William D. Godsey / Veronika Hyden-Hanscho (Hgg.): Das Haus Arenberg und die Habsburgermonarchie. Eine transterritoriale Adelsfamilie zwischen Fürstendienst und Eigenständigkeit (16.-20. Jahrhundert), Regensburg: Schnell & Steiner 2019, 496 S., 65 Farb-, 34 s/w-Abb., ISBN 978-3-7954-3299-7, EUR 69,00
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Der Band über die Familie Arenberg und ihr Verhältnis zur Habsburgermonarchie ist Teil eines historiografischen Mammutunternehmens zur Geschichte der Dynastie. Es liegen bereits fünf Bände vor, die die Familiengeschichte in unterschiedliche historische Räume einordnen: Zwei Bände widmen sich der Familiengeschichte in der Eifel, in Westfalen und im Emsland, zwei weitere beleuchten die Familiengeschichte in den Niederlanden und den spanischen bzw. österreichischen Niederlanden, der fünfte Band geht den Karrierewegen der Arenberger in Frankreich nach. Auch der hier zu besprechende Band zu den Beziehungen von Arenbergern sowohl zur spanischen als auch zur österreichischen Linie des Hauses Habsburg über einen Zeitraum von 500 Jahren ist für sich genommen bereits ein opulentes Werk und lässt bei der Qualität der einzelnen Beiträge sowie in der prachtvollen Ausstattung und Bebilderung keine Wünsche offen.
Die dem Band zugrundliegende Fragestellung zielt auf die Strategien der Hausmitglieder, Status und Einfluss, Rang und Ressourcen der Familie für die Zukunft zu sichern, wenn möglich gar zu steigern, und jeweils angemessen auf die sich ständig wandelnden politischen Rahmenbedingungen flexibel zu reagieren. Ihr Besitz konzentrierte sich insbesondere auf zwei Räume: zum einen die Grafschaft Arenberg in der Eifel, von der sich ihr Status als Fürsten des Reiches ableitete. Zum anderen waren die Arenberg seit dem 16. Jahrhundert insbesondere im Grenzgebiet zwischen den Niederlanden und Frankreich begütert. Sie unterhielten also in den folgenden zwei Jahrhunderten gute Beziehungen sowohl zu den Kaisern des Heiligen Römischen Reiches als auch zu den spanischen Königen als Landesherrn der spanischen Niederlande.
Renate Pieper widmet sich in ihrem Beitrag den Beziehungen des Hauses Arenberg zur spanischen Krone, Martin Wrede listet all diejenigen Familienmitglieder auf, die im 16. und im 17. Jahrhundert für den spanischen König oder für den Kaiser Kriegsdienste leisteten, insbesondere in den Niederlanden, aber auch im Heiligen Römischen Reich während des Dreißigjährigen Krieges oder in den Türkenkriegen. Veronika Hyden-Hanschos Beitrag über die Verbindung des Hauses Arenberg mit der Familie Carretto aus Ligurien und die damit einhergehende Einbindung in das Klientelnetzwerk des Wiener Kaiserhofes zum Ausgang des 17. Jahrhunderts ist besonders lesenswert. Sie vermag anhand der archivalischen Überlieferung nachzuweisen, dass insbesondere Personen, die im Familiengedächtnis der Arenberger keine posthume Anerkennung erfuhren, wie Anna Eusebia Teufel oder Maria Henrietta Carretto, großen Anteil daran hatten, dass die Familie am Kaiserhof Fuß fassen konnte. Katrin Keller informiert anschaulich über die Rolle Maria Henriettas als Witwe bei der Bewahrung des eigenen Landbesitzes sowie als faktische Strippenzieherin zum Wohle der Familie, aber auch über ihren jahrzehntelangen Rechtsstreit mit ihrem Sohn, der ihr vorwarf, den Familienbesitz nicht zum Wohle der Nachkommen verwaltet zu haben. Eben diesem Sohn Léopold Philippe, mit dem Maria Henrietta sich herumzustreiten hatte, widmet Hyden-Hanscho ihren zweiten Beitrag für diesen Band, und nimmt dafür einen Perspektivenwechsel vor, indem nun insbesondere die Bedeutung eines ranghohen Adligen in den österreichischen Niederlanden für die Durchsetzung wichtiger politischer Anliegen der Herrscherfamilie und deren Herrschaft insgesamt in den Vordergrund gerückt wird, insbesondere auch deren Bedeutung für das Akquirieren der notwendigen Steuereinnahmen und weiterer Finanzmittel und die dafür notwendige Zustimmung der Stände. Die Militärkarriere von Léopold Philippe sowie die Heeresverfassung in den österreichischen Niederlanden werden von Guy Thewes vorgestellt, wobei letztlich die zeitweiligen Grenzen von Arenbergs Einfluss deutlich werden, der trotz energischem Widerstand die von Daun vorgenommene Vereinheitlichung der Regimentsverfassung der kaiserlichen wie der wallonischen Regimenter nicht verhindern konnte. Horst Carl führt in seinem Beitrag vor, wie gerade die stetige Vergrößerung der kaiserlichen Armee Mitgliedern der Familie Arenberg im 18. Jahrhundert Karrierechancen bot und die Familie zugleich mit zunächst einem, nach 1743 dann sogar mit zwei eigenen Regimentern zu dieser Aufrüstung beitrug. Wie Léopold Philippe von Arenberg und nach ihm weitere Familienmitglieder am Statthalterhof in Brüssel sowie am Kaiserhof in Wien um Rang und Einfluss kämpften und hierbei auch an beiden Orten hohe Ämter erwarben, schildert Sandra Hertel in ihrem Beitrag. Mit sechs von zwölf Beiträgen steht das 18. Jahrhundert als derjenige Zeitraum, in dem die Arenberger sich am Kaiserhof in Wien und bei den österreichischen Habsburgern in Brüssel als eine bedeutsame Amtsträgerfamilie fest etablierten, eindeutig im Mittelpunkt.
Selten war das vielbeschworene Talent des Adels zum Obenbleiben so sehr gefragt wie in der Zeit der Revolutionen am Ausgang des 18. Jahrhunderts. William Godsey führt aus, welch unterschiedliche Wege einzelne Familienmitglieder beschritten, um weiterhin eine aktive politische Rolle spielen zu können: Dabei ließ sich eine Mediatisierung der Familie nicht vermeiden, wohl aber widerstand man erfolgreich dem Zwang, sich nur noch einer Nation zuordnen zu müssen. Die Familie existierte fortan in mehreren Linien - eine französische, eine belgische, eine in Deutschland und eine in den habsburgischen Herrschaftsgebieten - und sicherte ihre transnationale Existenz auch dadurch ab, dass man sich um Karrieren bei unterschiedlichen europäischen Großmächten bemühte. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts fanden sich dann wieder mehrere Arenberg in Diensten der Habsburgermonarchie, wie Hayden-Hanscho in einem weiteren Beitrag ausführt.
Der Band vermittelt einen sehr guten Eindruck davon, wie es einer hochrangigen Adelsfamilie gelang, die eigene Eigenständigkeit durch geschickte Anpassung an die zeitspezifischen Rahmenbedingungen bis in das 20. Jahrhundert aufrechtzuerhalten, auch wenn der politische Charakter dieser Eigenständigkeit im 16. Jahrhundert ein anderer war als im 20. Zumindest aus der Perspektive der Adelsgeschichte hat es gleichwohl den Anschein, als ob die Kernelemente adeliger Identität auch die vielbeschworene Sattelzeit - allen Transformationsprozessen und Anpassungsleistungen zum Trotz - weitgehend unbeschadet weiterlebten. Geht es um die Strategien der Selbstbehauptung in der Familie Arenberg, sollte man wohl nicht von einem Bruch zwischen Vormoderne und Moderne ausgehen, sondern eher von Strukturen langer Dauer, die auch im 19. und im 20. Jahrhundert fortlebten.
Andreas Pečar