Rezension über:

Christian Bunnenberg / Nils Steffen (Hgg.): Geschichte auf YouTube. Neue Herausforderungen für Geschichtsvermittlung und historische Bildung (= Medien der Geschichte; Bd. 2), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2019, VIII + 347 S., ISBN 978-3-11-059682-3, EUR 89,95
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Rezension von:
Daniel Bernsen
Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Christian Kuchler
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Bernsen: Rezension von: Christian Bunnenberg / Nils Steffen (Hgg.): Geschichte auf YouTube. Neue Herausforderungen für Geschichtsvermittlung und historische Bildung, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2019, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 1 [15.01.2021], URL: https://www.sehepunkte.de
/2021/01/34488.html


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Christian Bunnenberg / Nils Steffen (Hgg.): Geschichte auf YouTube

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In der Altersgruppe der 12-19jährigen, also der Jugendlichen, die zugleich Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen sind, steht YouTube seit Jahren auf dem ersten Platz als beliebtestes Internetangebot. [1] Dabei werden über die Videoplattform nicht nur Musik gehört und Videos zur Unterhaltung angeschaut. Mitte 2019 machte die Überschrift Schlagzeile, dass 50% der Schülerinnen und Schüler YouTube-Videos gezielt zum Lernen nutzen. [2] Lehrerinnen und Lehrer dürften von dieser Beobachtung wenig überrascht gewesen sein. Die meisten hätten vermutlich auf einen deutlich höheren Anteil getippt.

Schaut man sich die Kanäle an, die sich auf YouTube auch an Schülerinnen und Schüler richten, dann fällt neben Mathematik besonders das Fach Geschichte auf, für das es eine große Zahl verschiedener und gemessen an der Zahl der Abonnenten auch stark nachgefragter Angebote gibt.

Angesichts dieser Beobachtung ist es ein Verdienst der Herausgeber mit dem vorliegenden Sammelband eine erste Bestandsaufnahme zum Thema "Geschichte auf YouTube" mit dem Fokus auf historischer Bildung vorzulegen.

Ausgangspunkt für den Band war ein Nachwuchsworkshop der AG Angewandte Geschichte/Public History im Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands, der bereits 2016 an der Universität Heidelberg stattgefunden hat. Für den Sammelband wurden nicht nur die Vorträge überarbeitet, sondern auch weitere Autorinnen und Autoren angefragt, die das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln breiter ausleuchten. So kommen neben Expertisen aus der Geschichtsdidaktik und den Geschichtswissenschaften auch Stimmen aus der schulischen Praxis zu Wort.

Der Sammelband fasst die Beiträge in mehrere Kapitel zusammen: Zunächst kontextualisieren Cord Arendes, Nils Steffen und Judith Uebing aus historischer, fachwissenschaftlicher sowie fachdidaktischer Perspektive sogenannte "Erklärvideos", um die sich im Bereich historischer Bildung auf YouTube zumeist handelt. Im zweiten Teil werfen Hannes Burkhardt und Christian Bunnenberg einen Blick auf die Nutzung von YouTube durch Museen. Benjamin Roers ergänzt diesen Teil durch eine Analyse der Authentifzierungsmechanismen auf YouTube am Beispiel des Kanals von MrWissen2Go. Dieser bringt seine Perspektive in einem eigenen Beitrag im folgenden Kapitel ein. Aus Produzentensicht eröffnet Florian Wittig mit einem Werkstattbericht einen Blick hinter die Kulissen von "The Great War", einem englischsprachigen Kanal zum Ersten Weltkrieg. Diese beiden Beiträge lesen sich besonders gewinnbringend, da sie einen Einblick in die Funktionsweise von YouTube und das Selbstverständnis von zwei erfahrenen und erfolgreichen Produzenten von Geschichtsvideos bietet.

Der Bereich "Partizipation" wendet sich den auf YouTube plattformspezifischen Möglichkeiten der Beteiligung durch Bewertung und Kommentierung der Videos zu. Dass es hierbei keineswegs nur um erweiterte Möglichkeiten quasi demokratischer Mitbestimmung geht, in der die Nutzer mit den Akteuren in direkten Kontakt treten und über Rückmeldungen und Nachfragen weitere Inhalte von Kanäle anregen können, sondern auch Ort revisionistischer und extremistischer Äußerungen sein können, zeigen Moritz Hoffmann und Christopher Friedburg in ihren Beiträgen ebenso wie die damit verbundenen Möglichkeiten diese für Forschungsvorhaben und Bildungsprozesse zu nutzen.

In zwei Praxisbeiträgen bieten Anja Neuberg, Bernhard Linke und Marie Föllen in dem Abschnitt "YouTube und historische Bildung" konkrete Beispiele wie Geschichtsvideos in Schule und Universität als Untersuchungsgegenstand beziehungsweise als kreative Lernprodukte und Darstellungsform von Geschichte eingesetzt werden können.

Fast alle Beiträge zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven auf, dass es sich bei Geschichtsvideos auf YouTube um eine Darstellungsform handelt, die einer eigenen medialen Logik folgen. Die Qualität der Videos ist dabei sehr heterogen. Dies wird mehrfach thematisiert. Besonders eindrücklich erscheint die Frage aber im Beitrag von Anja Neubert, die bei TheSimpleClub, einem bei Lernenden - wie offensichtlich auch bei Lehrenden - populären Kanal, massive Mängel aufzeigt.

Durch die Anlage des Bands kommt es zu einigen Wiederholungen in den Einleitungen der Beiträge, was die Bedeutung von YouTube und die Motivation zur Auseinandersetzung mit Geschichtsdarstellungen auf YouTube angeht. Hier hätte gekürzt und gebündelt werden können. Diese Vielfalt der Perspektiven macht die Stärke aus, sie ist zugleich aber auch eine kleine Schwäche, da sie weitgehend unverbunden nebeneinander stehen bleiben. Das wirkt zunächst stellenweise irritierend, aber letztlich ergibt sich daraus eine produktive Spannung, die, und das macht ein Verdienst dieses grundlegenden Buchs aus, Fragen hervorruft und Forschungsdesiderata aufzeigt. Angesichts der Beobachtungen und Befunde der Beiträge in diesem Sammelband sowie der seit 2016 noch stark gestiegenen Bedeutung von YouTube für Lernen und Bildung scheint eine weitere Beschäftigung mit dem Format von Geschichtsvideos und YouTube als Plattform dringend geboten. Die Herausgeber und Autoren haben mit Tagung und Sammelband wichtige Pionierarbeit geleistet.


Anmerkungen:

[1] Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: JIM-Studie 2020, 36. Online verfügbar: https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2020/JIM-Studie-2020_Web_final.pdf (abgerufen am 23.12.2020).

[2] Rat Kulturelle Bildung: Jugend / YouTube / Kulturelle Bildung. Horizont 2019. Studie: eine repräsentative Umfrage unter 12- bis 19-jährigen zur Nutzung kultureller Bildungsangebot an digitalen Kulturorten. Online verfügbar: https://www.rat-kulturelle-bildung.de/fileadmin/user_upload/pdf/Studie_YouTube_Webversion_final.pdf (abgerufen am 23.12.2020).

Daniel Bernsen