Rezension über:

Alexander Querengässer: El Alamein 1942. Materialschlacht in Nordafrika (= Schlachten - Stationen der Weltgeschichte), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2018, 266 S., 24 s/w-Abb., 6 Kt., ISBN 978-3-506-78912-9, EUR 29,90
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Rezension von:
Thomas Schlemmer
Institut für Zeitgeschichte München - Berlin
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Schlemmer: Rezension von: Alexander Querengässer: El Alamein 1942. Materialschlacht in Nordafrika, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 7/8 [15.07.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/07/32025.html


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Alexander Querengässer: El Alamein 1942

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Kaum eine Überblicksdarstellung zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs kommt ohne Wendepunkte aus, und gemeinhin sind es drei Schlachten, die dabei an erster Stelle stehen: Midway, El Alamein und Stalingrad. Diese drei Schlachten, so ein gängiges Narrativ, beendeten zwischen Juni 1942 und Februar 1943 den "Moment der 'Achse'" - drei Niederlagen auf drei Kontinenten mit weitreichenden strategischen Konsequenzen für den weiteren Kriegsverlauf. Es ist daher nur konsequent, dass der Schöningh-Verlag auch einen Band zu El Alamein in seine 2017 eröffnete Reihe "Schlachten. Stationen der Weltgeschichte" aufgenommen hat. Alexander Querengässer, bisher vor allem durch Veröffentlichungen zur sächsischen Militärgeschichte vor 1914 hervorgetreten, nimmt dieses Narrativ einleitend auf, wenn er den britischen Oberbefehlshaber Bernard Montgomery zitiert, der El Alamein "bereits bevor der erste Schuss fiel" den "Status eines entscheidenden Wendepunkts des Krieges zugedacht" hatte (7). Es hätte sich gelohnt, solche Aussagen zu hinterfragen und zu bedenken, ob nicht die "Deutung des Zweiten Weltkrieges als eines langen, wechselvollen Ringens" mit Chancen auf beiden Seiten vor allem gesellschaftliche Bedürfnisse bei Siegern und Besiegten bediente - hier im Sinne der Rechtfertigung der Opfer, dort als Balsam für eine Generation von Soldaten, die das Gefühl haben konnte, "doch zumindest ein ebenbürtiger Gegner gewesen zu sein" [1]. Aber solche über den konkreten Untersuchungsgegenstand hinausweisenden Reflexionen sucht man weitgehend vergeblich, obwohl sie lohnend gewesen wären, umweht doch Generalfeldmarschall Rommels Krieg in Nordafrika noch immer der Hauch eines verlorenen Siegs.

Eigentlich ist es irreführend, von der Schlacht bei El Alamein zu sprechen, hat man es doch bei den Kämpfen mit einem Kontinuum von drei Schlachten zu tun, die zwischen Juli und November 1942 in der ägyptischen Wüste ausgefochten wurden. Die erste Schlacht schlugen die deutsch-italienische Panzerarmee "Afrika" und die britische 8. Armee vom 1. bis 27. Juli 1942. Die Briten hatten sich nach dem Verlust der Hafenstadt Tobruk und nach den Niederlagen bei Gazala, Marsa Matruh und Fuka in eine ca. 65 km breite Verteidigungsstellung zurückgezogen, die sich von der Mittelmeerküste bei El Alamein im Norden bis zur für Panzerfahrzeuge unpassierbaren Kattara-Senke im Süden erstreckte. Der Versuch der deutsch-italienischen Panzerarmee, die Divisionen der 8. Armee zu umfassen und nach ihrer Vernichtung zum Suez-Kanal vorzustoßen, scheiterte unter schweren Verlusten für beide Seiten - Verluste, die die Briten aber leichter verschmerzen konnten als die Deutschen und Italiener mit ihren überdehnten und stets zu Wasser oder aus der Luft bedrohten Nachschublinien. Auch die Schlacht bei Alam Halfa (30. August bis 6. September 1942) war als deutsch-italienische Offensivoperation angelegt, die jedoch am heftigen Widerstand der britischen Truppen scheiterte. Mit diesem Abwehrerfolg verlor die "Achse" unwiderruflich die Initiative in Nordafrika, und ihre Verbände waren so geschwächt, dass die Angriffspläne der 8. Armee - Operation "Lightfoot" und Operation "Supercharge" - große Aussicht auf Erfolg hatten. Diese Operationen sind als zweite Schlacht von El Alamein (23. Oktober bis 4. November 1942) in die Geschichte eingegangen und endeten mit der Niederlage, der teilweisen Vernichtung und dem Rückzug der deutsch-italienischen Panzerarmee, der erst Anfang 1943 in Tunesien zum Stehen kam.

Anders als man es vielleicht vermuten möchte, erzählt Querengässer nicht nur die Geschichte der Schlacht(en) bei El Alamein, sondern bettet diese ein in eine breite Darstellung des Kriegs in Nordafrika vom Frühjahr 1941 bis zur Kapitulation der letzten deutsch-italienischen Truppenteile im Mai 1943. Der Einleitung folgen vier Kapitel: "Krieg in Nordafrika" (13-109), "Ein zähes Ringen - Die zweite Schlacht von El Alamein" (111-187), "Das Ende in Nordafrika" (189-205) und "Der lange Schatten von El Alamein" (207-221). Ein Anhang mit Abbildungen, Karten, einer Übersicht über die an der Schlacht beteiligten Formationen und einer Zeittafel runden den Band ab.

Der Autor bemüht sich um ein möglichst breites Panorama, das bewusst nicht nur der deutschen Perspektive folgt, sondern auch die britische und italienische Seite in die Darstellung einbezieht. Dass die Geschichte militärischer Verbände, Planungen und Operationen breiten Raum einnimmt, ist zwar angesichts des Reihenzuschnitts zu erwarten, aber in Zeiten des cultural turn dennoch nicht selbstverständlich. Überdies legt Querengässer Wert auf die erfahrungsgeschichtliche Dimension des Krieges in der Wüste und beschreibt die besonderen Bedingungen des (Über-)Lebens, Sterbens und Tötens in Nordafrika. Diese Abschnitte sind zumeist besonders lesenswert, und sie sparen auch die Frage nicht aus, ob denn der Krieg zwischen Tunis und El Alamein tatsächlich ein "Krieg ohne Haß" [2] gewesen ist, wie man im Anschluss an Erwin Rommel oft behauptet hat. Alexander Querengässer legt nicht zuletzt mit "Beobachtungen über gesteigerte Gewaltanwendung auf dem Schlachtfeld" (60) überzeugend dar, dass man es sich so leicht nicht machen kann und dass auch der Krieg in Nordafrika Züge eines Weltanschauungskriegs trug.

Die Abschnitte zum italienischen Achsenpartner hätten ausführlicher und differenzierter sein können, zumal sich viele giftige Klischees und Stereotype über Mussolinis Streitkräfte bis heute halten. Querengässers Befund, "die italienischen Truppen" hätten "einen strukturellen Wandel" durchlaufen, "wodurch ihre Kampfkraft 1942 deutlich" angestiegen sei (55), ist demgegenüber bemerkenswert, wird aber kaum erläutert oder vertieft, was vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen ist: die selektive Rezeption der Forschung und die verzerrte Perspektive deutscher Quellen, die der Autor ausführlich zitiert.

Den Sieg der britischen 8. Armee und die Niederlage der deutsch-italienischen Panzerarmee "Afrika" in den Schlacht(en) von El Alamein führt Querengässer im Kern auf die Kombination von zwei Faktoren zurück: das wachsende Ungleichgewicht der Kräfteverhältnisse zu Wasser, zu Lande und in der Luft, das die Truppen der "Achse" im Sommer und Herbst 1942 zunehmend ins Hintertreffen geraten ließ, und den erfolgreichen Plan des britischen Oberbefehlshabers Montgomery, "Rommel eine Abnutzungsschlacht auf[zu]zwingen", die der Generalfeldmarschall nicht gewinnen konnte, und zugleich "eine Bewegungsschlacht nach deutschem Muster unbedingt [zu] vermeiden" (200). Ob das Ergebnis der Schlacht vor den Toren Alexandrias freilich anders ausgefallen wäre, hätte das Oberkommando der deutsch-italienischen Panzerarmee auf dem Gefechtsfeld andere Entscheidungen getroffen, ist angesichts der strategischen Gesamtlage zweifelhaft.

Ein Kapitel für sich ist die Präsentation des Bandes, die unter einem - um das mindeste zu sagen - schlampigen Lektorat leidet. Das Personenregister ist lückenhaft, die militärische Terminologie zuweilen wackelig, in den Karten wird aus der italienischen Panzerdivision "Littorio" eine einfache Infanteriedivision, die Zahl der Rechtschreibfehler ist bemerkenswert, darunter finden sich peinliche Stilblüten wie "Achillesverse". Zudem erfährt der erstaunte Leser in dem interessanten Abschnitt über "das Schlachtfeld von El Alamein heute" (213-216), dass Friedrich II. sein weltberühmtes Castel del Monte in Sizilien (und nicht in Apulien) habe errichten lassen. Hier handelt es sich um mehr als nur um lässliche Sünden, die den Gesamteindruck von Alexander Querengässers "El Alamein" erheblich schmälern.


Anmerkungen:

[1] Bernd Wegner: Warum verlor Deutschland den Zweiten Weltkrieg? Eine strategiegeschichtliche Interpretation, in: Christian Th. Müller / Matthias Rogg (Hgg.): Das ist Militärgeschichte! Probleme - Projekte - Perspektiven, Paderborn u.a. 2013, 103-121, hier 104 f.

[2] Erwin Rommel: Krieg ohne Haß, hg. von Lucie-Maria Rommel und Fritz Bayerlein, Heidenheim a.d. Brenz 1950.

Thomas Schlemmer