Helmut Maurer / Hansmartin Schwarzmaier / Thomas Zotz (Hgg.): Schwaben und Italien im Hochmittelalter (= Vorträge und Forschungen; Bd. 52), Ostfildern: Thorbecke 2001, 328 S., 12 Abb., ISBN 978-3-7995-6652-0, EUR 42,44
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Der Band vereinigt neun thematische Vorträge, die im Jahre 1997 auf der Herbsttagung des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte gehalten worden sind. Eingerahmt werden die durch ein Personen- und Ortsregister erschlossenen Beiträge durch eine Einführung von Hansmartin Schwarzmaier und eine kritische Zusammenfassung von Hagen Keller, die geeignet ist, einem Rezensenten so manche dienliche Vorlage zu geben.
Keller ist sich mit Passagen der Einführung (5) einig, dass bei der Tagung "im Mittelpunkt eigentlich Schwaben" stand und es vor allem um die 'Wege' vom Norden in den Süden ging. Er schließt daran die berechtigte Frage: "Haben wir mit einer solchen Nord-Süd-Blickrichtung das Verhältnis Schwabens zu Italien wirklich adäquat erfasst, vom Verhältnis Italiens zu Schwaben einmal ganz zu schweigen?" (295 f.).
Die Herausgeber reagierten offenbar auf Kellers Kritik mit der willkommenen Zugabe eines Aufsatzes von Wolfgang Huschner, der die übliche Nord-Süd-Blickrichtung einmal umdreht und für das 11. Jahrhundert die interessante Frage nach der Rolle von Bischöfen und Klerikern südalpiner Provenienz im nordalpinen Reich stellt. Die umgekehrte Perspektive der meisten anderen Beiträge mag auch daher resultieren, dass nur ein einziger italienischer Forscher zu Wort kommt, was bei einem Thema, das einen historischen Raum zu Italien in Relation setzt, sehr bedauerlich ist. Giuseppe Sergi beschreibt "un processo di omogeneizzazione di clima istituzionale e sociale a nord, a sud e a ovest delle Alpi" (44), der im Moment der Vereinigung der beiden dies- und jenseits der Alpen gelegenen regna mit Burgund unter Konrad II. aufscheine.
Am Ende seiner Zusammenfassung geht Keller noch auf Perspektivwechsel anderer Art ein, nämlich die der Forschung; er konstatiert ein wenig resigniert: "In manchen Vorträgen habe ich stärker den Rekurs auf schon damals [die Zeit der Anfänge des Arbeitskreises vor 40 Jahren] Diskutiertes herausgehört, ohne die neue Sicht klar davon abheben zu können" (310).
Die Forschung hat sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wiederholt und mit unterschiedlichen Methoden den Beziehungen der beiden Alpennachbarn zugewandt. Um nur einige Beispiele zu nennen: Bereits 1960 suchte Eduard Hlawitschka den Franken, Alemannen, Bayern und Burgundern für die karolingische und frühe Ottonenzeit in Oberitalien personengeschichtlich auf die Spur zu kommen. Ein 1987 von Helmut Beumann und Werner Schröder herausgegebener Nationes-Band fragte nach den transalpinen Verbindungen der Bayern, Alemannen und Franken bis zum 10. Jahrhundert, wobei Pankraz Fried Alemannien und Italien näher betrachtete. Die Freiburger Dissertation von Uwe Ludwig von 1990 bediente sich der prosopographischen Methode, um transalpinen Beziehungen der Karolingerzeit im Spiegel der Gedenküberlieferung nachzugehen. Einen weiteren Raum fasste der 1995 von Siegfried de Rachewiltz und Josef Riedmann herausgegebene und zwei Jahre später auch in italienischer Sprache erschienene Sammelband "Kommunikation und Mobilität im Mittelalter" ins Auge, dem es um Begegnungen zwischen dem Süden und der Mitte Europas vom 11. bis zum 14. Jahrhundert ging.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes können selbstredend nicht alle in gewünschter Ausführlichkeit besprochen werden. Peter Kurmann übernahm den kunstgeschichtlichen Part und formuliert gleich anfangs für die Baukunst des 11. Jahrhunderts ein Negativergebnis, wonach "direkte formale Übernahmen zwischen Italien und Schwaben weder in der einen noch in der anderen Richtung nachzuweisen sind" (10). Das sah man in der Forschung nicht immer so. Kurmann setzt sich mit einer These Edgar Lehmanns aus dem Jahre 1940 auseinander, nach der "die Spaltung, welche anlässlich des Investiturstreits der Gegensatz zwischen Kaiser und Papst mit sich gebracht habe, sich auch in der deutschen Sakralbaukunst" widerspiegele (15), und zwar manifestiert in den Polen Speyer (innovativer Kaiserdom) und Hirsau (Treue zum Papsttum durch Imitation des Typus einer nach frühchristlicher Art konzipierten Säulenbasilika). Kurmann kann zeigen, dass sich Hirsau weder an der frühchristlichen noch an der zeitgenössischen Säulenbasilika Italiens orientierte, sondern vielmehr an großen südwestdeutschen Bischofs- und Abteikirchen.
Alfons Zettler greift auf die Herrschaftszeit Karls III. zurück, dem es in der späten Karolingerzeit, ausgehend von seinem Dukat in Alemannien, noch einmal gelungen war, fast das ganze Frankenreich zusammenzuführen (25). Es gelingt Zettler nachzuweisen, dass das regnum Italiae in Karls Herrschaft ein größeres Gewicht einnahm, als die Forschung bisher annahm (40). Die Frage nach dem "'Zusammenhang des Raumes beidseits der Alpen in karolingischer Zeit'" stellt er allerdings erst im letzten Absatz seiner Ausführungen (42).
Für das 10. und 11. Jahrhundert prüft Heinz Thomas zahlreiche schwäbische und oberitalienische Quellen auf Stellen, wo die "Wahrnehmung der 'Anderen'" bemerkbar sein könnte (53). Er geht aus von dem Phänomen der unterschiedlichen Eigen- (regnum Teutonicum) und Fremdbezeichnung (Alemannia/Germania/Suevia) für den historischen Raum Deutschland (53-75), um dann am Ende nach den raren Belegen für Begegnungen von Schwaben mit Italienern und für gegenseitige Ressentiments zu suchen (75-81).
Thomas Zotz zeichnet die Aktivitäten ottonischer Schwabenherzöge in Oberitalien akribisch nach, wobei er sich auch für den Königssohn Liudolf bemüht, "die wenigen verfügbaren und schon oft strapazierten Quellen noch einmal neu zu befragen, damit vielleicht dem Bild dieses Schwabenherzogs die eine oder andere Farbe hinzugefügt werden kann" (95).
Wolfgang Huschner gibt eine Blütenlese aus seiner Habilitationsschrift und geht der spannenden Frage nach, "wie es König Heinrich III. trotz der von der Forschung konstatierten sehr geringen Herrscherpräsenz auf der Apenninenhalbinsel gelingen konnte, die Kommunikation mit den südalpinen Großen aufrechtzuerhalten und seine Herrscheraufgaben so zu erfüllen, dass das südalpine Reich funktionstüchtig und zugleich ein integrierter Bestandteil des Imperiums blieb" (111). Die Antwort ist bestechend: Heinrich ließ italienische Herrschaftsträger vermehrt zu seinen Hoftagen ins nordalpine Reich kommen (119). Gleichzeitig gewannen alpennahe Regionen eine besondere Bedeutung "für die Regierung Italiens und die direkte Kommunikation zwischen dem Herrscher und den südalpinen Großen" (121). Dass diese Kommunikation funktioniert haben muss, belegt gerade "das Zustandekommen dieser Versammlungen mit mehreren oder vielen Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen aus dem südalpinen Reich" (122 f.). Huschners Fazit überzeugt: "Die erforderlichen Verbindungen zwischen dem Herrscher und geistlichen Großen aus Oberitalien und aus Tuszien konnten demnach auch vom nordalpinen Reich aus aufrechterhalten werden." (123)
In die umgekehrte Richtung schaut Hansmartin Schwarzmaier, der "Wege des schwäbischen Adels nach Italien im 12. Jahrhundert" nachzeichnet (151), aber mit spärlicher Überlieferung auskommen muss (167). Gleichwohl sieht er für die Barbarossazeit "die Umsetzung der adeligen Italienexperten in eine in Italien tätige Beamtenschicht, die dort die Interessen des Reichs wahrnahm" fortgesetzt, wobei "auch in dieser Funktion die Schwaben führend werden" sollten. Da die Ankömmlinge allerdings nicht mehr wie noch im 11. Jahrhundert "in die dortige Gesellschaftsschicht Eingang" fanden, kam es alsbald zur Entfremdung (172).
Knut Schulz untersucht für die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts die Verwaltungstätigkeit der Ministerialität in Reichsitalien und kann einen Wandel nachweisen weg von einer bis 1162 "noch ganz überwiegend vom Adel fürstlicher, gräflicher und edelfreier Herkunft einschließlich des geistlichen Standes" dominierten Herrschaftsträgerschicht hin zu einer seit 1177 "klar dominierenden Ministerialität". Auf die Frage nach der Herkunft der Ministerialen allerdings antwortet er mit entwaffnender Offenheit: "Schwaben, um das Stichwort der Tagung aufzugreifen, zeichnet sich in dieser Hinsicht erst einmal nicht besonders aus" (182 f.).
Es folgen noch ein Beitrag von Lothar Deplazes über bäuerliches Notariat vom 13. bis 15. Jahrhundert und einer von Fritz Glauser über Verkehr und Handel zwischen Schwaben und Italien vom 10. bis 13. Jahrhundert.
Der vorliegende Sammelband füllt vor allem mit seinen sozialgeschichtlichen Beiträgen aus dem Hochmittelalter eine Lücke der Forschung, die sich neben der von der Verfassungsgeschichte immer wieder traktierten so genannten Italienpolitik der Ottonen, Salier und Staufer eher früheren oder späteren Zeiten zuwandte, wenn sie die vielfältigen und für beide Seiten so grundlegenden Beziehungen zwischen Italien und Deutschland ins Visier nahm.
Uwe Israel