Diarmaid MacCulloch: Die zweite Phase der englischen Reformation (1547-1603) und die Geburt der anglikanischen Via Media (= Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung. Vereinsschriften der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum; Bd. 58), Münster: Aschendorff 1998, 185 S., ISBN 978-3-402-02979-4, EUR 20,40
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Robert Valerius: Weibliche Herrschaft im 16. Jahrhundert. Die Regentschaft Elisabeths I. zwischen Realpolitik, Querelle des femmes und Kult der Virgin Queen (= Reihe Geschichtswissenschaft; Bd. 49), 2002, 370 S., ISBN 978-3-8255-0362-8, EUR 28,80
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Heinz Duchhardt / Gerhard May (Hgg.): Union - Konversion - Toleranz. Dimensionen der Annäherung zwischen den christlichen Konfessionen im 17. und 18. Jahrhundert, Mainz: Philipp von Zabern 2000
Jenny Wormald: Mary, Queen of Scots. Politics, Passion and a Kingdom Lost, Revised edition, London / New York: I.B.Tauris 2001
Die englische Geschichte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gilt gemeinhin als ein Goldenes Zeitalter, in dem die Künste in einer Zeit des Friedens und wirtschaftlicher Prosperität blühten. Der Glanz dieser Epoche verdichtet sich in einem Namen: Elisabeth I. Wieso vermag diese "jungfräuliche Königin" auch heute noch zu faszinieren? Möglicherweise lässt sich die Strahlkraft der Person Elisabeths unter anderem damit erklären, dass sie sich als Frau in einer männlich dominierten Gesellschaft zu behaupten wusste. Die Regentin verstand es, trotz religiöser und sozialer Spannungen ihre Herrschaft nachhaltig zu stabilisieren und der anglikanischen Kirche im Wesentlichen die Gestalt zu verleihen, welche sie bis heute besitzt. Bis vor wenigen Jahren musste man, wollte man sich fundiert über die "Sattelzeit" der englischen Kirchengeschichte von 1550 bis 1600 informieren, auf die englischsprachige Historiographie zurückgreifen. Diesem Mangel hilft Diarmaid MacCullochs Werk über die "later Reformation in England" ab, das von Stefan Hanke ins Deutsche übersetzt wurde.
McCulloch hat sich mit einigen Monografien zur Kirchengeschichte der Tudor-Zeit profiliert. Seine monumentale Biografie Thomas Cranmers, des Erzbischofs von Canterbury, der unter Heinrich VIII. die englische Kirche reformierte, erhielt 1996 den Whitbread Biography Award. In der Studie "Tudor Church Militant", die sich mit der Bedeutung der kurzen Regierungszeit Edwards VI., des Sohnes Heinrichs VIII., auseinandersetzt, revidiert der Autor die übliche These vom episodischen Charakter der Herrschaft Edwards und weist den Jahren von 1547 bis 1553 eine zentrale Bedeutung als Phase, in der ein radikaler Bruch mit der alten Kirche erfolgte, zu.
Das hier zu besprechende Werk MacCullochs, dessen deutsche Fassung den Titel "Die zweite Phase der englischen Reformation" trägt, spannt den Bogen erheblich weiter, indem sie die Herrschaft Edwards VI., Marias "der Katholischen" und Elisabeths I. fokussiert und auf diese Weise die wechselhafte englische Kirchengeschichte im Zeitraum von 1550 bis 1600 erhellt. Das solide übersetzte Werk besteht im Wesentlichen aus drei Hauptkapiteln. Das erste mit dem Titel "Der Wille des Königs" skizziert die politischen Rahmenbedingungen. Nach dem Scheitern des protestantischen und katholischen Experiments Edwards und Marias unterteilt MacCulloch die Regierungszeit Elisabeths in zwei Perioden, die von 1559 bis 1577, als eine neue Generation von Bischöfen ihr Amt antrat, und von 1577 bis 1603 reichen. Die Entwicklung der anglikanischen Theologie und die Reform des geistlichen Amtes stellt das zweite Kapitel "Der Bau einer reformierten Kirche" vor. Hier wird der Kompromisscharakter des Anglikanismus deutlich, der zwar durchaus calvinistische Elemente aufnahm, aber nicht zu einer gänzlichen Umgestaltung nach kontinentalem Vorbild gelangte. Die anglikanische "Via media" wurzelt in den Grundlagen, die in der Regierungszeit Elisabeths gelegt wurden. Die anglikanische Kirche stieß aber keineswegs auf die einhellige Zustimmung der Bevölkerung. Das Kapitel "Die Entstehung unabhängiger Kirchen" beleuchtet die Rezeption der Reformation und geht in gedrängter Form auch auf prinzipiellen Widerspruch seitens der Katholiken und protestantischen Dissenters ein. Im Schlusswort beantwortet MacCulloch die Frage, ob die von ihm untersuchte Zeit "eine andere Welt" darstellte, mit dem Verweis auf die breite Akzeptanz, welche die anglikanische Kirche in der Bevölkerung erfuhr, und betont nochmals den Kompromisscharakter des Anglikanismus: "Aus dieser Geschichte von Verirrungen und Richtungswechseln erwuchs eine Kirche, die es nie wieder wagen sollte, ihre Identität eindeutig als protestantisch oder katholisch festzulegen, und die letztlich zu der Ansicht gelangte, dies eher als eine Tugend denn als ein Handikap zu betrachten" (174). MacCullochs Überblick bietet eine konzise Einführung in eine spannungsreiche Zeit und ist aus diesem Grunde nur zu empfehlen.
Mit einem anderen Aspekt der Regierung Elisabeths beschäftigt sich die Dissertation von Robert Valerius, die 2001 an der Universität Hamburg vorgelegt wurde. Der Autor, der sich der feministischen Geschichtsschreibung verbunden weiß, hat es sich zum Ziel gesetzt, drei verschiedene Fragestellungen miteinander zu verschränken, um auf diese Weise das komplexe Phänomen der weiblichen Herrschaft im 16. Jahrhundert zu untersuchen. Im Anschluss an die Einleitung, welche die Problemstellung und Methodik der Arbeit vorstellt sowie Quellenlage und Forschungsstand beleuchtet, setzt sich Valerius im ersten Hauptkapitel mit der Problematik weiblicher Herrschaft im England des 16. Jahrhunderts auseinander. Die weibliche Thronfolge gewann nur insofern an Brisanz, als Heinrich VIII. zunächst ohne männlichen Erben zu bleiben schien. Sowohl Maria "die Katholische", die Tochter Heinrichs aus der Ehe mit Katharina von Aragon, wie auch Elisabeth, die der Verbindung des Königs mit Anne Boleyn entstammte, mussten mehrmalige Änderungen ihres Status als Anwärterinnen auf den Thron hinnehmen.
Mit der Geburt Edwards VI. verloren die weiblichen Thronprätendenten zunächst an Bedeutung. Nach dem frühen Tod des jugendlichen Königs vermochte sich Heinrichs ältere Tochter Maria 1553 gegen ihre protestantische Konkurrentin Lady Jane Grey durchzusetzen. Das Intermezzo der Herrschaft Marias endete allerdings bereits 1558. Nunmehr trat Elisabeth die Thronfolge an. Elisabeths politisches Geschick zeigte sich darin, wie sie den an sie gerichteten Erwartungen ihrer Untertanen begegnete, die von ihrer Königin Heirat und Sicherung der Thronfolge erwarteten. Anstatt sich für einen der zahlreichen Bewerber zu entscheiden, verfolgte Elisabeth eine Politik des Hinhaltens. Dies hatte zur Konsequenz, dass sie die eigene Macht uneingeschränkt ausüben konnte, ohne auf einen König oder eventuelle Thronprätendenten Rücksicht nehmen zu müssen. Die Forderungen des Parlaments nach einer Vermählung der Königin blieben unerfüllt - stattdessen kultivierte Elisabeth die Selbstinszenierung der "Virgin Queen", die mit der englischen Nation verheiratet war.
Mit den Rollenvorstellungen von Mann und Frau und der Diskussion über die Möglichkeit weiblicher Herrschaft im England des 16. Jahrhunderts setzt sich der zweite Hauptteil der Abhandlung auseinander. Die Tudor-Gesellschaft bot der adeligen Dame zwar die Möglichkeit, Bildung zu erwerben, hielt sie allerdings von der Macht fern. So verwundert es auch nicht, dass sich in den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts mehrere Gegner der Frauenherrschaft publizistisch äußerten. Die lauteste Stimme bildete hierbei die Schrift "The First Blast of the Trumpet Against the Monstrous Regiment of Women" des schottischen Reformators John Knox, der auf diese Weise die Gunst Elisabeths verspielte. Wie nicht anders zu erwarten, verstummten die Gegner weiblicher Herrschaft in der Regierungszeit Elisabeths weitgehend, und die Debatte verlor offensichtlich an Aktualität, nachdem die Verteidiger der Frauenherrschaft bereits Ende der 50er Jahre ihre Stimme erhoben hatten.
Der dritte Hauptteil geht der Repräsentation der "jungfräulichen Königin" nach. Valerius zeichnet hier die Entwicklung von einer defensiven Strategie, welche die Vorurteile zu entkräften hatte, mit denen sich weibliche Herrschaft konfrontiert sah, zu einer souveränen Inszenierung nach. Bereits in einer Parlamentsrede von 1559 deutete Elisabeth die Möglichkeit an, unvermählt zu bleiben. Der Hof diente als Bühne für die Inszenierung der Herrschaft Elisabeths, deren Spiel mit ihren Favoriten wie Leicester unter anderem die Funktion erfüllte, sich durch ein System von Gunsterweisen und -verweigerung die Kontrolle über die "Männerdomäne" Hof zu sichern.
Ein abschließendes, relativ kurzes Kapitel untersucht die Wahrnehmung Elisabeths aus der Sicht der Zeitgenossen und im Urteil der Nachwelt. Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung fasst eine Schlussbetrachtung zusammen, an die sich ein Quellen- und Literaturverzeichnis, ein Namensindex und eine Genealogie der Tudors anschließen.
Der Wert der Arbeit liegt darin, dass sie die Person Elisabeths von einem geschlechtergeschichtlichen Standpunkt aus untersucht. Es zeigt sich, wie geschickt die "Virgin Queen" es verstand, die vorgeblichen "Defizite" von Abstammung, Geschlecht und Kinderlosigkeit durch langfristiges Taktieren und eine die Bruchstellen glättende Inszenierungspolitik auszugleichen.
Stefan W. Römmelt