Tarcisius Georg Sztubitz: Der Ordensname, seine Entwicklung und Besonderheiten (= Exordia; Bd. 3), Heiligenkreuz: Be&Be-Verlag 2019, 133 S., 20 Farbabb., ISBN 978-3-903118-83-6, EUR 19,90
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Benoît Chauvin: Recueil des chartes et documents de l'abbaye cistercienne d'Auberive au XIIe siècle. 2 volumes, Devecey: Chauvin 2020
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Philipp C. Adamo: New Monks in Old Habits. The Formation of the Caulite Monastic Order, 1193-1267, Toronto: Pontifical Institute of Mediaeval Studies 2014
Es ist weder selbstverständlich noch immer schon so gewesen, dass Menschen beim Eintritt in eine religiöse Gemeinschaft einen neuen Namen annehmen, und doch hat es der Ordensname bis in die Formulare amtlicher Identitätsnachweise und Reisedokumente geschafft. Das Phänomen eines religiös motivierten Namenswechsels ist also keines, dem Relevanz einzig innerhalb der Sonderwelt der vita religiosa zukommt - auch Verwaltungen, Behörden und Parlamente zeigen Interesse. [1] Dies ist keineswegs verwunderlich, gilt der Zusammenhang von nomen und omen doch partiell noch immer als gegeben, und gerade der Ordensname lebt von der Spannung, die zwischen seinem Träger und dem erzeugt wird, worauf mit ihm verwiesen werden soll.
Frater Tarcisius Georg Sztubitz - als Cistercienser selbst Träger eines Ordensnamens - hat sich dem Phänomen in seiner Magisterarbeit angenommen, die 2019 in erweiterter Fassung als Buch erschien. Sein Ziel bestand darin, "die Tradition der Ordensnamen im österreichisch-süddeutschen Raum zusammenfassend darzustellen und theologisch zu deuten" (8). Zwar hat das Thema in den letzten Jahren vereinzelt bereits Aufmerksamkeit gefunden, [2] doch kommt Frater Tarcisius das unbestreitbare Verdienst zu, sich dem Gegenstand als Erster in systematischer Weise genähert zu haben.
In einem knappen Überblick werden zunächst die Kultur der Namensvergabe und -änderung im Alten und Neuen Testament sowie der europäischen Geschichte bis in die Neuzeit vorgestellt. In einem zweiten einführenden Kapitel schildert Frater Tarcisius die Entwicklung klösterlicher Namensänderungen von der Spätantike bis in die Gegenwart, bevor er sich im Hauptkapitel seiner Arbeit der Programmatik von Ordensnamen widmet. Es folgen zwei Abschnitte zu Namenstraditionen in einigen religiösen Gemeinschaften und Portraits diverser typischer wie untypischer Namen sowie zum Umgang mit dem Ordensnamen innerhalb verschiedener Kommunitäten. Zwar enthält die Studie kein Register, doch beeinträchtigt dieses Fehlen in Anbetracht des umfangreichen Inhaltsverzeichnisses und der Kürze des Buches dessen Wert in keiner Weise.
Während der regionale Fokus der Untersuchung wie bereits erwähnt auf den österreichisch-süddeutschen Raum gerichtet ist, liegt ihr zeitlicher Schwerpunkt in den Jahrhunderten nach der Reformation. Dies ist nicht nur durch die hier weitaus umfangreicher zur Verfügung stehenden Quellen zu rechtfertigen, sondern auch durch den Gegenstand. Zwar lassen sich religiös motivierte Namensänderungen im Mönchtum seit der Spätantike nachweisen, doch scheint ein institutioneller Zwang nicht vor dem 15. Jahrhundert bestanden zu haben. Der Verfasser führt das Beispiel des Ordericus Vitalis ( † um 1142) an, der von verschiedenen Praktiken innerhalb seines Konvents Saint-Évroult berichtet: Einige Mönche hätten ihre Namen behalten, einige hätten Spitznamen wie "Kurzhose" oder "Schönhaar" getragen, einige - vor allem die pueri oblati, dem Kloster übereignete Kinder - hätten neue Namen erhalten. Ihm selbst hätte man den Namen Vitalis gegeben, weil den Mönchen sein eigentlicher Name, Ordericus, fremd erschienen sei und er am Tag dieses Heiligen dem Kloster übergeben worden war (24).
Dynamik gewann das Phänomen der Namensänderung im 16. und vor allem 17. Jahrhundert. Hierfür kann der Verfasser auf zahlreiche Kataloge, Professbücher und Verzeichnisse aus Klöstern und Orden zugreifen, die häufig auch über Namenswechsel informieren. Frater Tarcisius verweist auf das Beispiel des Pater Bernhard Gemelich aus Stift Stams, der ebendort im Jahr 1624 der Erste gewesen sein soll, "dem bei der Profess ein neuer Name gegeben wurde" (37).
Der Leser lernt bei der Lektüre nicht nur eine Vielzahl außergewöhnlicher Namen kennen (Abundantia, Gaudiosus, Ewaldina oder Theresius), sondern erfährt auch viel über bestimmte Konjunkturen der Namensvergabe bzw. -wahl, über Bemühungen, bestimmte Namen in einem Konvent stets präsent zu haben, oder auch die Unzufriedenheit, die mancher neue Name bei seinem Träger auslöste. Wie Frater Tarcisius aufzeigt, fungierten und fungieren Namen noch heute als Reminiszenzen und Bedeutungsträger: Sie verweisen auf religiöse Vorbilder, auf lokale oder regionale Traditionen, auf bestimmte wünschenswerte Eigenschaften, auf familiäre oder konventsinterne Konstellationen und wurden daher nie beliebig vergeben, auch wenn es in manchen Fällen nur das Alphabet war, an dem sich die Auswahl fortlaufend zu orientieren hatte.
Skepsis stellt sich hingegen bei der durch Frater Tarcisius bereits für die benediktinische Frühzeit unterstellten Ordensidentität ein (47f.): Nicht nur sind Benediktiner noch heute kein Orden im eigentlichen Sinne - gerade auch die Ausführungen des Verfassers zeigen aufs Beste, dass regionale Beziehungen und Traditionen wohl weitaus dominierender sind als übergreifende Identitäten. In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, dass das Andreaskloster in Rom zur Zeit Gregors I. ganz sicher kein Benediktinerkonvent (91) war - schlicht, weil es überhaupt noch keine Benediktiner gab. Dass man solches erinnerte und diese erinnerte Geschichte auch wieder zum Grund für Namensänderungen werden konnte, ist eine andere Sache. Zu den von Frater Tarcisius herangezogenen Referenzen bleibt anzumerken, dass Max Heimbuchers "Orden und Kongregationen" nicht mehr den Forschungsstand der Ordensgeschichte repräsentiert und auch Stadlers Heiligenlexikon zu weiten Teilen durch neue Arbeiten und Verzeichnisse ersetzt ist. Hiervon abgesehen aber hat Frater Tarcisius ein ebenso angenehm zu lesendes wie lehrreiches Buch vorgelegt. Er lenkt den Blick auf ein Phänomen, das zwar vordergründig nur einen Aspekt klösterlicher Lebenspraxis betrifft, dessen Prinzipien aber auch jenseits der Wahl oder Vergabe von Ordensnamen von Interesse und Relevanz sind.
Anmerkungen:
[1] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/097/1609725.pdf
[2] Zuletzt Christof Rolker: "Man ruft dich mit einem neuen Namen ... ". Monastische Namenspraktiken im Mittelalter, in: Konkurrierende Zugehörigkeit(en). Praktiken der Namengebung im europäischen Vergleich, hgg. von dems. / Gabriela Signori, Konstanz 2011, 195-214, mit weiteren Hinweisen.
Mirko Breitenstein