Rezension über:

Katharina Heyden (Hg.): De Gestis in Perside. Eine Religionskonferenz in Persien (= Fontes Christiani; Bd. 83), Freiburg: Herder 2019, 304 S., ISBN 978-3-451-32904-3, EUR 42,00
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Rezension von:
Matthias Perkams
Friedrich-Schiller-Universität, Jena
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Perkams: Rezension von: Katharina Heyden (Hg.): De Gestis in Perside. Eine Religionskonferenz in Persien, Freiburg: Herder 2019, in: sehepunkte 20 (2020), Nr. 4 [15.04.2020], URL: https://www.sehepunkte.de
/2020/04/34000.html


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Katharina Heyden (Hg.): De Gestis in Perside

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Der vorliegende Band präsentiert in deutscher Übersetzung einen griechischen fiktiven Bericht in Ich-Form über ein ausführliches Religionsgespräch in Persien.

Nach der Einleitung des Erzählers, der sich als einziger byzantinischer Bischof auf der persischen Versammlung vorstellt, wird geschildert, wie der persische König Arrenatos anwesende jüdische Rabbis um ein Urteil über einen Streit zwischen Christen und Hellenen über die Historiker Philipp und Dionysaros bittet. Die Juden schlagen stattdessen den achtzigjährigen Philosophen Aphroditian als Schiedsrichter vor, womit die Christen einverstanden sind, zumal Aphroditian seinen Respekt vor dem Christentum erklärt und einige Stellen einige Prophezeiungen über Alexander den Großen in Philipps Werk auf Christus bezieht. Sein Respekt vor dem Christentum ist aber in Anbetracht von dessen Zerstrittenheit eingeschränkt. Hieran schließt sich die bekannteste Passage des Werks an, die so genannte Erzählung des Aphroditian, bei der zunächst berichtet wird, wie die Götter in einem persischen Heratempel sich anlässlich der Geburt Christi niederwerfen, bevor die Magier von Persien zur Verehrung des neu geborenen Christus ziehen. Es folgen, nach einem monotheistischen Bekenntnis Aphroditians, einige christlich gewendete kynisierende Chrien. Nach diesem ersten Gesprächsgang zwischen Aphroditian und den Christen drängt sich der persische Magier Orikates in den Mittelpunkt und versucht vergeblich, mit fünf Wundertaten die Überlegenheit seiner Religion zu beweisen. Danach diskutieren die Juden Jakob und Pharas mit Aphroditian und den Christen und bekehren sich im Ergebnis zu Christus, was zu einem letzten Gesprächsgang der anderen Juden mit ihnen führt.

Der Text enthält einige im zeitgenössischen Kontext sehr bemerkenswerte Punkte: So wird ein Christusbild in einem Heliostempel aufgestellt, ohne dass klar ist, ob damit der alte Kult abgelöst wird (§ 31, vgl. die monotheistische Deutung des Helios, der im Zoroastrismus so wichtigen Sonne, in § 33). Die brutale Verfolgung der Juden und anderer durch die Christen wird offen ausgesprochen (§ 3, s. unten). Nicht minder offen wird zum Frieden unter Juden, Christen und Hellenen aufgerufen (§ 80), während sowohl unter den Christen (§ 19 und 39) als auch unter den Juden (§ 67f., 76f.) Streitigkeiten angesprochen und kritisiert werden.

Die Übersetzung des teils schwer verständlichen griechischen Textes ist relativ wörtlich und nach stichprobenartiger Kontrolle recht zuverlässig, auch wenn es naturgemäß kleine Ungenauigkeiten gibt: So ist in § 33 τοῦ παντὸϛ αἴτιοϛ "Verursacher des Alls" und nicht "Ursache von allem". Die ausführliche Einleitung behandelt den literarischen Charakter des Werks, seine Quellen - darunter wahrscheinlich das Geschichtswerk des Philipp von Side (Anfang 5. Jahrhundert), die Tradition des Alexanderromans und biblische Bezüge - sowie Datierung, Autor, Zielgruppe und Zielsetzung des Werks, seine Überlieferungsgeschichte sowie die editorischen Prinzipien.

Heyden lokalisiert den Text im syrischen Raum (Detailkenntnisse Persiens scheinen zu fehlen) und datiert ihn, später als ihre meisten Vorgänger, ins 6. Jahrhundert. Der Text passe besonders gut in die Zeit des Ḫusrō Anuširwān (griech./lat. Chosroes, syr. Kosrau; reg. 531-579) sowie seiner Nachfolger Hormizd IV. und Ḫusrō II., aus deren Zeit Religionsgespräche bezeugt sind (72-78). Eine gewisse Rolle für die Datierung spielt Heydens Annahme, Aphroditian erweise sich in seinem Bekenntnis in § 33 als "neuplatonischer Philosoph und Monotheist, der in den Naturelementen, den einen Gott verehrt". Daher könne das Werk als Reaktion auf die Schließung der Akademie durch Justinian 529 verstanden werden (96f.). Dieses Argument ist allerdings abzulehnen, denn Hinweise auf den Neuplatonismus mit seinen Hypostasen und seiner platonisch-aristotelischen Diktion sucht man im Text vergebens. Bei einem gebildeten Autor des 6. Jahrhunderts wäre das aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Zwar wird man De gestis in Perside wegen der Bezüge zu Philipp wohl nicht früher datieren wollen als das 5. Jahrhundert. Eine spätere Datierung legt sich wegen der Bedeutung von Philipps Werk aber auch nicht nahe, zumal das Alter der Tradition persischer Religionsgespräche unklar ist.

Das Bekenntnis in § 33 deutet meines Erachtens auf eine andere, räumlich und kulturell sehr gut passende Tradition hin, nämlich die des Bardaiṣān von Edessa (gestorben 220): Bei ihm setzt sich die Wirklichkeit in der Tat aus den vier Elementen und ihrem Schöpfer zusammen. [1] Texte aus seinem Edessener Umfeld, z.B. der berühmte Liber legum regionum oder der Brief des Mārā bar Serapīyōn, zeigen ebenfalls Anleihen an die griechische Kultur und bringen diese mittels fiktiver Rahmenerzählungen mit Judentum und Christentum in Verbindung. Elemente aus dieser Tradition könnten wohl einige Besonderheiten des Textes erklären helfen.

In der Einleitung zu Text und Übersetzung stellt Heyden die wichtigsten Handschriften vor, die nach ihrer Aussage für diese Edition benutzt wurden (109). Wie sie benutzt wurden - anhand älterer Apparate, per Autopsie oder vermittels Handschriftenfotografien (für einige Handschriften sind Internetlinks genannt) -, bleibt aber unklar, denn zugleich behauptet Heyden, im Wesentlichen den Text der Edition von Bratke wiederzugeben (119). Ein kritischer Apparat und eine Auflistung der Änderungen gegenüber den älteren Editionen fehlen jedenfalls, es gibt nur einzelne textkritische Bemerkungen.

Sehr zu begrüßen ist, dass Heyden unterschiedliche Textrezensionen - nämlich den Mehrbestand der Handschrift A (Parisinus Graecus 1084) im Vergleich zum etwa gleich alten Codex Monacensis 467 (C) - durch eckige Klammern sichtbar macht (v.a. in § 3.; vgl. 92f.). Die wissenschaftliche Aufarbeitung bleibt aber unbefriedigend: 1) Alle anderen genannten Codices werden beim Vergleich nicht berücksichtigt, obwohl nur die Gesamtevidenz eine Rekonstruktion der Textgeschichte ermöglicht. 2) Heydens Wertung bleibt widersprüchlich: Auf Seite 93f. wird der Mehrbestand als "tendenziöse Erweiterung" bezeichnet, "die antijüdische Stereotypen in den Text einträgt", auf Seite 108 ist hingegen von "Streichungen" des Kopisten des Monacensis" die Rede. Inhaltlich scheint es plausibler, die Langfassung für älter zu halten: Die gestrichenen Passagen sind zwar indirekt antijudaistisch, sprechen aber, direkt genommen, einen jüdischen Standpunkt offen aus: Dass die "mörderischen und blutbefleckten" Christen das ganze Menschengeschlecht tyrannisierten. Eine so unverblümte Kritik am Christentum ist einem byzantinischen Bearbeiter weniger zutrauen als dem ursprünglichen Verfasser, der ja auch sonst unkonventionelle Standpunkte zu Wort kommen lässt.

Trotz dieser Kritiken ist das Buch im Ganzen nicht nur wegen Text und Übersetzung, sondern auch wegen der gut lesbaren und informativen Einleitung als eine sehr nützliche Hinführung zum Studium des wichtigen Dokuments sehr zu empfehlen. Für eine wissenschaftliche Arbeit an selbigem wird man naturgemäß eher die zitierten kritischen Editionen bzw. die Handschriften selbst ebenfalls heranziehen wollen.


Anmerkung:

[1] Vgl. die Belege bei H.J.W. Drijvers: Barḍaiṣān of Edessa, Assen 1966, 98-106.

Matthias Perkams