Hans-Jürgen Pandel / Renate Teepe / Friedrich Huneke (Hgg.): Methodentraining für den Geschichtsunterricht (= Geschichte unterrichten), Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2020, 232 S., ISBN 978-3-7344-1083-3, EUR 29,90
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Auf dem Cover des zu besprechenden Buches zeigt ein Cartoon fünf Figuren, die versuchen, Puzzleteile zusammenzufügen. In Verbindung mit dem Titel taucht die Frage auf, ob Methoden als Mittel verstanden werden, um Informationen zusammenzufügen, oder als Formen kooperativen Arbeitens. Das Inhaltsverzeichnis liefert keine Antwort: Zehn Beiträge stellen die Auswertung (wahlweise auch Analyse oder Interpretation genannt) einzelner Medien in den Vordergrund. Drei fokussieren sich auf Formen der Darstellung beziehungsweise des Austausches, zwei auf außerschulische Lernorte beziehungsweise projektförmiges Lernen und einer auf ein handlungsorientiertes Verfahren. Eine Systematik, wie sie hier versucht wurde, findet sich jedoch nicht; ebenso wenig ein System in der Anordnung der von insgesamt zehn Autor*innen verfassten Beiträge.
Das Vorwort der Herausgeber*innen greift die in Bezug auf den Begriff 'Methode' bestehende "Unklarheit", die "in den Fachdidaktiken" herrsche, auf (5). Die Differenzierung zwischen "Managementpraktiken des Lehrers", "unterrichtlichen Vermittlungsformen" und "Erkenntnismethoden" wird leider nicht weiter verfolgt (5). Stattdessen fokussieren sich die Herausgeber*innen auf "Methodenorientierung", unter der sie einerseits die "Vermittlung von fachspezifischen Erkenntnisstrategien" andererseits die "Methode der Erkenntnisgewinnung" verstehen, und betonen, dass im vorliegenden Buch weder das auszuwertende Medium noch die angewendete Sozialform im Vordergrund steht. Vielmehr gehe es um "Operation[en]", wie das Interpretieren, Quantifizieren, Kartieren, Interviewen, Argumentieren und Dokumentieren (5). Indirekt werden so "Managementpraktiken des Lehrers" und "unterrichtliche Vermittlungsformen" als "Methoden" negiert und der Begriff auf fachspezifische Arbeitstechnik beziehungsweise "Erkenntnismethode" reduziert.
Als "Methodenorientierung" wird zudem "eine bestimmte Sichtweise auf Unterricht" verstanden, "die den Schwerpunkt auf die Verfahren, Prozeduren, Vermittlungsweisen, Behandlungsweisen und Umgangsweisen legt, mit denen Inhalte vermittelt und angeeignet werden" (5). Ob diese Setzung nur auf die "Erkenntnismethode" bezogen ist, bleibt unklar. Dies gilt auch für den Allgemeinplatz, es dürften keine "Methoden gewählt werden, die eine Zielerreichung schwierig bzw. gar unmöglich machen" und die Abgrenzung zum "'Handgriff'", mit dem ein Verfahren bezeichnet wird, das "nur auf eine einzige Problemsituation anwendbar ist" (5). Dass "Methoden" eine "gewisse Affinität zu den Besonderheiten des jeweiligen Faches besitzen", schränkt dann im Sinne der zuvor erfolgten Fokussierung die schier unendlich erscheinende Weite des Begriffs "Methodenorientierung" ein; warum "allgemeinpädagogische 'Methoden' wie 'Fischbowl' und 'Placemat'" dezidiert "keine fachspezifischen Verfahrensweisen der Methodenorientierung" sein sollen, erschließt sich nicht, zumal unter "fachspezifisch" die Förderung eines "Quellenverständnis[es] und narrative[r] Sinnbildung" verstanden wird (5). Hier hätte eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Handlungsorientierung zu historischem Lernen möglicherweise Argumente liefern, die Herausgeber*innen aber auch vom Gegenteil überzeugen können. Der Behauptung, dass Verfahren erst dann "Methoden" seien, wenn sie "auch in der Lebenswelt" nützlich sind, fehlt jegliche Begründung; es sei denn, es wird die Aussage akzeptiert, die - willkürlich herausgegriffenen und dann doch als "Methoden" bezeichneten - Verfahren würden außerhalb von Schulen und durch Erwachsene "ganz sicher nicht" genutzt (5).
Polemisch und widersprüchlich gerät auch die Unterscheidung von "Methodenorientierung" und "Methodenkompetenz": "Methodenorientierung" wird nun zur Fähigkeit, die "passende Methode für den gewählten Gegenstand [...] einzusetzen". "Methodenkompetenz" hingegen sei die Fähigkeit der Schüler*innen, "sämtliche historische Forschungs- und Darstellungsmethoden" zu kennen und anzuwenden. Dass dies selbst "ein einzelner konkreter Historiker [sic!]" beherrsche, bezweifeln die Herausgeber*innen, hält sie aber nicht davon ab, zu fordern: "Die Lehrkräfte sollten Methodenkompetenz besitzen, um die geeigneten Methoden für fachspezifische Ziele einzusetzen" (5).
Im folgenden Abschnitt wird der Umkehrschluss, "nicht alles was Spaß macht, fördert die facheigenen Denkweisen und die Vermittlung der Denkweise macht oft keinen Spaß", zum "geschichtsdidaktischen Problem" erhoben und die Erforschung der "Wirkungsweise von Methoden (im weiten Sinne)" angemahnt; worin der Unterschied zwischen Methoden im "weiten" und einem anzunehmenden 'engerem' Sinne besteht, wird nicht deutlich und ebenso wenig, warum nun Studien zum historischen Wissen von Schüler*innen als "fragwürdig", "unterrichtspraktische Zeitschriften", "Lehrerfortbildungen" und das "Internet" als einseitig, weil nur "Erfolgsbotschaften" verbreitend und den "Spaßfaktor" von Unterricht betonend, kritisiert werden müssen (6). Geht es darum, Methoden 'auszusortieren', empfehlen sich statt Polemik eine Systematisierung des Begriffs, die Klärung des Verhältnisses sich möglicherweise ergebender Kategorien (wie Lehr-Lernformen, unterrichtliche Strukturierungskonzepte, domänenspezifische Erkenntnisweisen und Arbeitstechniken, individuelle / kooperative Arbeitsformen) zum historischen Lernen und eine daran anknüpfende Bestimmung von Vor- und Nachteilen mit Blick auf unterrichtliche Anforderungen.
Der dritte Abschnitt informiert, dass die Beiträge "fachspezifische (z.B. Quelleninterpretation) und zumindest fachnahe Methoden (z.B. Erkundung)" fokussieren, bei "mehr allgemeinen Methoden (Gespräch, Rollenspiel)" versucht worden sei, "eine fachspezifische Akzentuierung herauszuarbeiten" und eine als notwendig erachtete Differenzierung der "methodischen Zugriffe" nach - von der Forschung kritisierten, [1] hier aber herangezogenen - "Lernaltersstufen", nicht erfolgt sei (6). Befremdlich wirkt die Erklärung, dass der Band "exemplarisch" vorgehe und die Beispiele "auf andere Themeninhalte und Epochen" übertragbar seien (6). Nichts anderes ist bei einer Vorstellung von Methoden - "Handgriffe" wurden ja ausgeschlossen - zu erwarten.
Die folgenden 16 Beiträge unterscheiden sich im Umfang und Aufbau sowie in den gewählten Begrifflichkeiten. Letzteres enttäuscht, wird so doch das Vorhaben, "Methoden" im Sinne von "fachspezifischen Erkenntnisstrategien" (5) in den Vordergrund zu stellen, konterkariert. "Interpretieren" gilt zwar als Methode, die ersten neun Beiträge bieten jedoch unterschiedlichste, zum Teil widersprüchliche Ansätze, statt sie, auf Vorarbeiten von Hans-Jürgen Pandel zurückgreifend, [2] als historisches Erkenntnisverfahren zu konturieren. Verwunderlich ist auch, dass entgegen der Ankündigung im Vorwort nun doch Medien, deren Gattungen und (Gestaltungs-)Merkmale im Fokus stehen. In vielen Fällen wird die "Methode" so auf einige wenige "Arbeitsfragen" oder Impulse reduziert (95, 103).
Dass der Beitrag zu "Geschichtskarten" das erwähnte "Kartieren" unberücksichtigt lässt, und auch Lagebeziehungen und Standortfaktoren nicht aufgreift, überrascht; ebenso, dass Quellen im Geschichtsunterricht nur 2.600 Zeichen haben dürfen, in der Sekundarstufe II dann allerdings 3.900 und bei der "häuslichen Vorarbeit" und in Projekten auch schon mal mehr (8 / 9). Irritierend wirkt auch die Einteilung einer Redeanalyse in "Redesituation, Inhalt, Analyse [sic!] und Wirkung" (21), die Aussage handlungsorientierte Verfahren seien für eine "fachliche, kritisch-ikonographische Interpretation [...] untauglich" (32) und Denkmäler keine Sachquellen, obwohl sie ebenso wie Sachquellen als Gegenstände bezeichnet werden (46-55; 57-74). Dass eine statistische Ermittlung des Durchschnittsalters von Gefallenen zur Untersuchung eines Kriegerdenkmals und nicht zur Operation des Quantifizierens (67) gehört, historische Dokumentarfilme als "Kombination von Bild und Wort" gelten, ein "Baustein" ihrer Analyse aber "Musik und Geräusch" sei (101 / 103), verwundert ebenfalls. Seltsam ist zudem, dass der Beitrag zu Rollenspielen auf Ausführungen zu Alterität und Perspektivennachvollzug verzichtet, "[s]chulische Rollenspiele" als "nicht zur Erkenntnisgewinnung" geeignet bezeichnet und dann doch auffordert, Rollenspiele zu protokollieren und die Protokolle als "Quellen [sic!]" für die Erstellung "narrativer Texte" zu nutzen (146). Dass der Punkt "Das Referat wurde rechtzeitig geplant, mit der Lehrkraft besprochen und alle Termine wurden eingehalten" als Kriterium in einem "Beobachtungsbogen" für Schüler*innen auftaucht, ist dann nur noch bizarr.
Apodiktische Setzungen, Widersprüche und der Verzicht, neuere Literatur einzubeziehen, kennzeichnen sämtliche Beiträge. [3] Die für den Band recherchierten Beispiele sind thematisch recht breit ausgewählt, was positiv zu bewerten ist, und nimmt man nur die Texte, Bilder et cetera, so lässt sich die eigene Sammlung an Materialien erweitern. Einige Arbeitsaufträge mögen Anregungen liefern. Für eine Umsetzung und Anwendung auf unterrichtliches Handeln ist das Buch jedoch nicht zu empfehlen; es kann aber der kritischen Auseinandersetzung mit fragwürdigen Setzungen in geschichtsdidaktischen Seminaren dienen.
Anmerkungen:
[1] Zum Beispiel Peter Lee / Denis Shemilt: A Scaffold not a Cage: Progression and Progression Models in History, in: Teaching History 113 (2003), 13-23.
[2] Hans-Jürgen Pandel: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis, Schwalbach / Ts. 2013.
[3] Der Beitrag zu "Urteilen" von Hans-Jürgen Pandel und Renate Teepe ignoriert die Debatte der letzten Jahre vollständig. Vergleiche zu dieser unter anderem die Themenhefte der Zeitschriften Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 71 (2020), Heft 1-2 und geschichte für heute 13 (2020), Heft 2.
Martin Buchsteiner