Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Andreas Hilger, Moskau


Dame, König, As, Spion. Regie: Thomas Alfredson, DVD 2011
Das Buch von John le Carré "Dame, König, As, Spion" führte 1974 den Leser tief in die geheimdienstliche Atmosphäre der Zeit des Kalten Kriegs ein. 2011 gelang es dem Regisseur Tomas Alfredson in seinem gleichnamigen Film, diese Stimmungen noch einmal zu verdichten. Damit waren eindrucksvolle Psychogramme der Spione und kompakte Binnenansichten der Dienste verbunden, die durch die prominente Besetzung – unter anderem Gary Oldman und Colin Firth – eindringlich wirkten. Das Drama um Verrat im Kalten Krieg ist, auch wenn man es zunächst nicht so betrachten mag, tatsächlich eine historische Erzählung. Die Forschung über Geheimdienste in Ost und West nach 1945 hat gerade in Deutschland erst begonnen. Sie wird vielfach auf Handlungslogiken, Dysfunktionalitäten und geteilte Loyalitäten der Apparate und ihrer Akteure stoßen, die dieser Film ebenso spannend wie kunstvoll aufzeigt.

Jaume Cabré: Das Schweigen des Sammlers. Roman. Aus dem Katalanischen von Kristen Brandt und Petra Zickmann, Berlin: Insel Verlag 2013
Adrià ist Gelehrter, Sammler und Sohn eines Sammlers. Der Vater erwarb für sein Geschäft in Barcelona kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Instrument des Geigenbauers Storioni aus dem 18. Jahrhundert. Sein Sohn wird sie den Nachkommen der früheren jüdischen Besitzer wieder zurückgeben wollen. Der Zeitbogen, den Jaume Cabré in seinem Buch spannt, reicht noch weiter zurück, bis zu den Zeiten der Inquisition, und endet lange nach Francos Tod. Die Orte des Geschehens sind entsprechend weit verstreut, von Spanien bis Deutschland, von Auschwitz bis nach Afrika. Meisterhaft verwebt der Autor die Erzählstränge, indem er innerhalb von Seiten, Abschnitten oder Sätzen fließend Perspektiven, Handlungsorte und Zeiten wechselt. Auf diese Weise und dank einer geschliffenen Übersetzung überzeugt diese literarische Gestaltung des inneren Zusammenhangs der teils assoziativen, teils weit ausgreifenden Verbindungen in jeder Hinsicht.

Bruce Riedel: Kings and presidents. Saudi Arabia and the United States since FDR, Washington, DC 2018.
Der Autor beschäftigt sich seit Jahrzehnten für die CIA bzw. den National Security Council mit Sicherheitsfragen und dem Mittleren Osten. Damit ist er ein Experte für die geopolitischen und strategischen Dimensionen der amerikanisch-saudi-arabischen Beziehungen. Auf dieser Basis liefert Riedel eine komprimierte Analyse der Verflechtungen von Energie-, Regional- und internationaler Politik seit dem Zweiten Weltkrieg. Regionale Konfliktlinien und amerikanische Kerninteressen ließen sich in die Konstellationen des Kalten Kriegs integrieren, wurden aber nicht von der bipolaren Auseinandersetzung erzeugt. Dies zeigte sich nicht zuletzt nach dem Ende des Kalten Kriegs, etwa in den saudi-arabisch-iranischen Konkurrenzen während und nach dem Arabischen Frühling oder in militärischen bzw. diplomatischen Interventionen der USA im Irak, in Syrien und in der Palästinafrage. Auf diese Weise bietet das präzise formulierte Buch auch für das Verständnis der komplexen aktuellen Entwicklungen im Mittleren Osten eine äußerst aufschlussreiche Hilfestellung.

Thane Gustafson: The bridge. Natural gas in a redivided Europe, Cambridge 2020.
In den letzten Jahren ist viel von westeuropäischer Energiesicherheit und unerwünschten Abhängigkeiten von russischen Produzenten und Lieferanten die Rede. Gustafsons profunde Gesamtdarstellung zeichnet die Genese und Entwicklung des gesamteuropäischen Energiemarkts seit den 1960er und 1970er Jahren nach. Dabei legt sie die Bedeutung wirtschaftspolitischer Rahmensetzungen von EG und EU für die energiewirtschaftlichen Ost-West-Beziehungen offen. Vergleichsweise späte neoliberale Weichenstellungen brachen endgültig erst im 21. Jahrhundert überkommene nationale Versorgungskartelle und -strukturen auf. Die Marktliberalisierung kam neuen Anbieter aus aller Welt, die Transportmöglichkeiten für Flüssiggas nutzen konnten, entgegen. Die neuen Regeln und Konkurrenten stellten indes russische Produzenten und Lieferanten jenseits aller politischen Prozesse vor eigene Herausforderungen. Die Studie arbeitet diese wirtschaftlichen Dimensionen kenntnisreich auf. Sie liest sich daher als unverzichtbare Ergänzung zu sicherheits- und außenpolitisch dominierten Diskursen über die europäische Energiepolitik und bietet, quasi ganz nebenbei, einen originellen Beitrag zur ambivalenten Geschichte der Globalisierung.

Romain Malejacq: Warlord survival. The delusion of state building in Afghanistan, Ithaca 2019.
Der Politikwissenschaftler beschreibt in seiner Studie detailliert das Innenleben eines fragilen, von Kriegen und Bürgerkriegen geplagten Lands. Dafür hat er über rund zehn Jahre hinweg vor Ort Kriegsherren und ihre Anhänger, Diplomaten und Journalisten sowie Vertreter der Zentralregierung befragt. Die dokumentierten Karrieren von prominenten warlords demonstrieren die ganze Bandbreite ihrer ethnischen, regionalen und politischen Hintergründe und damit unterschiedliche Machtressourcen: Abdul Dostum, zu Zeiten der sowjetischen Besatzung hochrangiger Offizier der Regierungsarmee, avancierte nach 1989 zum ersten Vertreter und Führer der usbekischen Minderheit. Dagegen hatte sich die langjährige Führungspersönlichkeit der tadschikischen Minderheit Ahmad Massoud in den 1980er Jahren im Kampf gegen die UdSSR hervorgetan. Dostum, Massoud und andere Kriegsfürsten konnten ihre internationalen Verbindungen – beispielsweise zum Iran, in zentralasiatische Republiken, nach Saudi-Arabien, zeitweise zur USA und zur Türkei oder auch zur organisierten internationalen Kriminalität – sowie regionale Verankerungen zum Ausbau eigener Machtpositionen nutzen. Dieser Befund trägt ganz wesentlich dazu bei, das Scheitern zahlreicher Versuche von innen und von außen, im gesamtafghanischen state und nation building voranzukommen, zu erklären.