Felicia M. Else: The Politics of Water in the Art and Festivals of Medici Florence. From Neptune Fountain to Naumachia (= European Festival Studies: 1450-1700), London / New York: Routledge 2019, XXII + 225 S., 32 Farb-, 76 s/w-Abb., ISBN 978-1-4724-1079-5, EUR 115,00
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Ungebrochen bleibt das Interesse der Forschung am frühneuzeitlichen Festwesen, wobei diese sich allerdings zumeist immer noch auf eine Beschreibung und Kontextualisierung des zu untersuchenden Ereignisses versteift. Umso erfreulicher, dass die vorliegende Studie von Felicia M. Else, deren Kernbestand die bekannten Medici-Feste des 16. Jahrhunderts bilden, einen neuen Blickwinkel einnimmt.
The Politics of Water geht der Beobachtung nach, dass maritime Themen und hier insbesondere Neptun im Florentiner Festwesen kurz vor Machtantritt Cosimo I. de' Medici keine besondere spielten, sich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts darin aber fest verankerten. Für die Untersuchung zieht die Autorin den Regierungszeitraum Cosimo I. über Francesco bis hin zu Ferdinand I. de' Medici heran und konzentriert sich hierbei vor allem auf die Hochzeitsfeierlichkeiten. In Gegenüberstellung mit repräsentativen und städtebaulichen Projekten der Medici, aber auch mittels einer Einbettung in den politischen und festiven Kontext in Europa zeigt das Buch "the dynamic story of one dynasty's struggle with water, to control its flow and manage its representation" (1).
Nicht nur baut die Auswertung auf der 2003 erschienenen Dissertation zu Ammannatis Neptunbrunnen auf. Neben Überblicks- und Einzelstudien zum europäischen Festwesen (Mulryne 2002; 2004) - insbesondere die Festivitäten von 1566 und 1589 erfuhren eingehende Untersuchungen (Vannuci 2012; Saslow 1996) - kann Else hierbei auf eine breite Forschungsgrundlage im Bereich der mediceischen Villen- und Gartenarchitektur aufbauen (Lazzaro 1990; Luchinat 1991 und 1992; Heikamp 1695). Auch jüngst erschienene Studien zur Wassertechnik und Architektur konnten für die Arbeit hinzugezogen werden (Tchikine 2014; Ferretti 2016).
Else leitet ihre Untersuchung mit den Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Cosimo I. de' Medici und Eleonora von Toledo 1539 ein, in denen Neptun zum ersten Mal im öffentlichen Raum Präsenz zeigt. Seine Darstellung an einem Triumphbogen und in einem dargebotenen musikalischen Schauspiel basiert auf einer Passage in der Aeneis, die den Meeresgott als 'Beruhiger' der See und Friedensstifter beschreibt. Eigenschaften, die sich ideal zur herrschaftlichen Repräsentation nutzen ließen. Den späten Auftritt Neptuns auf der Florentiner Festbühne hebt die Autorin in Gegenüberstellung etwa zu Genua und Messina hervor. Repräsentative Arbeiten für Andrea Doria, mit dem der Großherzog in engem Kontakt stand, aber auch Montorsolis Neptunbrunnen in Messina, den Cosimo durch Besuche gekannt haben könnte, mögen einen Einfluss hinterlassen haben. Auch in Florenz gab es vereinzelte Projekte, etwa in der Ausstattung der Villa Castello und in Vasaris Dekorationen für den Palazzo Vecchio, die das wachsende Interesse an der Figur des Neptuns belegen. Else weist darauf hin, dass sie alle in eine Zeit fallen, in der sich Cosimo I. intensiv mit der Verstärkung der Küstenfortifikationen sowie der Schaffung neuer Verwaltungsstrukturen zum Instandhalten der Wasserwege und Brücken einsetzte.
Die neu geschaffenen Aquädukte resultierten in Planungen für neue Brunnen: Für die Piazza della Signoria erhielt Baccio Bandinelli den Auftrag für eine Neptunstatue, der nach seinem Tod an Bartolomeo Ammanati ging. Die Anforderung, die Skulptur "ex uno lapide" zu fertigen, brachte für die Komposition und Ausführung einige Einschränkungen mit sich. So hält Neptun etwa keinen Dreizack in den Händen, sondern einen bastone (Kommandostab), der sich auf die Herrschaft der Medici beziehen ließ. Auch die Verwendung neuer Materialien wie des erst kurz zuvor entdeckten, leicht lilafarbenen marmo mischio und die lebensgroßen, beinahe auf Bodenniveau sitzenden Bronzefiguren auf dem Bassinrand, machten den Brunnen einzigartig. Auch wenn die Statue durchaus zeitgenössische Kritik erfuhr, so wurde besonders die Versorgung mit Frischwasser hervorgehoben, die durch die neue Anlage und Ausbau von Aquädukten aus den Boboligärten über die Ponte Vecchio hin zum Palazzo Vecchio resultierte.
Der Einzug des Paares Francesco I. de Medici und Johanna von Österreich 1565 in Florenz bildete laut Else einen 'Katalysator' (85) nicht nur für Ammanatis Brunnen, sondern auch für die Einbindung Neptuns und maritimer Themen in die Florentiner Kunst. Nicht nur wurde der noch unvollständige Brunnen durch ephemere Elemente zu einem vorläufigen Gesamtwerk vollendet, Neptun trat auch an verschiedenen Triumphbögen während des Einzugs in Erscheinung sowie in der einen Monat nach dem Einzug stattfindenden mascherata.
Als Nachklang auf den Einzug entstanden in den Boboligärten weitere Werke, etwa Stoldo Lorenzis Neptun- und Giambolognas Oceanusbrunnen, den Else auf Grundlage ikonografischer Details durchaus auch als Neptun interpretiert. Auch in Pratolino traten maritime Themen immer mehr in den Vordergrund, wenn auch der Meeresgott hier nicht direkt in Erscheinung trat. Parallel zu diesen Arbeiten dauerte die Fertigstellung des Monuments auf der Piazza della Signoria noch an, das erst 1574 enthüllt werden konnte. Gleich zwei Ereignisse festigten zudem die Einbindung maritimer Bildsprache in den Florentiner Kontext: 1579 heiratete Francesco nach dem Tod seiner ersten Frau Bianca Capello, deren Abstammung aus einer venezianischen Patrizierfamilie neue Repräsentationsmöglichkeiten bot. In der veranstalteten sbarra (Turnier) traten neben Meeresallegorien, Wassermännern und Seetieren als letzter Neptun auf einem reich geschmückten Wagen auf. Und auch im Rahmen eines Schauspiels anlässlich der Hochzeit Virginia de' Medicis und Cesare d'Estes war Neptun zu sehen, für den sich Buontalenti eventuell an der Figur auf der Piazza della Signoria orientierte. Else spannt auch in diesem Kapitel den Bogen zu Ammannatis Werk, das in der Zwischenzeit nicht nur Kritik, sondern auch Vandalismus zum Opfer gefallen war. Zudem zeigen archivalische Auswertungen, dass die Florentiner Wasseranlagen gerade in dieser Zeit umfangreichen Reparaturarbeiten unterzogen werden mussten.
Mit dem letzten Protagonisten des Untersuchungszeitraumes, Ferdinand I. de' Medici, übernimmt ein durch seine römische Kardinalszeit im Bereich Wassermanagement gut geschulter Herrscher das Großherzogtum Toskana. Für die Feste anlässlich der Eheschließung mit Christine von Lothringen, Enkeltocher Maria de' Medicis, orientierte man sich unter anderem an den Seefesten des französischen Hofes. Während der Reise von Marseille nach Pisa wurde der Braut beispielsweise eine Seeschlacht dargeboten, deren Szenografie sich nachweislich an echten Marinemanövern orientierte. Auch beim Einzug in Florenz 1589 widmete sich eines der intermezzi maritimer Elemente, indem es den Sieg Apollos über Phyton behandelte und sich damit auf die Gründung Delphis durch einen Sohn Neptuns - Delphus - bezog.
Nicht nur als Höhepunkt der Hochzeitsfeierlichkeiten, sondern auch als Höhepunkt der Verwendung der Wassersymbolik im politischen Kontext, schließt Else ihre Arbeit mit der im Innenhof des Palazzo Pitti stattfindenden naumachia ab. Die Seeschlacht zwischen Türken und Christen, für die die Innenfläche des Palastes geflutet wurde, bot mit ihren Dekorationen und Kostümen, Akustik und Pyrotechnik nicht nur ein alle Sinne ansprechendes Schauspiel. Die Naumachie zog damit als Festform erstmals in Florenz ein und war zugleich die erste ihrer Art, die weder auf offenem Gewässer, noch in eigens hierfür erstellten Konstruktionen abgehalten wurde.
Auch im abschließenden Kapitel gelingt es der Verfasserin Ammannatis Brunnen mit dem Zeitgeschehen in Verbindung zu bringen und liefert hierfür neue Erkenntnisse auf Grundlage von Archivstudien. Sie belegen von Ferdinand I. in Auftrag gegebene und zwischen März 1588 und März 1589 durchgeführte, umfassende Restaurierungsarbeiten an der Brunnenanlage. Zwar kam dem Koloss auf der Piazza keine gesonderte Rolle im Einzug Christines zu, sein Erscheinungsbild dürfte jedoch imposanter denn je gewesen sein. Dass die Arbeiten im Zusammenhang mit diesem Einzug stehen, belegt auch dessen geänderte Route, die nun von Norden auf die Piazza führte und Neptun somit in der Sichtachse mit Michelangelos David und Bandinellis Hercules und Cacus zur vollen Geltung kommen ließ.
The Politics of Water geht der eingangs formulierten Beobachtung aus mehreren Perspektiven auf den Grund und wertet neben Studien zur europäischen Festkultur, kunsthistorischen, städtebaulichen und architekturhistorischen Fragestellungen auch eine nicht zu verachtende Summe an erstmals publizierten archivalischen Quellen aus. Neben der Präsentation profunder Kenntnisse des politischen Festwesens in und außerhalb Florenz, gelingt es Felica M. Else der Einbindung maritimer Themen im öffentlichen Raum der Medici nachzuspüren. Somit ergibt sich ein umfassendes Bild einer Dynastie, die es innerhalb des 16. Jahrhunderts durchaus schaffte 'den Kampf gegen das Wasser aufzunehmen' und es für 'ihre Repräsentation' fruchtbar zu machen.
Anna Lisa Schwartz