Manuel Kamenzin: Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) (= Mittelalter-Forschungen; Bd. 64), Ostfildern: Thorbecke 2020, 586 S., ISBN 978-3-7995-4385-9, EUR 68,00
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Nicht nur in Zeiten von Corona ist dem Tod eine bedeutende Rolle in jedem Leben zugestanden. Er fasziniert, ängstigt, löst zumeist Trauer aus und ist immer ein Abschluss. Je nach Stand in der Gesellschaft ist die Beisetzung ein gesellschaftliches Ereignis, wie zuletzt - trotz aller Beschränkungen - bei den Begräbnisfeierlichkeiten Prinz Philips (1921-2021) zu sehen war.
Der Tod erlebt aktuell eine deutlich intensivere Durchdringung seitens der mediävistischen Forschung. Dies spiegelt sich an vielen Studien wider, die in jüngerer Zeit über Beisetzungen, den Tod, den Leichnam und die Hinterbliebenen erschienen sind [1]. Mit seiner von Bernd Schneidmüller betreuten Heidelberger Dissertation, eingereicht 2017, widmet sich Manuel Kamenzin der Überlieferung der Tode der römisch-deutschen Könige in der Zeit von 1150 bis 1349. Zwar wurden vor gut zwanzig Jahren die Königs- und Kaiserbegräbnisse des Spätmittelalters von Rudolf J. Meyer untersucht, doch einerseits wurde der positivistische und unkritische Ansatz, teilweise wohl auch etwas zu stark, bemängelt [2], andererseits standen bei Meyer nicht die Todesdarstellungen in den historiographischen Quellen im Fokus, sondern die Begräbnisfeierlichkeiten, weshalb Kamenzin zweifellos in eine Forschungslücke stößt. Denn vergleichend wurde dies bisher nicht getan, es gab vielmehr immer nur Einzeluntersuchungen, häufig verbunden mit der Biographie des entsprechenden Herrschers. Von Heinrich (VI.) bis Günther von Schwarzburg wird dies also in Kamenzins Studie nachgeholt. 1349 bricht die Darstellung ab, "da mit der Goldenen Bulle 1356 die Herrschaft im Reich zumindest auf dem Pergament neu geregelt wurde" (15). Nicht ganz klar wird, welche genauen Auswirkungen dies für die Beschäftigung mit dem Tod der Herrscher hat. Der Autor ist sich stets bewusst, dass im Spätmittelalter die Quellenüberlieferung deutlich besser ist als zu den Zeiten der ersten staufischen Könige (15). Ebenfalls ist die kritische Herangehensweise begrüßenswert. Kamenzin bezieht sich auf "zeitgenössische historiographische Quellen" (15), er meint damit in Anlehnung an Jan und Aleida Assmann eine Abfassung bis ungefähr 80 Jahre nach dem Ereignis (15). Nach einer kurzen Darlegung der Quellenauswahl und des Forschungsstands erläutert der Autor seinen methodischen Zugriff. Die Hauptfrage ist für ihn, "wie weit die historiographischen Quellen zu den Toden der Könige von narrativen Strategien geprägt sind, die einem guten Herrscher einen guten und einem schlechten Herrscher einen schlechten Tod zuschreiben." (28) [3]. Dabei erläutert der Verfasser treffend, dass es mit mehr als 800 Jahren Abstand zu den Ereignissen kaum möglich ist, die 'tatsächliche' Todesursache immer herauszuarbeiten, denn es geht für Historiker*innen nicht darum, die medizinische Ursache des Todes zu ermitteln, auch wenn dies in den Herrscherbiographien des 19. Jahrhunderts wörtlich übernommen wurde (29f.).
In einem ersten größeren Kapitel beschreibt Kamenzin den Tod in der Antike und im Frühmittelalter als eine Art Hinführung zur eigentlichen Thematik (35-75). Nach einer chronologischen Darlegung der einzelnen königlichen Todesfälle (natürlich in verkürzter Form) geht er auf die Anzeichen guter und schlechter Tode ein, beispielsweise waren der Ort, der Zeitpunkt und vor allem die Art des Todes entscheidend. Exemplarisch sei genannt, dass der (geistliche) Beistand am Sterbebett als positives Attribut galt, Krankheiten konnten hingegen als Strafe Gottes betrachtet werden.
Die Analyse der einzelnen Königstode ist chronologisch angeordnet, wenngleich Kamenzin unterscheidet zwischen Tod ohne Gewalteinwirkung (Kapitel 6), Tod durch Gewalteinwirkung (Kapitel 7) - dies unterteilt in den Königsmord (Philipp II. und Albrecht I.) und den Tod im Felde - sowie Sonderfällen (Kapitel 8): der Ertrinkungstod Friedrichs I. Barbarossa und der vom Pferd stürzende Ludwig IV. Hier auf Details einzugehen, würde den Rahmen der Besprechung sprengen. Die Zusammenstellungen und Deutungen überzeugen stets. Hervorzuheben ist das emsige Zusammentragen von Quellen und Forschungsliteratur. Nicht nur für die Zeit des Hoch- und Spätmittelalters, sondern auch für das Frühmittelalter ist die Expertise des Autors ausgezeichnet. Zu kritisieren ist lediglich, dass die Analyse fast 300 Seiten Raum einnimmt, eine Kürzung an der einen oder anderen Stelle wäre wünschenswert. Etwas verwirrend ist zudem, warum ein Anhang über die Gebeine und die Grablegen (409-477) erst nach dem Fazit ausführlich thematisiert wird. Dieser Abschnitt wäre am besten zu Beginn der Studie, vielleicht nach der Einleitung, eingefügt worden und hätte so deutlich mehr Gewicht erhalten. Denn die Zusammenstellung ist eine eigens zu würdigende Untersuchung, in der sicherlich überrascht, dass nur Friedrich II. seine Grablege selbst festgelegt hatte (475).
Die Beobachtungen Kamenzins sind vielfältig: So weist er nach, dass bei König Wilhelm der außergewöhnliche Fall eintrat, dass nicht nur die Friesen für seinen Tod verantwortlich seien, sondern auch die Männer, die den König beschützen sollten (354). Ebenso entlarvt er viele Verschwörungstheorien, so dass am Ende nur zwei Morde tatsächlich nachweisbar sind. Für seine 'Beweisführung' zog Kamenzin zudem Handschriften heran. An den dort enthaltenen Marginalien demonstriert er zum Beispiel, dass der Tod Heinrichs (VII.) nach den Zeichnungen eine Selbsttötung war (84 Anm. 402).
In seinem differenzierten Fazit fasst Kamenzin die Ergebnisse präzise zusammen (391-407). Positiv zu nennen sind die drei zentralen Thesen, die der Autor am Ende noch einmal zusammenstellt, so dass sich der eilige Rezipientenkreis an dieser Stelle kurz informieren kann. Seinen Ausführungen ist insofern zuzustimmen, als es sich bei der Ausgestaltung der Herrschertode immer um "Stellungnahmen der Chronisten zu den Verstorbenen, aber ebenfalls zum Zustand des Reichs" (406) handelt. Bemerkenswert ist seine in sich schlüssige Analyse, obgleich sicherlich Widerspruch hervorrufen wird, bei den Herrschertoden handele es sich im Gegensatz zur "Königswerdung" (405) weniger um eine rituelle Prägung.
Ein Abkürzungs-, ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis runden die Studie ab, ein Personen- und Ortsregister unterstützt bei der Orientierung in diesem von Namen wimmelnden Buch. Es wird wegweisend für die weiteren Forschungen sein.
Anmerkungen:
[1] Zu nennen ist hier besonders zuletzt die Habilitationsschrift von Romedio Schmitz-Esser: Der Leichnam im Mittelalter. Einbalsamierung, Verbrennung und die kulturelle Konstruktion des toten Körpers (= Mittelalter-Forschungen; Bd. 48), Ostfildern 2014 sowie die Dissertation von Anne Foerster: Die Witwe des Königs. Zu Vorstellung, Anspruch und Performanz im englischen und deutschen Hochmittelalter (= Mittelalter-Forschungen; Bd. 57), Ostfildern 2018.
[2] Rudolf J. Meyer: Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii; Bd. 19), Köln / Weimar / Wien 2000. Kritisch vor allem die Rezension von Michael Borgolte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 7 (2001), 57, etwas vorsichtiger bereits vor der Veröffentlichung dieser Studie Manuel Kamenzin: Wie es dem König gebührt? Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer in der Tradition königlicher Grablegen des 13. und 14. Jahrhunderts, in: König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Darmstadt 2019, 269-293, hier 271 Anm. 7.
[3] Die Thematik des 'guten' und 'schlechten' Herrschers wurde zuletzt ebenso behandelt in der Habilitationsschrift von Grischa Vercamer, Hochmittelalterliche Herrschaftspraxis im Spiegel der Geschichtsschreibung. Vorstellungen von »guter« und »schlechter« Herrschaft in England, Polen und dem Reich im 12./13. Jahrhundert (= Deutsches Historisches Institut Warschau. Quellen und Studien; Bd. 37), Wiesbaden 2020.
Timo Bollen