Rezension über:

Markus Friedrich / Holger Zaunstöck (eds.): Jesuit and Pietist Missions in the Eighteenth Century. Cross-Confessional Perspectives (= Hallesche Forschungen; Bd. 62), Wiesbaden: Harrassowitz 2022, 200 S., 14 Abb., ISBN 978-3-447-11788-3, EUR 46,00
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Rezension von:
Klaus Schatz
Philosophisch-Theologische Ordenshochschule Sankt Georgen
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Schatz: Rezension von: Markus Friedrich / Holger Zaunstöck (eds.): Jesuit and Pietist Missions in the Eighteenth Century. Cross-Confessional Perspectives, Wiesbaden: Harrassowitz 2022, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 12 [15.12.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/12/37210.html


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Markus Friedrich / Holger Zaunstöck (eds.): Jesuit and Pietist Missions in the Eighteenth Century

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Seit Beginn des 18. Jahrhunderts gibt es das konfessionelle Neben-, Gegen- und Miteinander von Katholiken und Protestanten nicht nur in Europa, sondern auch in den überseeischen Missionen. Lässt sich dort nur eine Übertragung europäischer Rivalitäten feststellen, oder veränderte Mission (sei es im kolonialen Kontext, sei es in dem nicht-christlicher Reiche) auch das Verhältnis der Konfessionen? Markus Friedrich bietet in seinem einleitenden Beitrag ("Catholics and Protestants Overseas: Confessionalism and Inter-Confessional Relations in a Global Perspective", 11-33) einen interessanten Überblick über die Faktoren der Veränderung, die, wie er an vielen Beispielen zeigt, gegebenenfalls zu einem entspannteren und irenischeren Verhältnis, aber auch zu verschärften Konflikten und gegenseitiger argwöhnischer Beobachtung führen konnten.

Im Einzelnen untersuchen die acht Beiträge des Sammelbandes das Verhältnis der Konfessionen zueinander anhand von zwei geografischen Räumen, innerhalb derer sich katholische und protestantische Missionen überlappten: im Osmanischen Reich und in Tranquebar an der südostindischen Koromandelküste, wo seit 1706 die lutherisch-pietistische Halle-Mission tätig war. Dabei zeigt sich, dass die Beziehungen viel differenzierter und komplexer waren, als es in der Vorstellung von feindlicher Rivalität zum Ausdruck kommt. Vielfach gab es Abhängigkeiten der protestantischen Missionen von ihren katholischen Vorläufern, eine ganze Menge Parallelen und persönliche Kontakte. Daniel Haas zeigt in seinem Aufsatz über das 1728 gegründete "Institutum Judaicum et Muhammedicum" des Hallenser Pietismus (53-75) das Doppelgesicht dieser Beziehungen: Bei Reisen durch die habsburgischen Territorien dominierten die Gefahren der Verfolgung, doch nahm man zugleich die vielfältigen Informationen als positiv wahr, die man in Rom über den Orient und die orientalischen Christen bekam, nicht zuletzt durch Druckerzeugnisse der Propaganda. Stefano Sarracino vergleicht die jesuitischen und pietistischen Missionsmethoden im Osmanischen Reich (77-103). Speziell in Sprachstudien, medizinischen Diensten, Loskauf christlicher Sklaven, Einsatz künstlerischer Mittel (bei den Hallensern freilich mehr Musik als Theater) identifiziert er seitens der Protestanten eine Nachahmung bei Konkurrenzsituation. Bei aller Ablehnung der dogmatischen Prinzipien waren diese doch beeindruckt und beeinflusst durch Methoden und Organisation ihrer jesuitischen Vorläufer (102). Und Simon Mills weist in seinem Beitrag über Callenberg, den Gründer des "Institutum Judaicum et Muhammedicum" (105-130) auf, dass dieser durchaus von katholischen Vorbildern abhängig war.

Der Wahrnehmung von Jesuiten einerseits, Mährischen Brüdern ("Herrnhutern") anderseits seitens der Halle-Pietisten in der Tranquebar-Mission während des Siebenjährigen Krieges 1756-63 widmet sich Thomas Ruhland (133-160). Einerseits hatte dieser Krieg, der ja in Indien als britisch-französischer Kolonialkrieg geführt wurde, auch konfessionelle Ressentiments geweckt. Aber das Feindbild der Hallenser Pietisten beschränkte sich nicht auf die Jesuiten, sondern erstreckte sich auch auf die Herrnhuter (150f). Bezeichnend ist jedoch, dass diese Gegensätze, die in den Primärquellen deutlich hervortreten, dann in den für das lesende Publikum bestimmten "Halle Reports" aus strategischen Gründen verwischt werden. Gabriele Bellinzona ("Between Jesuits and Other Roman Catholics. The Danish-English-Halle-Mission in India and its Roman Catholic Competitors", 161-174) zeigt auf, dass Konkurrenz und Rivalität sicher allgegenwärtig, aber eben nicht absolut waren. Vor Ort gab es vielfältige persönliche Kontakte und Austausch von Büchern (167-169), und zum Entsetzen des Hallenser Missionars Benjamin Schultze herrschte 1731 auf britischen Schiffen konfessionelle Offenheit gegenüber reisenden katholischen Missionaren (166). Hier möchte der Rezensent ergänzen, dass letzteres nach dem Zeugnis des hier sicher unverdächtigen Jesuitenmissionars Alexander de Rhodes schon 84 Jahre früher, 1647, der Fall war. Will Sweetman schließlich behandelt das interessante Thema der Einstellung zum Kastensystem in der Tranquebar-Mission (175-193). Die bisherige Annahme lautete, dass die Tranquebar-Mission zwar die religiösen Termini von den Katholiken übernommen habe, jedoch nicht die Kasten-Observanz. Der Verfasser zeigt, dass dies so nicht stimmt. Es gab separate Sitze für höhere und niedere Kasten in den Kirchen, ferner verschiedene Kelche beim Abendmahl. Nur 1721-25 unter Schultze, wohl dem einzigen radikalen Gegner der Kastenschranken, wurde dies vorübergehend abgeschafft, um nach ihm wieder eingeführt zu werden. Freilich gab es keine mit dem katholischen Ritenstreit vergleichbare Akkomodationsdiskussion.

Bis vor kurzem wurde Missionsgeschichte nur jeweils aus Sicht der eigenen Konfession geschrieben. Es ist zu begrüßen, dass hier eine Darstellung sowohl der konfessionellen Beziehungen wie des konfessionellen Vergleichs versucht wird. Dass dabei keine generalisierbaren Urteile herauskommen, sondern bloß Differenzierungen, ist nur von Vorteil. Bei der Verlängerung und Weiterführung dieser Methode in das 19. und 20. Jahrhundert hinein kann auch folgende Frage nicht ausgeklammert werden, die aber an die "ecumenical correctness" rührt: Stimmt es historisch, dass die konfessionelle Spaltung und damit die Konkurrenz der Konfessionen der Ausbreitung des Christentums insgesamt nur geschadet hat? Schließt man hier nicht allzu leicht von der theologischen Normativität auf die historische Kausalität (Was nicht sein dürfte, kann nur negative Folgen haben!)? Das jedoch ist von einer Kreuzestheologie her nicht einmal theologisch gerechtfertigt.

Klaus Schatz