Jacek Staszewski: Die Polen im Dresden des 18. Jahrhunderts (= Klio in Polen; 19), Osnabrück: fibre Verlag 2019, 272 S., ISBN 978-3-944870-51-9, EUR 36,00
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Die polnisch-deutsche Übersetzungsreihe Klio in Polen des Deutschen Historischen Instituts Warschau will wichtige polnischsprachige Werke zur europäischen Geschichte auch auf Deutsch verfügbar machen. Das polnische Original der hier vorliegenden Veröffentlichung des 2013 verstorbenen Jacek Staszewski, Polacy w osiemnastowiecznym Dreźnie, wurde schon 1986 als populärwissenschaftliche Publikation im Ossolineum-Verlag veröffentlicht. Staszewski war ein ausgewiesener Experte für die polnisch-litauische Geschichte des 18. Jahrhunderts, lehrte Geschichte der Neuzeit an der Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń und war zudem zwischen 1991 und 1997 Vorsitzender der Polnischen Historischen Gesellschaft (PTH).
Nachdem sich zahlreiche Arbeiten mit polnischen Kolonien in Paris, Rom oder St. Petersburg beschäftigt hatten, wandtet sich Staszewski in den 1980er Jahren einer Stadt zu, die trotz Aufenthalten bedeutender polnischer Emigranten, wie Adam Mickiewicz oder Józef Ignacy Kraszewski, dem in der Stadt auch ein Museum gewidmet ist, in den Geschichtswissenschaft (bis heute) als Zentrum der polnischen Emigration eine weitgehend untergeordnete Rolle spielt. Daran hat sich auch seit der Erstveröffentlichung kaum etwas geändert. Daher entspricht die Arbeit Staszewskis weiterhin weitgehend dem aktuellen Forschungsstand und ist trotz ihres Alters immer noch lesenswert.
Während vor allem die ältere polnische und deutsche Forschung die negativen Aspekte der Union und ihrer einzelnen Bestandteile hervorhob, versucht Staszewski, die Union und in diesem Buch insbesondere Sachsen zu rehabilitieren. Damit schlägt dieses Buch einen Bogen zu seiner beiden herausragenden Biografien zu August II. (1986) und August III. (1989), die ebenfalls mit den alten Deutungsmustern brechen und ein neues Bild der Könige und ihrer Herrschaft zu zeichnen versuchen.
Nach einer Einführung Michael G. Müllers und Miloš Řezníks, in der sie die Bedeutung von Staszewskis Arbeiten im Kontext der polnischen Geschichtswissenschaften hervorheben, folgt die Studie selbst. Einem Vorwort schließen sich fünf Kapitel, ein Verzeichnis der 62 enthaltenen Abbildungen und ein Personenregister an. Ein Literaturverzeichnis fehlt, dafür findet sich am Ende eine kommentierte Auswahlbibliografie, die weitgehend dem Stand der Erstausgabe entspricht.
Staszewski präsentiert im ersten Kapitel die Geschichte Dresdens seit ihren frühzeitlichen Anfängen und zeigt die germanisch-slawischen Ursprünge der Stadt. Er stellt die wirtschaftlichen, kulturellen, religiösen und höfischen Entwicklungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dar. Damit spannt Staszewski zwar einen durchaus interessanten Bogen von den multiethnischen Ursprüngen der Stadt zu der neuen Multiethnizität des 18. Jahrhunderts, ob dies aber in einer Arbeit zum 18. Jahrhundert so detailliert erforderlich gewesen wäre, ist fraglich.
Im folgenden Kapitel widmet sich Staszewski der wettinischen Präsenz in Dresden und widerlegt das Bild einer skandalösen und verschwenderischen Hofhaltung unter August II. Im Gegensatz dazu wird das Wirken der beiden Kurfürsten-Könige als Kunstmäzene hervorgehoben, die mit ihren Ausgaben gezielt die Wirtschaft des Landes gefördert hätten; er rückt auch deren kulturelle Errungenschaften ins rechte Licht, die Dresden bis heute zu einem europäischen Kulturzentrum machen. Außerdem thematisiert Staszewski die Veränderungen am Hof durch äußere Einflüsse unter der Herrschaft Augusts III.
Das dritte Kapitel befasst sich mit dem polnischen Leben in Dresden. Der Verfasser gliedert es in drei Phasen. Die erste Phase dauerte von 1697 bis 1720 und war von der Überwindung der sprachlichen, religiösen und kulturellen Differenzen zwischen Polen und Sachsen geprägt. In der zweiten Phase, von 1720 bis 1763, etablierte sich ein polnisches Milieu in Dresden, und in der Stadt bildete sich eine polnische Kolonie. Mit der dritten Phase, die sich von 1763 bis 1800 erstreckt, beschäftigt sich Staszewski ausführlich im letzten Kapitel.
Im vierten Kapitel beschäftigt sich Staszewski mit Polen außerhalb des Hofes. Er konzentriert sich dabei auf die Entstehung und Entwicklung verschiedener polnisch-sächsischer Geheimbünde und Freimaurerlogen in Dresden und die hohe Soziabilität des polnischen Milieus, die sich in der Aufnahme von Polen in das Dresdener Kadetten- und Pagencorps sowie in die sächsische Armee zeigte.
Anknüpfend an das dritte Kapitel widmet der Autor das letzte Kapitel der dritten Phase des polnischen Lebens in Dresden. Nach dem Ende der Union avancierte die Stadt zu einem Zentrum der polnischen Emigration und Opposition. Bedeutende Größen der polnischen Politik wie Jan Henryk Dąbrowski oder Hugo Kołłątaj gingen in Dresden ein und aus, die Stadt wurde zu einem Dreh- und Angelpunkt zwischen Italien, Frankreich und Polen.
Dass das Buch vor fast 40 Jahren veröffentlich wurde, fällt nur an wenigen Stellen auf, wenn Staszewski z. B. Gegenwartsbezüge herstellt, die heute veraltet sind. Die zeitliche Differenz zwischen der Erstausgabe und der Übersetzung machten einige Anpassungen in der neuen Ausgabe nicht nur an deutsche, sondern insgesamt auch an moderne wissenschaftliche Standards notwendig. So wurden Fußnoten hinzugefügt, um möglichst wenig in den Text einzugreifen. Außerdem wurden die in Polen üblicherweise durch den Anfangsbuchstaben abgekürzten Vornamen ausgeschrieben und bei weiteren Wiederholungen nur der Nachname verwandt. Wie schon die Originalausgabe ist auch die Übersetzung sehr gelungen. Der Text ist gut lesbar und vermittelt den von Staszewski gewollten Eindruck, als befände man sich als Leser selbst im Dresden des 18. Jahrhunderts.
Die Lektüre vermittelt sowohl dem historisch versierten Leser als auch dem interessierten Laien fundierte Kenntnisse über die Stadtentwicklung und das polnische Leben im Dresden des 18. Jahrhunderts. Sie ermöglicht tiefe Einblicke in die Hintergründe der verschiedenen Prozesse und Entwicklungen in Stadt und Gesellschaft, nimmt differenzierte Analysen vor und bildet damit eine Grundlage für weitere Forschungen zu diesen Themen sowohl in Polen als auch - Dank der Übersetzung - in Deutschland.
Allein schon deshalb, weil in dieser Arbeit eine deutsche Stadt behandelt wird, war die Übersetzung aus dem Polnischen sinnvoll. Zu fragen wäre lediglich, ob eine eventuelle zukünftige Neuveröffentlichung nicht in einer Reihe zur Dresdener Stadtgeschichte besser platziert wäre, um das Buch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Filip Emanuel Schuffert