Rezension über:

Michele Savonarola: A Mother's Manual for the Women of Ferrara. A Fifteenth-Century Guide to Pregnancy and Pediatrics (= The Other Voice in Early Modern Europe: The Toronto Series; 89), Chicago: University of Chicago Press 2022, XI + 254 S., 3 s/w-Abb., ISBN 978-1-64959-030-5, USD 54,95
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Rezension von:
Lara Schott-Storch de Gracia
Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Paul Blickle
Empfohlene Zitierweise:
Lara Schott-Storch de Gracia: Rezension von: Michele Savonarola: A Mother's Manual for the Women of Ferrara. A Fifteenth-Century Guide to Pregnancy and Pediatrics, Chicago: University of Chicago Press 2022, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 5 [15.05.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/05/37369.html


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Michele Savonarola: A Mother's Manual for the Women of Ferrara

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Als der paduanische Arzt Michele Savonarola (um 1385-1466) sein De regimine praegnantium et noviter natorum usque ad septennium (im vorliegenden Band als A Mother's Manual for the Women of Ferrara übersetzt) publizierte, traf er bewusst zwei außergewöhnliche Entscheidungen: Zum einen verfasste er die Schrift in der Volkssprache, also auf Italienisch, zum anderen wandte er sich gezielt an Frauen, Hebammen und interessierte Laien. Anders als vorherige Traktate in lateinischer Sprache, die darauf abzielten, von einem medizinisch spezialisierten, männlichen Fachpersonal - ergo von akademisch ausgebildeten Ärzten - rezipiert zu werden, widmete er das Buch in seinem Vorwort insbesondere den Frauen Ferraras. Dies stellte ein Novum in der spätmittelalterlichen Fachliteratur zur Frauenheilkunde dar.

Die vorliegende Edition offeriert nicht nur die erste Übersetzung des Mother's Manual ins Englische, die von Martin Marafioti beigesteuert wurde, sondern Gabriella Zuccolin vermittelt in der Einleitung zudem den historischen Kontext: So umfasst das einführende Kapitel Passagen über das Leben und Wirken Savonarolas, die Entstehungsgeschichte des Mother's Manual sowie die Geburtshilfe im Mittelalter. Michele Savonarola praktizierte als Arzt in Padua und Ferrara, bevor er eine Anstellung als Hofmedicus am Hofe Niccolòs III. d'Este erhielt. Er übernahm dabei nicht nur Aufgaben im medizinischen Bereich, sondern auch Verantwortung als politischer und ökonomischer Ratgeber des Fürsten, weshalb er als typischer Vertreter des aufkommenden, neuen Typus des Hofarztes gilt. Seine pädagogische Ausbildung, heilkundige Expertise, Erfahrung am Hof und nicht zuletzt der Einfluss humanistischer Grundsätze machten ihn zu einem geschätzten Arzt und versierten Autor, der eine intensive Schreibtätigkeit - insbesondere in seinen letzten Lebensjahren - verfolgte.

In diesem Kontext entstand das Mother's Manual um das Jahr 1460, in dem Savonarola mit den zeitgenössischen Konventionen brach, um einen handlungsorientierten Leitfaden über heilkundiges, pädagogisches und moralisches Wissen einem neuen Adressatenkreis zugänglich zu machen. Die Instruktionen sollten den ferraresischen Frauen und Hebammen helfen, eine möglichst komplikationslose Schwangerschaft und Entbindung zu erleben sowie eine verantwortungsvolle Pflege und Erziehung der Kinder zu gewährleisten. Allerdings verweist Zuccolin in diesem Kontext auch auf die niedrige Alphabetisierungsquote unter den zeitgenössischen Frauen, weshalb sie zurecht die Frage aufwirft, inwieweit das Mother's Manual tatsächlich von dieser Zielgruppe rezipiert werden konnte. Darüber hinaus verweist die Herausgeberin auf eine Maskulinisierung der Frauenheilkunde im Mittelalter: Durch verschiedene Prozesse - beispielsweise die Professionalisierung oder die Akademisierung der Geburtshilfe - erhielten Ärzte und Chirurgen verstärkt Zugang zu einer vormals weiblichen Domäne. Dies führte zu einer zunehmenden Differenzierung zwischen der Arbeit der Hebammen und jener der akademisch ausgebildeten Kollegen, die schließlich in einer männlichen Dominanz im Bereich der Frauenheilkunde kulminierte. Insofern konnten gemäß Zuccolin nicht nur die von der jeweiligen Obrigkeit erlassenen Ordnungen, sondern auch Traktate über die Frauenheilkunde seit dem 14. Jahrhundert ein Medium darstellen, das sich explizit an schwangere beziehungsweise gebärende Frauen sowie Hebammen richtete, um als Kontrollinstrument bezüglich des herangezogenen Wissens und der durchzuführenden (Körper-)Praktiken zu fungieren.

Daraufhin erläutert Zuccolin überblicksartig den Inhalt und Aufbau des Mother's Manual. Savonarola gliederte den Traktat in drei Teile: Zunächst thematisierte er die Sexualität und Empfängnis, wandte sich daraufhin der Schwangerschaft, Entbindung und dem Wochenbett zu, um abschließend auf die Erziehung sowie die körperliche und seelische Pflege von Kindern bis zum siebten Lebensjahr einzugehen.

Zuletzt geht die Herausgeberin auf den Einfluss der Schreibtätigkeit Savonarolas ein: So vermochte sein Wissen rund um die Empfängnis, Schwangerschaft, Entbindung und Pflege von Mutter und Kind die Publikationen späterer Autoren und Herausgeber - beispielsweise Eucharius Rösslins Der schwanngeren Frawen vnd Hebammen Rosegarten im 16. Jahrhundert - nachhaltig zu beeinflussen. Zuccolin hebt allerdings hervor, dass Savonarolas in lateinischer Sprache verfassten Werke, insbesondere die Practica maior [1], außerhalb Italiens stärker rezipiert wurden, weshalb sie sich als weitaus einflussreicher erwiesen haben.

Im zweiten Teil der Edition folgt die Übersetzung des Mother's Manual ins Englische, die von Martin Marafioti vorgenommen wurde und sich als überaus leserfreundlich erweist. Im Anmerkungsapparat steuert Gabriella Zuccolin kritische und ergänzende Hinweise bei, die den edierten Text bereichern. Somit soll dieses außergewöhnliche, weniger bekannte Werk Savonarolas einem erweiterten, nicht der italienischen Volkssprache des 15. Jahrhunderts kundigen und nicht in der Geburtshilfe und Pädagogik des Mittelalters spezialisierten Adressatenkreis zugänglich gemacht werden.

Abschließend seien Zuccolins und Marafiotis tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Quellenmaterial und ihre profunde thematische Expertise hervorgehoben. Das Ziel, mittels einer englischsprachigen Übersetzung zur breiteren Rezeption des Mother's Manual beizutragen, haben sie sicher erreicht. Mit dieser Edition, die durchaus als aufschlussreiche und kurzweilige Lektüre bezeichnet werden kann, wird Savonarolas Wirken und Werk umfassend Rechnung getragen.


Anmerkung:

[1] Die Practica maior oder Practica de aegritudinibus a capite usque ad pedes wurde von Savonarola zwischen 1440 und 1446 in Padua verfasst.

Lara Schott-Storch de Gracia