Rezension über:

Christine Sauer (Hg.): Frauen machen Druck! Nürnbergs Buchdruckerinnen der Frühen Neuzeit, Nürnberg: Stadtbibliothek Nürnberg 2023, 88 S., ISBN 978-3-9818353-4-2, EUR 16,80
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Rezension von:
Saskia Limbach
Theologische Fakultät, Georg-August-Universität, Göttingen
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Saskia Limbach: Rezension von: Christine Sauer (Hg.): Frauen machen Druck! Nürnbergs Buchdruckerinnen der Frühen Neuzeit, Nürnberg: Stadtbibliothek Nürnberg 2023, in: sehepunkte 24 (2024), Nr. 3 [15.03.2024], URL: https://www.sehepunkte.de
/2024/03/38583.html


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Christine Sauer (Hg.): Frauen machen Druck!

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In der internationalen Forschung zum frühneuzeitlichen Buchgewerbe stehen seit einigen Jahren vermehrt die Aktivitäten von Töchtern, Ehefrauen und Witwen der Drucker im Vordergrund. Dabei zeigt sich, dass das Bücherproduzieren nicht ein typisch männlich definierter Beruf, sondern vielmehr ein kollaboratives Unterfangen war: Druckereien waren Familienunternehmen, in denen weibliche Familienmitglieder für ganz unterschiedliche Aufgaben eingebunden wurden. Die fünf Töchter des wohl bekanntesten Antwerpener Druckers, Christoph Plantin, wurden zum Beispiel ab dem Alter von 12 Jahren zum Korrekturlesen eingesetzt - interessanterweise auch für die Polyglottenbibel, die neben Latein auch Griechisch, Hebräisch, Chaldäisch und Syrisch enthielt. [1]

Der vorliegende Band richtet den Blick auf Nürnberg, eines der wichtigsten Druckzentren im Alten Reich. Der Band verdeutlicht, dass der Fokus auf Buchdruckerinnen sowohl für die Frauen- und Geschlechtergeschichte als auch für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte interessante Anknüpfungspunkte bietet. Denn für kein frühneuzeitliches Gewerbe sind die Erzeugnisse so zahlreich überliefert wie für das Druckgewerbe und zudem noch in umfangreichen Bibliographien (VD16, VD17, VD18) verzeichnet.

Dadurch kann zum Beispiel die Entwicklung weiblich und männlich geführter Buchdruckereien dezidiert nachgezeichnet werden, sei es im Hinblick auf Programmschwerpunkte oder auf Strategien zum Schutz vor Konkurrenz (z.B. durch Privilegien). Zusätzlich lassen sich die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie das Eingreifen der Obrigkeit in die wirtschaftliche Entwicklung des Gewerbes verfolgen.

Der Band umfasst drei Textteile: Britta Juliane Kruse gibt einen kurzen Überblick über Witwen in Nürnberg, in dem sie u.a. auf ihren gesellschaftlichen Stand eingeht (7-10). Danach folgt ein längerer Beitrag von Christine Sauer über Buchdruckerinnen (11-30). Darin stellt sie die insgesamt 12 Druckerinnen aus Nürnberg vor, sowie 2 Druckerinnen, die in Altdorf für die dortige Universität druckten. Für alle 14 Druckerinnen werden sowohl die biographischen Daten angegeben als auch Informationen zu ihren Tätigkeiten und zur generellen Entwicklung der Offizin. Zuletzt nimmt Susan Jackson die beiden Buchdruckerinnen Katharina Gerlach und ihre Tochter Katharina Dietrich in den Blick, die beide über einen längeren Zeitraum äußerst aktiv waren.

Im anschließenden Katalogteil wird auf ca. 40 Seiten der Quellenreichtum Nürnbergs zur Schau gestellt: Es werden Exponate aus verschiedenen Archiven und Bibliotheken gut lesbar abgebildet. Neben Titelseiten der Drucke werden auch Impressi, Einbände, Kupferstiche, Rechnungsbelege sowie seltene Einblattdrucke, wie z.B. die Einladung zur Trauerfeier der Druckerin Kunigunde Scherff, eine Schriftprobe der Offizin Gerlach sowie ein Verlegerplakat (mit über 100 Titeln!) gezeigt. Abgerundet wird der Band mit einem Abkürzungs- und Literaturverzeichnis sowie einem Register.

Hervorzuheben ist bei den Nürnberger Quellen das "Ämterbüchlein", in dem jährlich (fast) alle Personen, die im Buchgewerbe arbeiteten, verzeichnet wurden (32). Es zeigt wiederholt, dass Buchdruckerinnen schon als Ehefrauen aktiv in das Geschäft involviert waren: Kunigunde Hergot druckte insgesamt 10 Jahre an der Seite ihres Ehemannes Georg Wachter (13); Katharina Dietrich wurde ebenfalls für 10 Jahre im Ämterbüchlein als Druckerin geführt, während ihr Ehemann "nur" als Buchhändler eingetragen war (63).

Als Witwen führten sie nicht nur die Produktion fort, sondern gestalteten auch nicht selten das Programm um: Kunigunde Hergot trug beispielsweise dazu bei, dass Nürnberg sich als Zentrum für Lieddrucke etablieren konnte (14).

Zusätzlich zeigen die Nürnberger Quellen deutlich, dass die Obrigkeit eine interessante Doppelrolle einnahm: Zum einen übersah der Stadtrat das Gewerbe und ließ u.a. juristisch prüfen, ob Kunigunde Endter als Witwe überhaupt eine Druckerei leiten dürfe (19). Dabei werden allerdings auch die Grenzen der Macht des Stadtrates offensichtlich. Kunigunde Endter wurde zwar wiederholt ermahnt, keine katholischen Bücher zu drucken, doch sie pflegte gute Kontakte zum kaiserlichen Hof und ließ ihre Bücher durch Privilegien schützen, sodass ihr der Stadtrat nur bedingt Vorschriften machen konnte (19-20).

Zum anderen nahm der Nürnberger Stadtrat auch die Rolle eines wichtigen Auftraggebers ein, der Druckerinnen gezielt förderte. Katharina Gerlach produzierte beispielsweise ab den 1580er Jahren zahlreiche Mandate für die Obrigkeit und fertigte dafür eigenhändig Rechnungsbelege an (51). Solche Aufträge waren äußerst prestigereich und zeigen, dass Gerlach das uneingeschränkte Vertrauen des Rates genoss.

Auch auf das Schweigen der Quellen bzw. auf ihre Schwierigkeiten weist der Band hin. Obwohl die katholischen Bücher Kunigunde Endters mehrfach in den Ratsverlässen thematisiert wurden, lässt sich bisher kein einziger Druck für ihre Offizin nachweisen, da Endter ohne Erscheinungsvermerk produzierte (20). Bedenkt man dabei, dass im VD17 über 43.000 Drucke ohne Erscheinungsvermerk verzeichnet sind, lässt sich erahnen, dass es eine hohe Dunkelziffer von Büchern aus Offizinen wie der Endters geben muss. [2] Gerade im Hinblick auf religiöse Werke werden Druckerinnen - um der Zensur zu entgehen - ihre Namen nicht in ihren Publikationen vermerkt haben.

Auch bei Katharina Dietrich offenbaren sich die Schwierigkeiten mit den Quellen: Während sie in den Ämterbüchlein wiederholt als Buchdruckerin genannt wird, zeigen die Impressi der Bücher in den ersten drei Jahren durchgängig nur den Namen ihres Mannes, selbst als dieser 1596 gar nicht in Nürnberg weilte (63). Wenn nur die Impressi in Betracht gezogen worden wären, wären Dietrichs Aktivitäten also nicht sichtbar gewesen.

Fraglich ist jedoch die Feststellung, dass Buchdruckerinnen "mit Sicherheit" nicht die Tätigkeiten von Korrektoren übernahmen (24). Aus dem eingangs angeführten Beispiel aus Antwerpen wird deutlich, dass solche Tätigkeiten durchaus von Frauen ausgeführt werden konnten. Selbst wenn fundierte Sprachkenntnisse fehlten, brauchte ein Korrekturleser nur die Zeichen des Manuskripts mit dem der Druckfahne abzugleichen. Es ist somit durchaus denkbar, dass Buchdruckerinnen in Nürnberg diese Tätigkeiten ausführen konnten, auch wenn die Quellen hierzu schweigen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Band anschaulich zeigt, wie sehr Frauen in das Nürnberger Buchgewerbe eingebunden waren: Sie übernahmen ein breites Aufgabenspektrum bis hin zur Geschäftsleitung. Sie konnten dabei vielfach selbständig agieren, u.a. weil sie das Vertrauen von Obrigkeiten genossen, die ihnen Privilegien bzw. wichtige Aufträge zusprachen.

Der Band trägt die vielen Informationen kompakt zusammen und birgt interessante Einblicke sowohl für ein breites Publikum als auch für ein Fachpublikum. Nebenbei erfährt man zum Beispiel etwas über die offensichtlich hohe Lesefähigkeit in Nürnberg, da der Stadtrat ein wichtiges Mandat für jeden Haushalt drucken ließ (insgesamt 6.000 Exemplare, 51).

Das ansprechende Design (sowohl visuell als auch haptisch) sowie der attraktive Preis tragen dazu bei, dass der Band sicherlich eine große Leserschaft finden wird.


Anmerkungen:

[1] Leon Voet: The Golden Compasses. The History of the House of Plantin-Moretus. Amsterdam u.a. 1969-1972, 143-144.

[2] Diese Zahl ergibt sich aus zwei Suchanfragen im VD17: A) Veröffentlichungsort: "s.l." B) Veröffentlichungsort: "Erscheinungsort/nicht ermittelbar". Ich danke Evelyn Hanisch von der Staatsbibliothek zu Berlin für diesen Hinweis.

Saskia Limbach