Rezension über:

Mark Lehmstedt (Hg.): Geschichte des deutschen Buchwesens (= Digitale Bibliothek; Bd. 26), Berlin: Directmedia Publishing 2000, CD-ROM, Systemvoraussetzungen: PC ab 486; 8 MB RAM (16 empfohlen), Grafikkarte ab 640x480, 256 Farben; MS Windows (3.11, 95, 98 oder NT), ISBN 978-3-932544-40-8, EUR 76,18
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Rezension von:
Béatrice M. Hermanns
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Gudrun Gersmann
Empfohlene Zitierweise:
Béatrice M. Hermanns: Rezension von: Mark Lehmstedt (Hg.): Geschichte des deutschen Buchwesens, Berlin: Directmedia Publishing 2000, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 2 [15.02.2002], URL: https://www.sehepunkte.de
/2002/02/3560.html


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Mark Lehmstedt (Hg.): Geschichte des deutschen Buchwesens

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Gleich zwei feierliche Ereignisse waren für den Berliner Directmedia-Media Verlag im Jahre 2000 Anlass genug, eine elektronische Version der Geschichte des Deutschen Buchwesens herauszubringen: Der sechshundertste Geburtstag Johannes Gutenbergs einerseits, und das 175-jährige Jubiläum des Deutschen Börsenvereins andererseits. Mit der CD-ROM "Geschichte des deutschen Buchwesens" knüpft das Verlagshaus an eine Reihe bereits erfolgreich vertriebener CD-ROM-Produktionen an, die ein breites historisches, kunst- und literaturwissenschaftliches Spektrum - von den "5555 Meisterwerken" bis zum "Lexikon der Renaissance" - abdecken. Zugleich schließt sich ein Kreis: 125 Jahre vor dem Erscheinen dieser CD-ROM, zum 50. Gründungstag also des Börsenvereins, hatte der Verleger Eduard Brockhaus den Vorstand des Börsenvereins seinerzeit aufgefordert, eine große Geschichte des deutschen Buchhandels schreiben zu lassen. Damit war der Grundstein für den so genannten "Kapp/Goldfriedrich" gelegt, eine von Friedrich Kapp und Johann Goldfriedrich verfasste, bis heute unersetzliche Monografie zur "Geschichte des deutschen Buchhandels", die nun auch auf besagter CD-ROM zu finden ist.

Eine Geschichte des Buches und Buchhandels ausgerechnet auf einer CD-ROM? Für den einen oder anderen Leser mag der Gedanke, die Geschichte des gedruckten Buches ausgerechnet in digitaler Form aufzubereiten, gewöhnungsbedürftig sein: Werden die elektronischen Medien nicht häufig immer noch als Konkurrenz zu den traditionellen Medien betrachtet? Werden sie von radikalen Kulturkritikern nicht als nachgerade apokalyptische Bedrohung einer über die Jahrhunderte gewachsenen Kultur perhorresziert? Solche Befürchtungen muss jedoch niemand hegen. Denn mit der Nummer 26 der "Digitalen Bibliothek" ist dem Herausgeber Mark Lehmstedt, um das Urteil gleich vorweg zu nehmen, ein kleines Kabinettstückchen gelungen.

Erwarten sollte man allerdings keine "neu geschriebene" - oder gar hypertextuell aufbereitete - Darstellung: Neben einer fundierten Einführung Lehmstedts, eines international anerkannten Buchhistorikers, liefert die CD-ROM zunächst "nur" digitale Reprints von Standardwerken zumeist älteren Datums, die mittlerweile selbst in manchen Bibliotheken kaum noch zugänglich sind. Vier maßgebliche Studien zum Thema bilden den "Kern" der CD-ROM: Erstens der schon genannte mehrbändige, zwischen 1886 und 1913 entstandene "Kapp/Goldfriedrich", zweitens Friedrich Schulzes Abhandlung über den "Deutschen Buchhandel und die geistigen Strömungen der letzten hundert Jahre" aus dem Jahre 1925, drittens das im frühen 20. Jahrhundert von Rudolf Schmidt veröffentlichte "Lexikon deutscher Buchhändler und Buchdrucker" und viertens schließlich Reinhard Wittmanns "Geschichte des deutschen Buchhandels", deren zweite Auflage 1999 ursprünglich beim Münchener Beck Verlag erschienen war. Abgerundet wird all das durch ein vom Herausgeber zusammengestelltes, chronologisch aufgebautes Bilderarchiv, das über 1500 Abbildungen unter anderem aus den Beständen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums in Leipzig und des Börsenvereinsarchivs in Frankfurt am Main umfasst, - eine einzigartige Quellensammlung für jeden Buchhistoriker und -liebhaber! Fotos von Buchverlegern figurieren in Lehmstedts Bildergalerie ebenso wie Karikaturen, Titelblätter, Karikaturen oder Aufnahmen von Frühdrucken und Flugschriften.

In erster Linie führt die CD-ROM mithin zwar lediglich zusammen, was bereits in gedruckter Form vorliegt. Doch hat der Leser tatsächlich weit 'mehr' von ihr als von einer 'klassischen' Monografie: So subjektiv die Selektion auf der CD-ROM wirken mag, so bietet sie einen ebenso informativen wie wissenschaftshistorisch spannenden Überblick über die Entwicklung der Buchforschung im deutschen Sprachraum von ihrem tastenden Beginn im späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein. Sozialgeschichtliche und rezeptionsästhetische Fragestellungen, wie sie seit den 1960er-Jahren im Umfeld der englischen, französischen und amerikanischen Buchhistoriker im Zusammenhang mit Begriffen wie Buchkonsum oder Lesepraxis entwickelt worden sind, fehlen naturgemäß in den frühen Studien Kapp/ Goldfriedrichs oder Schulzes, sie werden dafür aber um so intensiver in Wittmanns monumentaler Abhandlung aufgegriffen, die ungeachtet aller notwendigen Kompaktheit auf knapp 500 Seiten den aktuellen Forschungsstand resümiert.

Vom historiographischen Streifzug einmal ganz abgesehen, profitiert der Leser vor allem von den technischen Möglichkeiten der CD-ROM: So können einzelne Begriffe und Stichworte über das gesamte Text- und Bildcorpus hinweg recherchiert werden. Im Idealfall bringt die Eingabe etwa eines Verlegernamens eine Fülle von Informationen auf den Monitor, angefangen bei einer Auflistung sämtlicher einschlägiger Zitate aus den genannten Quellenwerken bis hin zum Porträt der betreffenden Person im Bildarchiv. Auch spart sich, wer gezielt die eine oder andere Fussnote nachsehen will, das umständliche Vor- und Zurückblättern, da die komfortable Verlinkung den raschen Zugriff auf die gewünschten Anmerkungen gestattet. Schließlich sei noch die Bearbeitungsfunktion des Bildmaterials erwähnt, mit deren Hilfe das Anschauungsmaterial etwa für die Verwendung im Unterricht ausgedruckt, bearbeitet und gegebenenfalls vergrößert werden kann. Von kleineren Schwächen wie der etwas komplizierten Benutzung der "Hilfe-Funktion" einmal abgesehen, zeichnet sich die CD-ROM insgesamt durch eine gute und übersichtliche Nutzerführung aus, die das Recherchieren zu einem Vergnügen macht.

Auch wenn es dem den einen oder anderen Leser gelegentlich zu anstrengend sein mag, lange Textpassagen am Bildschirm zu lesen, so bleibt am Ende nur ein Fazit übrig: Mit der "Geschichte des deutschen Buchwesens" hat Directmedia eine verdienstvolle CD-ROM geschaffen, die nicht nur den Spezialisten, sondern einem breiten Publikum zugute kommen wird.

Béatrice M. Hermanns