Rezension über:

Karl Hausberger (Bearb.): Das Bistum Regensburg. Die Regensburger Bischöfe von 1649 bis 1817 (= GERMANIA SACRA. Dritte Folge 13: Die Bistümer der Kirchenprovinz Salzburg; Bd. 1), Berlin: de Gruyter 2016, XII + 475 S., ISBN 978-3-11-046818-2, EUR 159,95
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Rezension von:
Rainald Becker
Kommission für bayerische Landesgeschichte, Bayerische Akademie der Wissenschaften, München
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Rainald Becker: Rezension von: Karl Hausberger (Bearb.): Das Bistum Regensburg. Die Regensburger Bischöfe von 1649 bis 1817, Berlin: de Gruyter 2016, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 9 [15.09.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/09/29995.html


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Karl Hausberger (Bearb.): Das Bistum Regensburg

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Mit seiner Prosopographie zum Regensburger Episkopat des 17. und 18. Jahrhunderts eröffnet Karl Hausberger innerhalb der traditionsreichen "Germania Sacra" die Reihe der (alt-)bayerischen Bistümer. Längst überfällig war dieser Schritt in den Südosten des Heiligen Römischen Reichs, nachdem das mittlerweile seit einhundert Jahren bestehende Göttinger Großprojekt zur historisch-statistischen Beschreibung der Reichskirche bislang vor allem West- und Mitteldeutschland behandelt hatte. Hausberger betritt mit seiner Untersuchung die alte Kirchenprovinz Salzburg. Neben Regensburg gehörten alle damaligen österreichischen und bayerischen Bistümer dazu: die Erzdiözese Salzburg selbst, außerdem deren Suffragane Passau, Freising und Brixen, die Mediatbistümer Gurk, Lavant, Seckau und Chiemsee sowie die exemten Residenzbistümer Wien und Wiener Neustadt, außerdem nach der Josephinischen Diözesanregulierung von 1784 Linz und St. Pölten bzw. das kurzlebige Leoben in der Steiermark.

Nicht nur das konfessionskulturelle Umfeld macht aus dem Regensburger Fall ein Paradigma. Immerhin lag der Bischofssitz mit seinem bescheidenen weltlichen Territorium im Weichbild der Reichsstadt, die sich seit der Reformation als Hochburg für das evangelische Süddeutschland verstand. Von Belang ist auch die Tatsache, dass Regensburg 1663 - parallel zum Einsetzen von Hausbergers Bischofsreihe mit Franz Wilhelm von Wartenberg (1649-1661) - ständiger Sitzungsort des Immerwährenden Reichstags wurde. Die Donaumetropole wuchs damit in eine zentrale "Drehscheibenfunktion" für das Alte Reich hinein; sie entwickelte sich zu einem Forum für den Austausch von Wissen und Kommunikation, insbesondere in juristischen und politischen Fragen. Die Gesandten der Garantiemächte des Westfälischen Friedens gaben sich hier ein Stelldichein; die Stadt bot eine glanzvolle Szene für diplomatisches Zeremoniell. Die Regensburger Bischöfe erwartete eine Bühne, die über die pastorale Kür hinaus besondere Anforderungen an Auftritt und Selbstverständnis eines kirchlichen Reichsfürsten stellen musste - mehr als andernorts. Eine spezifische Herausforderung bestand zudem in der binnenkatholischen Konkurrenzsituation, wie sie sich aus der einzigartigen Verdichtung von geistlicher Herrschaft in Regensburg ergab. Die "Ratispona Sacra" bestand nicht nur aus dem Bischof und seinem Domkapitel. Zahlreiche weitere kirchliche Reichsstände bestimmten das geistliche Gefüge, angefangen bei der Benediktinerabtei St. Emmeram über den Deutschen Orden bis zu den adligen Kanoniker- und Kanonissenstiften (Nieder- und Obermünster). Bedeutende Kleriker prägten den kirchlichen Kosmos, wenn man nur an die Gelehrten unter den Emmeramer Reichsäbten wie Johann Baptist Kraus, Frobenius Forster oder Coelestin Steiglehner denkt.

Wie wirkte sich diese Gemengelage auf das Profil der Regensburger Bischöfe aus? Stark verbreitet ist das Klischee von der hochadligen Dekadenz an der Spitze der Reichskirche. Bei Regensburg kommt noch das Verdikt von der Rand- und Rückständigkeit dazu. Mit den großen barocken Bischofssitzen der späten "Germania Sacra" konnte sich das Bistum, überhaupt eines der kleinsten Hochstifte im Reich, kaum messen. Von den großzügigen Verhältnissen in Würzburg, Mainz, Trier, Köln oder auch im benachbarten Passau war man meilenweit entfernt. Häufig diente das wegen seiner geringen Einkünfte verschrieene Bistum als Nebenpfründe im Verbund mit einträglicheren Diözesen. Fast alle Fürstbischöfe des untersuchten Zeitraums führten den Regensburger Stuhl in Kombination mit anderen Bistümern, wobei sie kaum vor Ort residierten, sondern die gängige Praxis einer Stellvertreterregierung durch die ortsansässigen Weihbischöfe und Generalvikare bevorzugten. Die Pfründenverbindung mit Freising und/oder Köln trat am häufigsten auf. Insbesondere die Bischöfe aus dem Haus Wittelsbach machten von der - aus römischer Sicht freilich kritikwürdigen - Benefizienakkumulation Gebrauch, etwa Albrecht Sigmund (1668-1685), Joseph Clemens (1685-1715), Clemens August (1716-1719) und Johann Theodor von Bayern (1719-1763).

Bei Hausberger findet sich dieses Bild im Großen und Ganzen bestätigt; an charakteristischen Stellen werden jedoch markante Retuschen sichtbar, was auch damit zu tun hat, dass das bislang strikt auf karriere- und sozialgeschichtliche Dimensionen zugeschnittene Beschreibungsraster der "Germania Sacra" um neue frömmigkeits- und pastoralgeschichtliche Komponenten erweitert ist. Breite Beachtung schenkt der Autor etwa den Bestrebungen der hochadligen Fürstbischöfe, sowohl für sich selbst den Ansprüchen des tridentinischen Priesterideals gerecht zu werden als auch entsprechende Haltungen im Diözesanklerus durch eigenes gutes Beispiel zu fördern. Bei allen Wittelsbacher-Bischöfen, aber auch bei dem kurzzeitig (von 1763 bis 1768) in Regensburg amtierenden Trierer Kurfürsten und Augsburger Fürstbischof Clemens Wenzeslaus von Sachsen zeigen sich solche Tendenzen. Sie äußerten sich in detaillierten, oft von persönlicher Hand redigierten Vorschriften. Hausberger weist zu Recht auf die zumindest implizit normierende Wirkung dieser Maßnahmen hin. Die häufig außerhalb ihres Sprengels amtierenden Fürstbischöfe traten gleichsam als virtuelle Autoritäten hervor. Sie übten ihre cura animarum in einer Art von medialer Fernsteuerung aus. Nebenbei bemerkt: Der Autor spricht hier einen Punkt an, der reichlich Stoff für vertiefende Sondierungen zu den Kommunikations- und Regierungspraktiken im geistlichen Staat der Frühmoderne liefern würde.

Insgesamt gesehen, gelingt Hausberger ein eindrucksvolles Porträt. Einerseits bringt seine Darstellung den bisherigen, jedoch um nachfassende Quellenstudien ergänzten Kenntnisstand in einer großen Synthese zusammen - zum höheren Nutzen der "Ratispona Sacra", die nun nicht mehr als so einseitig auf die großen Emmeramer Reichsäbte des Ancien Régime fixiert erscheint. Andererseits lässt Hausberger jüngere Trends der Forschung für das Regensburger Beispiel fruchtbar werden. Seine Interpretation führt die Revision des vorurteilsbehafteten Bilds vom Adelsbischof konsequent fort, um auch den Regensburger Exponenten dieses Typs historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es wäre freilich angemessen gewesen, gelegentlich auf die deutschen und internationalen Urheber dieses weitreichenden wissenschaftlichen Perspektivenwechsels hinzuweisen, wie etwa auf Bettina Brauns Studien zur nordwestdeutschen "Germania Sacra" oder auf den britischen Historiker Joseph Bergin mit seinen Forschungen zum französischen Episkopat der Epoche.

Rainald Becker