Frederick Bacher: Eigenheim für alle? Die Landeskreditanstalten in Württemberg und Baden 1924 bis 1945, Stuttgart: W. Kohlhammer 2018, 256 S., 19 s/w-Abb., ISBN 978-3-17-033937-8, EUR 65,00
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In Eigenheim für alle? beleuchtet Frederick Bacher, assoziierter Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität Stuttgart, die Aktivitäten der württembergischen Wohnungskreditanstalt und der badischen Landeskreditanstalt von 1924 bis 1945. Bachers zweite Monographie - nach seiner Dissertation zu Friedrich Naumann und dessen Kreis aus geistigen Anhängern [1] - wurde von der L-Bank (Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank) finanziert. Letztere ermöglichte somit die Geschichtsschreibung ihrer beiden Vorgängerorganisationen. Beinahe könnte die hier besprochene Publikation also in einer Reihe mit zahlreichen Auftragsarbeiten der letzten Jahre zur nationalsozialistischen Vergangenheit öffentlicher Einrichtungen stehen. [2] An deren wissenschaftliche Qualität reicht sie aber nicht annähernd heran.
Über den Forschungsstand zur Wohnungsbau- und Siedlungspolitik in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus erfährt man bei Bacher überraschend wenig. [3] Er handelt ihn auf fünf Zeilen in der äußerst kurz gehaltenen Einleitung (fünf von knapp 200 Seiten) ab. Floskeln wie "Wohnungspolitik war schon immer eine Frage des Geldes" erfüllen den Zweck der Kontextualisierung nicht (9). Entsprechend mutet die formulierte Forschungsfrage recht allgemein an: Bacher möchte herausfinden, "inwieweit die wohnungs- und heimatpolitische Zielsetzung der Landeskreditanstalten durch den Nationalsozialismus tangiert wurde" (13). Das eigentliche und erkenntnisfördernde Ergebnis seiner Studie lautet, dass die im Nationalsozialismus gegründete badische Landeskreditanstalt eine rassenideologische motivierte Wohnungsbauförderung betrieb, während sich die Beamten der 1924 gegründeten württembergischen Organisation mit neuen Richtlinien arrangierten, ohne sich die dahinterstehende Gesinnung zu eigen zu machen. Aufgrund der fehlenden konzeptionell-analytischen Argumentationsführung bleibt dieses Fazit aber lediglich implizit.
Das Buch setzt sich aus zehn Kapiteln von stark unterschiedlicher Länge zusammen. Die zwischen acht und 50 Seiten gehaltenen Abschnitte folgen wechselseitig aufeinander, wobei die Betrachtung der Kreditanstalten im NS-Regime bis 1939 das Schwerpunktkapitel darstellt. Eingangs zeichnet Bacher nach, wie die württembergische Wohnungskreditanstalt angesichts des grassierenden Wohnraummangels nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurde. Dem Vorstandsvorsitzenden der württembergischen Einrichtung Hermann Aichele wird sodann ein eigenes, wenn auch kurzes Kapitel gewidmet. Seine Aufsätze und Korrespondenzen prägen auch im weiteren Verlauf Bachers Interpretation der württembergischen Wohnungs- und Siedlungsbaupolitik. Das fünfte Kapitel stellt einen Einschnitt dar, da es sich als einziges ausschließlich mit der badischen Landeskreditanstalt befasst, die 1934/35 nach dem Vorbild der württembergischen Organisation entstand. Die sich wandelnde Rolle der regionalen Instanzen im verworrenen Verwaltungsgebilde Hitlers wird im umfangreichsten Kapitel "Darlehensvergabe und Siedlerauswahl im NS-Staat" thematisiert (113-166). Um die Kreditwürdigkeit von Anwärtern zu determinieren, legte der badische Geldgeber laut Bacher die rassenbiologischen Kriterien der Reichsverwaltung zugrunde, während das Stuttgarter Pendant an dem bewährten Mittel des "Vertrauens" festhielt (130 ff.). Das letzte Kapitel beleuchtet die Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges, in der die südwestdeutschen Kreditanstalten die Förderung baulicher Maßnahmen zugunsten der Kriegswirtschaft zurückstellten. Die badische Einrichtung nimmt Bacher hierbei als deutlich enthusiastischer wahr als die württembergische, deren Aktivitäten er als "Dienst nach Vorschrift" deutet.
Ein Hang zur Kleinteiligkeit zeigt sich darin, wie Bacher seine Quellen ermisst. Die Materiallage, auf die sich die Betrachtung stützt, wirkt im Grunde vielversprechend. Der Verfasser hat nicht nur die Bestände des L-Bankarchivs eingesehen, sondern auch mehrere Staats-, Landes-, Kreis- und Stadtarchive Baden-Württembergs besucht. Gedruckte Quellen umfassen zahlreiche Zeitungsartikel, Zeitschriftenaufsätze von Verwaltungsbeamten der Kreditanstalten sowie biographische Erzeugnisse. Das vorliegende Material verwertet Bacher allerdings nicht gewinnbringend genug, sondern arbeitet sich im deskriptiven Stil und ohne einen erkennbaren Sinn für Gewichtung daran ab. Auch das Textformat zeugt von einer stückweisen Abhandlung. Beinahe auf jeder Seite findet sich eine Zwischenüberschrift, von denen mehrere an dem nachfolgenden Inhalt vorbeigehen. Manche der Unterkapitel umfassen nur wenige Zeilen. Diese Anordnung verdeckt die Vielschichtigkeit einiger Themen, während sie andere, weniger folgenschwere Aspekte unnötig aufbläht.
Als "methodischer Königsweg" gilt Bacher die "Fokussierung auf die leitenden Akteure" (13). Damit möchte er seine Arbeit anschlussfähig machen an kulturgeschichtliche Betrachtungen des Politischen. Bedauerlicherweise nimmt der Autor die Selbstdarstellungen der Akteure aber zu oft für bare Münze, statt Aussagen mit gegenläufigen Quellenhinweisen zu kontrastieren. Um die etwaige NS-Belastung der badischen Landeskreditanstalt abzuschätzen, liefert Bacher beispielsweise einen biographischen Abriss über die führenden Beamten der Organisation. Angesichts des teilweise regen Engagements der fraglichen Personen in Hitlers Staats- und Parteiapparat kann die Behauptung, es sei "falsch, die Beamten als glühende Nationalsozialisten zu bezeichnen", nicht überzeugen (78). Sich lediglich auf Gerichtsurteile von 1947 zu berufen, in denen mehrere der Beamten "nur als Mitläufer eingestuft" wurden, genügt einer kritischen Beweisführung nicht (73; 74; 75).
Während unter dem unsauberen Lektorat meist nur der Lesefluss leidet, birgt die nachlässige Schriftform auch inhaltliche Unrichtigkeiten. So bezeichnet der Autor die württembergische Einrichtung bereits in seinen Ausführungen zur Weimarer Republik als Landeskreditanstalt, obwohl die Umbenennung dahingehend, wie er selbst anmerkt, erst 1932 erfolgte (51). Begriffe aus dem NS-Jargon werden überwiegend, aber nicht vollumfänglich in Anführungszeichen gesetzt - auch dies wohl nur ein Lapsus, der jedoch nicht vertretbare Formulierungen mit sich bringt. Als wäre dies nicht genug, machen häufige Wiederholungen weite Textabschnitte redundant. Von der Bestellung Aicheles zum Vorstandsvorsitzenden der württembergischen Wohnungskreditanstalt im April 1929 erfährt der Leser zu seinem Leidwesen auf wenigen Seiten ganze fünfmal (37-42). Der mehrfache Einschub "wie bereits erwähnt" kann dabei nur verwundern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Eigenheim für alle? mit der Wohnungs- und Siedlungspolitik in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus ein wichtiges Thema aufgreift. Der regionalgeschichtliche Zugriff birgt Potenzial für alltagsgeschichtliche Betrachtungen bezüglich verwaltungspolitischer Kontinuitäten und Brüche der beiden Regime. Leider geschieht dies jedoch ohne die notwendige quellenkritische Sorgfalt, analytische Tiefenschärfe und kontextualisierende Einbettung. Vielleicht hätte der Autor diese mit mehr Zeit und Mitteln bewerkstelligen können.
Anmerkungen:
[1] Frederick Bacher: Friedrich Naumann und sein Kreis, Stuttgart 2017.
[2] Zuletzt: Frank Bösch / Andreas Wirsching (Hgg.): Hüter der Ordnung. Die Innenministerien in Bonn und Ost-Berlin nach dem Nationalsozialismus, Göttingen 2018.
[3] Unter anderem Ulrike Haerendel: Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich. Siedlungsideologie, Kleinhaus und "Wohnraumarisierung" am Beispiel Münchens, München 1999.
Alina Marktanner