Erhard Chvojka / Andreas Schwarcz / Klaus Thien (Hgg.): Zeit und Geschichte. Kulturgeschichtliche Perspektiven (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; Bd. 36), München: Oldenbourg 2002, 276 S., 10 Abb., ISBN 978-3-486-56539-3, EUR 39,80
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Bei der Frage, was die Geschichte mit der Zeit zu tun habe, geht es den meisten Historikerinnen und Historikern wohl so wie Augustinus in seiner berühmten Confessiones-Passage über die Zeit: "Wenn mich niemand danach fragt, dann weiß ich es; soll ich es aber einem Frager klarmachen, dann weiß ich es nicht." Über Jahrzehnte beschäftigte sich die Geschichtswissenschaft eher selten mit der Zeit. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert: Zum einen wurden Zeiterfahrungen und Zeitvorstellungen als Themenbereiche in allen Kulturwissenschaften entdeckt. Kalenderreformen, Messtechnologien, die Durchsetzung der Zeit als Maßstab zur Beurteilung von Arbeitsleistungen spielten hierbei eine wichtige Rolle. Zum anderen wurden geschichtstheoretisch-systematische Überlegungen zum Verhältnis von Zeit und Geschichte angestellt. So analysierte Jörn Rüsen den Zusammenhang von Zeit und Sinn und handelte dabei grundsätzliche Aspekte des modernen wissenschaftlichen Geschichtsverständnisses ab. Reinhart Koselleck bestimmte das moderne Geschichtsdenken selbst als Aspekt eines bestimmten, historisch verortbaren Zeitverständnisses und wies damit den Weg zu einer Theorie historischer Zeiten. Die Zeit ist also ein komplexes Thema, zumal für die Geschichtswissenschaften.
Der im Folgenden zu besprechende Sammelband, entstanden auf der Basis einer 1999 an der Universität Wien veranstalteten Ringvorlesung, greift einige zentrale Aspekte der Beziehung von Zeit und Geschichte auf. Die Herausgeber propagieren in der Einleitung einen kulturgeschichtlichen Zugriff, der darauf abhebt, dass die Zeit eine "Universalkategorie menschlicher Kultur" sei, die vielfältigen Wandlungsprozessen und kulturellen Überformungen unterliege. Zeit hat mit anderen Worten nicht immer dieselbe Bedeutung; ihre Bedeutung wird kulturell festgelegt und variiert raum-, schicht- und epochenspezifisch: "Die zeitliche Gestaltung des Alltags, der Lebenszeit des Individuums, aber auch längerfristige Abläufe erfahren jeweils eine spezifische Gliederung und Symbolik" (7).
Der Band ist in einem etwas verwirrenden Nebeneinander von systematischen und chronologischen Einzelsektionen in fünf Themenbereiche gegliedert. Zunächst werden in vier Aufsätzen die Grundlagen des Zeitverständnisses besprochen, bevor sich drei Abhandlungen mit der "Zeit in der Antike" beschäftigen. Es folgen fünf jeweils kurz gehaltene Aufsätze über die "Zeit in verschiedenen Kulturen"; anschließend, das Mittelalter überspringend, gelangt man zum Zeitverständnis der Frühen Neuzeit, mit welchem sich drei Autoren auseinandersetzen. Am Ende steht ein vier Abhandlungen umfassender Block zur Thematik "Arbeitszeit und Freizeit", also zu einem Teilaspekt des modernen Zeitverständnisses. Der Anspruch, den die Herausgeber erheben, ist hoch: So habe man sich nicht auf Fallbeispiele beschränkt, sondern einen interdisziplinären Zugang gewählt, durch den das gesamte Gebiet zeitlich wie systematisch "möglichst umfassend präsentiert" werde (7).
Den ersten Themenblock eröffnen einige "Anmerkungen über die Zeit" des Mediävisten Karl Brunner. Brunner betont in seinem essayistisch gehaltenen Beitrag die Konstruktivität historiographisch-chronologischer Zeitvorstellungen und verweist auf die Vielfalt möglicher Zeiterfahrungen und -vorstellungen: Den Zyklus des erlebten Jahreskreises, die Lebenszeit mit Geburt und Tod, die abstrakte Zeit der Uhr und so weiter. Die Geschichtsschreibung beziehe sich, so Brunners Kritik, immer noch auf lineare Zeitkonzeptionen, die in anderen Wissenschaften, wie beispielsweise der Physik, schon seit langem überwunden worden seien. Im historiographischen Akt der Vergegenwärtigung manifestieren sich nach der Überzeugung des Autors bis heute Praktiken, die auf Ordnung und Gerichtetheit in der Geschichte zielen und dabei konsequent zwischen Siegern und Verlierern unterscheiden. Brunner selbst plädiert am Ende seines Beitrags für eine Pluralisierung des Zeitbegriffs, ohne allerdings hierzu systematische Überlegungen anzustellen oder methodisch-theoretische Konsequenzen anzudeuten.
Mythos, Geschichte und Heilsgeschehen sind die drei Erzählweisen der Zeit, die Wolfgang Müller-Funk in seinem Aufsatz "Zeit und Erwartung. Die Heilsgeschichte: eine Meistererzählung des Abendlandes" anschließend thematisiert. In Abgrenzung zu jenen Lehrmeinungen, die den Gegensatz von Mythos und Geschichte betonen, arbeitet Müller-Funk mit Blick auf die "Entstehung" der Zeit aus einem Anfang den engen Zusammenhang beider heraus. Als paradigmatische Figur dieses Zusammenhangs beschreibt Müller-Funk die christliche Heilsgeschichte. In einem weiten Bogen von den Ursprüngen des heilsgeschichtlichen Denkens in Ägypten bis zu dessen Folgen im 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Konzentrationslager und des Gulags, führt der Autor den Gedanken aus. Dieser Bogen erscheint nun allerdings an manchen Stellen überspannt. So ist es kaum instruktiv, die Texte so unterschiedlicher Autoren wie Löwith, Voegelin, Scholem und Benjamin zu den christlich-jüdischen Grundlagen abendländischen Denkens auf wenigen Seiten zu synthetisieren. Auch die abschließende Tour d'Horizon vom Dritten Reich der Nazis über Joachim von Fiore zu Marshall McLuhan bleibt auf einer assoziativen, die erkenntnistheoretischen Dimensionen eines kulturgeschichtlichen Zeitverständnisses vernachlässigenden Ebene.
Der Geschichte der "Gleichzeitigkeit" beziehungsweise der unvermeidlichen "Ungleichzeitigkeiten" gilt das Interesse von Wolfgang Pilcher. Im Mittelpunkt seines wissenschaftsgeschichtlichen Artikels stehen die Technologien der Zeitmessung, die eine Teilung der Zeit in gleiche Abschnitte zum Ziel hatten. Den modernen "Ökonomismus der Zeitmessung" (46) betrachtet Pilcher als Ergebnis einer Mechanisierung der Zeiteinteilung, die mit einem Verschwinden subjektiver Zeiterfahrung einhergeht. Besonders das Experiment als eine "durch Theorie geleitete Beobachtung erzeugter Tatsachen" habe dazu beigetragen, dass Zeit mechanisch "hergestellt" wurde. Pilcher schildert im einzelnen den Fortschritt der Zeitmessung im 19. Jahrhundert und dessen Wirkung auf die Wissenschaft, insbesondere die Physiologie, die im 19. Jahrhundert als "Königswissenschaft" galt. Am Beispiel der Forschungen von Hermann Helmholtz zur Zeitlichkeit des Zusammenspiels von Nerven und Muskeln sowie seines Schülers Wilhelm Wundt, der das Verhältnis von Denken und Zeit zum Gegenstand erhob, zeigt Pilcher die anthropologischen Implikationen der neuen Messtechnologien.
Im zweiten Themenblock, der die "Zeit in der Antike" behandelt, erhält der Leser anhand dreier, in ihrer zeitlichen und inhaltlichen Fokussierung sehr unterschiedlicher Aufsätze Einblick in theoretische, wahrnehmungsgeschichtliche und politisch-soziale Dimensionen des antiken Zeitverständnisses. Zunächst behandelt Armin Jähne die "Zeitwahrnehmung im frühen Griechenland" anhand der philosophischen Theorien und Texte von den Vorsokratikern über Homer bis zu Thukydides. Jähne zeigt, dass sich zyklisches und lineares Zeitverständnis im frühen und klassischen Griechenland nicht ausschlossen, sondern entlang unterschiedlicher Wissens- und Gesellschaftsbereiche ausdifferenzierten und ergänzten.
Unter einem ganz anderen Blickwinkel, nämlich dem der politischen Konstruktivität von Zeit, thematisiert anschließend Egon Flaig die Zeiterfahrung in der römischen Geschichte. Unter der Überschrift "Die umkämpfte Zeit" beschreibt er die Zeit als Ressource, von deren Gebrauch soziale und politische Erfolge abhingen. Überzeugend wird diese These anhand der "pompa funebris" - einem adeligen Erinnerungsritual zur Zeit der mittleren und späten Republik - mithilfe eines kultursemiotischen Zugriffs verifiziert. Der römische Adel konkurrierte um politische Positionen in einem Feld, auf dem Zeit sowohl eine biografische wie eine generationenübergreifende familiäre Währung darstellte, die entsprechend rituell zur Schau gestellt wurde.
Augustinus als einer der bedeutendsten und wirkungsmächtigsten christlichen Autoren steht im letzten Aufsatz des zweiten Themenblocks im Zentrum des Interesses. In Abgrenzung zur traditionellen Ideengeschichte versucht der Autor Richard Corradini, die augustinische Zeittheorie als "epistemologische Variable" zu beschreiben, die die am Ende des 4. Jahrhunderts besonders virulente Spannung zwischen historisch-politischer Erfahrungswelt und göttlicher Vorsehung produktiv aufnahm. Corradini erläutert im Zuge eines elaborierten Durchgangs durch die Zeitphilosophie des Augustinus eine "Rhetorik des Widerspruches" (85), durch die individuelle und christliche Zeitvorstellungen in der "Metapher des freien Willens" (88) gekoppelt wurden.
Sehr unterschiedlich sowohl hinsichtlich der methodischen Zugriffe als auch der thematischen Reichweite sind auch die Artikel, die unter dem Titel "Zeit in verschiedenen Kulturen" zum dritten Themenblock zusammengefasst sind. Am Beginn stehen einige grundlegende Ausführungen des Wissens- und Kultursoziologen Günter Dux zur Zeit in der Moderne. Dux entwickelt hier in Anknüpfung an seine Studie "Die Zeit in der Geschichte" - eine der wichtigsten jüngeren Schriften zum Zeitproblem - noch einmal einige Thesen zur Entwicklungslogik der Zeit vom Mittelalter bis in die Moderne. Damit schneidet er ein Thema an, das durchaus einen eigenen Themenblock gerechtfertigt hätte.
Mit Herbert Eisenstein und Andre Gingrich beschäftigen sich anschließend zwei Autoren mit islamischen Zeitvorstellungen. Während Eisenstein einen enzyklopädischen Überblick über die unterschiedlichen islamischen Chronologien gibt, die sich zum Teil erheblich von jenen christlicher Provenienz unterscheiden, nähert sich Gingrich mit einem elaborierten ethnologischen Kulturbegriff gewissermaßen mikrogeschichtlich der Zeitökonomie einer kleinen jemenitischen Stammesgesellschaft.
Wohl dem Veranstaltungsort geschuldet ist der Aufsatz über die "Zeit in der österreichischen Mentalität", in welchem Klaus Thien die Grundstrukturen eines alpenländischen Zeitverständnisses herausarbeitet und von jenen des restlichen Mitteleuropa - durchaus kritisch-ironisch - abgrenzt.
Ursula Baatz' Überlegungen zur "Zeit im Buddhismus" zeigen, gerade wegen der Fremdartigkeit der untersuchten Vorstellungen, noch einmal eindrücklich, wie sehr Zeitvorstellungen religiös überformt sind und kulturwissenschaftlich entsprechend dechiffriert werden müssen.
Die frühe Neuzeit, die Gegenstand des vierten Themenblocks ist, ist unter dem Aspekt einer Zeitgeschichte besonders lehrreich, da sich hier die "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" buchstäblich einfangen lässt. Das Spektrum reicht von apokalyptischen Vorstellungen, die im Kontext der Reformation eine große Rolle spielen, über individualisierte Formen der Auseinandersetzung mit dem Tod im 17. Jahrhundert bis hin zu den von Koselleck und anderen eindrücklich geschilderten Beschleunigungserfahrungen der "Sattelzeit".
Eine bekannte und faszinierende Quellengruppe, die im Zusammenhang mit der ins Mittelalter zurückreichenden Ars moriendi entstanden ist, behandelt Hannes Etzelstorfers Beitrag über "Sinnbilder und Allegorien der Vergänglichkeit im Spiegel der Kunst". Die kontinuierliche Erinnerung an die eigene Sterblichkeit wird im 17. Jahrhundert zur bestimmenden individuellen Zeiterfahrung. Die individuelle Lebenszeit, verstanden als Bewährungsprobe angesichts des Jüngsten Tags, erscheint als äußerst begrenzt und knapp. Etzelstorfer stellt vor diesem Hintergrund die Bildprogramme unterschiedlicher Kunstgattungen vor und geht den Ursprüngen, Verweisungen und Referenzbeziehungen der jeweiligen Sinnbilder der Zeit nach.
Nicht nur diachron, sondern auch synchron lässt sich in der Frühen Neuzeit, wie Erhard Chvojkas folgender Beitrag deutlich macht, eine Differenzierung der Zeitvorstellungen feststellen. Am Beispiel eines im Jahre 1724 gerichtsnotorisch gewordenen Versuchs von Wiener Händlern, mithilfe einer falschen Zeitordnung Bauern aus der Umgebung auf dem Wiener Viktualienmarkt zu übervorteilen, behandelt er den Unterschied von städtischen und ländlichen Zeitordnungen. Einer Reihe methodischer Probleme geht Chvojka dabei dadurch aus dem Weg, dass er das Thema im Lichte einer wechselseitigen Wahrnehmungsgeschichte behandelt. Schon in der Frühen Neuzeit hatte sich, wie der Autor anhand seines Beispiels zeigt, die Vorstellung "von der Indifferenz der Landbevölkerung gegenüber uhrzeitlichen Ordnungen" (193) herausgebildet - eine Vorstellung, die der Autor angesichts des Scheiterns des Betrugsversuchs von 1724 zumindest relativiert sehen möchte.
Der letzte, von Michael Weinzierl verfasste Beitrag der Frühneuzeit-Sektion behandelt schließlich die zentrale, für die Entstehung des modernen Zeitverständnisses konstitutive Phase der Industriellen Revolution am Beispiel Großbritanniens. Anders als Koselleck argumentiert Weinzierl dabei nicht mit einer nun entstehenden Differenz von Erfahrung und Erwartungshorizont als Basis einer Beschleunigungserfahrung, sondern beschränkt sich auf die kurze Darstellung der im Zuge der Industrialisierung veränderten Verfahren der Zeitmessung und Zeitordnung.
Unter der Überschrift "Arbeitszeit und Freizeit" wird der letzte, insgesamt kohärenteste Block zusammengefasst, der Aspekten des gegenwärtigen Zeitverständnisses gewidmet ist. Die Volkskundlerin Susanne Breuss nimmt zunächst die Frage von Michael Weinzierl nach der Industrialisierung der Zeit auf und führt sie ins 19. und 20. Jahrhundert fort. Als Eckdaten des neuen Zeitverständnisses erscheint zum einen die Trennung von Arbeits- und Wohnort, zum anderen die zunehmende Zeitdisziplinierung. Die Zurechnung der Freizeit auf den Wohnort erweist sich, wie die Autorin feststellt, als eine männliche Perspektive. Tatsächlich ist die Wohnstätte ein Ort, an dem sich unterschiedliche Zeitformen überlagern. Breuss arbeitet vor diesem Hintergrund nicht nur Aspekte der modernen Lebensweise, sondern auch der dazu komplementären Geschlechterrollendifferenzierung heraus. Wie wichtig der "gender"-Aspekt für die Zeitgeschichte ist, wird hierbei deutlich.
Mit der Unvereinbarkeit von Freizeit und Muße beschäftigt sich dann der Philosoph Konrad Paul Liessmann. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Beobachtung, dass es in der modernen Gesellschaft eine umfassende "Laborisierung" menschlicher Tätigkeiten gebe. Immer mehr Lebensbereiche würden "Leistungsansprüchen und Effektivitätskriterien einer Arbeitsgesellschaft" (229) unterworfen. Dieser Universalisierung des Arbeitsbegriff als Wertmaßstab für alle Lebensbereiche wird die aristotelische Vorstellung der vita contemplativa gegenübergestellt und auf ihr zeitkritisches Potenzial befragt.
Einen zeittheoretischen Einstieg in die aktuellen Diskussionen über die (post-)moderne Gesellschaft anderer Art bietet Klara Löffler. Sie entfaltet das Begriffs-Arsenal zeitgenössischer Gesellschaftsanalysen, um nach dem Stellenwert jener Kategorien zu fragen, mit welchen das Transitorische zum Thema gemacht wird. Kritisch wird das Feld der "Nicht-Orte", urbaner "Übergangsräume" und nicht zuletzt der "Zwischenzeiten" beleuchtet, das die kulturwissenschaftlichen Gegenwartsanalyse aufgemacht hat. Es wird deutlich, dass dies mit veränderten Ansprüchen an die alltägliche Lebens- und Zeitgestaltung korrespondiert.
Mit "Shopping" als "Alltagspraxis zwischen Arbeit und Freizeit" beleuchtet der letzte Beitrag von Anette Baldauf, Alexandra Seibel, Heide Tebbich und Katharina Weingartner einen Teilaspekt dieser Zeitgestaltung. Die angesprochenen Aspekte reichen hierbei von der Qualität der Einkaufsstraße als öffentlichem und sozialem Raum bis hin zur Distinktionsleistung von Markenprodukten.
Der Sammelband enthält, gerade bei den Detailstudien, eine ganze Reihe innovativer und lesenswerter Aufsätze, die deutlich machen, wie gleichermaßen notwendig und ertragreich die Historisierung des Zeitbegriffs ist. Den hohen Anspruch auf eine umfassende Präsentation des Themas, den die Herausgeber in der Einleitung formulieren, kann der Band dennoch nicht erfüllen. Dagegen steht allein schon die Vielfalt der vertretenen Ansätze, die von der Ideengeschichte über die Diskurs- und Medientheorie bis hin zur Kultursemiotik reicht und sich kaum auf einen Nenner bringen lässt. Zudem sind einige Aufsätze nicht sehr elaboriert. Offenkundig handelt es sich zum Teil um nur wenig überarbeitete Vortragsmanuskripte (der Band enthält unter anderem einen sechs Seiten [!] zählenden Text zum Thema "Zeit und Raum" [!]).
Schließlich fehlen einige gerade für die Geschichtswissenschaft fundamentale säkulare Aspekte wie der der Verzeitlichung von Geschichtsbewusstsein in der Moderne. Ja, die Moderne als Epoche der Beschleunigung insgesamt sowie die Eingebundenheit der Geschichtswissenschaft in diese Epoche wird nur ausschnittshaft behandelt. Erst von hier aus ließe sich jedoch ein systematischer Blick auf das Verhältnis von Zeit und Geschichte werfen. Auch weiterhin müssen theoretisch Interessierte hier auf die eingangs genannten Autoren zurückgreifen. Insgesamt bleibt die Zeit-Geschichte als systematisch-theoretische Grundlagendisziplin einer historischen Kulturwissenschaft ein Desiderat.
Marcus Sandl