches Projekt geophysikalischer, bauhistorischer und archäologischer Feldforschung, das auf Einladung der portugiesischen Denkmalpflegerin Maria Filomena dos Santos Barata in den Jahren 2005-2010 unter der Leitung des Herausgebers durchgeführt wurde.

Die Publikation folgt einer klaren und logischen Struktur. In einem einführenden Teil wird zunächst die rund hundertjährige Forschungsgeschichte des Siedlungsplatzes Mirobriga und damit auch die Forschungsproblematik beschrieben (Kap. 1 & 2, Felix Teichner, 9-34). Die sich aus dieser Forschungsgeschichte ergebende besondere Situation in Mirobriga - eine Reihe früherer Grabungen und Zuschreibungen ohne eindeutige Datierungen, eine bis in die Gegenwart andauernde Nutzungskontinuität des Geländes - sind grundlegend für das Verständnis der in diesem Projekt angewendeten Forschungsmethoden: neben geophysikalischen Prospektionen und stratigrafischen Ausgrabungen im umliegenden Gelände wurden archäologische und stratigrafische Untersuchungen zu den Wohnhäusern 1, 2 sowie 5-8 und außerdem baugeschichtliche und stratigrafische Untersuchungen im Bereich des Forums vorgenommen. Diese Untersuchungen sind in der Publikation systematisch dokumentiert (Kap. 4, José Carlos Quaresma, Julia Kopf, Karl Oberhofer - Häuser, 51-147; Kap. 6, Felix Teichner - Forum, 156-182). Die Dokumentation wäre unvollständig, enthielte sie nicht auch einen ausführlichen und systematischen Katalog der Funde aus den untersuchten Häusern 7 und 8 sowie aus den Grabungen im Forum (Kap. 7, Gerald Grabherr, Felix Teichner, Yolanda Pena Cervantes, Anna Jankowiak, Karl Oberhofer, Sandra Schröer, Anja Prust, 183-237).

Eine erste Auswertung der neuen Untersuchungen zu den Häusern - unter Berücksichtigung auch älterer Publikationen zur Privatarchitektur von Mirobriga (F. Teichner, A. Cortes in: Actas do IX Encontro de Arqueologia do Sudoeste Peninsular - Troia e Setubal 2016) - ist darum bemüht, die Befunde baugeschichtlich im Kontext der römischen Privatarchitektur einzuordnen (Kap. 5, A. Cortes, 148-155).

Die abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse zeichnet erstmals ein umfassenderes Gesamtbild des offensichtlich auf eine vorrömische Besiedelung zurückgehenden flavischen Municiums Mirobriga, das zu Beginn des 2. Jahrhunderts n.Chr. eine besondere Blüte erreicht hatte (Kap. 8, F. Teichner, 238-249).

Unter dem Gesichtspunkt der Siedlungsentwicklung kommt den Untersuchungen in Haus 7 und 8 eine zentrale Bedeutung zu. Diese beiden vermutlich in flavischer Zeit in gleichem Grundriss als Hofhäuser angelegten Wohnbauten erfahren offenbar nur wenige Jahrzehnte später eine grundlegende konzeptionelle Umgestaltung und Anpassung an einen sehr markanten kaiserzeitlichen Wohnhaustyp, den des axialen Peristylhauses, wie er aus etlichen anderen Stadthäusern derselben Epoche im ganzen westlichen Römischen Reich dokumentiert ist. Die sich aus den hier dokumentierten Untersuchungen ergebenden grundsätzlichen Fragen für die Besiedelungsgeschichte von Mirobriga werden in der Publikation freilich nur im Ansatz angesprochen, ergeben sich aber aus der Lektüre des Sammelbandes. Insofern kann man Maria Filomena Barata, der zuständigen Denkmalpflegerin von Mirobriga nur zustimmen, die in ihrem Geleitwort die Desiderata der weiteren Forschungen benennt: Abschluss der Untersuchung der bereits lokalisierten öffentlichen Großbauten, z.B. Thermen, Untersuchung der wirtschaftlichen Grundlagen der Siedlung (Metallverhüttung und -verarbeitung; Lokalisierung der örtlichen Töpfereien), Größe des Territoriums, Lage der Grenzen der civitas sowie der Verkehrswege, Siedlungsstruktur, Untersuchungen zur Ökonomie der angrenzenden Küstenregion (Fischindustrie). (Geleitwort, 6-8)

Es liegt in der Natur eines Sammelbandes, der Beiträge mehreren Autoren enthält, dass unabhängig von einer übergeordneten Fragestellung die Ausarbeitung der einzelnen Kapitel die Handschrift der Einzelautoren trägt. Im Hinblick auf die Bautypologie hätte man sich bei der Dokumentation der privaten Baureste eine einheitliche Beschreibung gewünscht. Andererseits ergeben sich aus den individuellen Bauaufnahmen (Häuser 1 und 2: José Carlos Quaresma; Häuser 5 und 6: Julia Kopf; Häuser 7 und 8: Karl Oberhofer) sich unterscheidende Perspektiven bzw. Schwerpunktsetzungen, die den weiteren Auswertungen und Interpretationen neue Impulse geben können.

Der vorliegende Band wird nicht zuletzt aufgrund der sorgfältigen Dokumentation von Befunden und Funden eine grundlegende Rolle für die weiteren Untersuchungen in Mirobriga spielen. Schon jetzt leistet dieser Band aber einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der römischen Kultureinflüsse im Westen des Römischen Imperiums und zur Formulierung konkreter Fragen für die weitere Erforschung durch Archäologen, Historiker und Kulturwissenschaftler.

Katharina Eleonore Meyer