Rezension über:

Andrea Pühringer: Contributionale, Oeconomicum und Politicum. Die Finanzen der landesfürstlichen Städte Nieder- und Oberösterreichs in der Frühneuzeit (= Sozial- und wirtschaftshistorische Studien; Bd. 27), München: Oldenbourg 2002, 319 S., ISBN 978-3-486-56654-3, EUR 49,80
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Rezension von:
Tomas Sterneck
Historický ústav AVCR, Brno
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Tomas Sterneck: Rezension von: Andrea Pühringer: Contributionale, Oeconomicum und Politicum. Die Finanzen der landesfürstlichen Städte Nieder- und Oberösterreichs in der Frühneuzeit, München: Oldenbourg 2002, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 7/8 [15.07.2003], URL: https://www.sehepunkte.de
/2003/07/2922.html


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Andrea Pühringer: Contributionale, Oeconomicum und Politicum

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Das vorzustellende Buch der österreichischen Historikerin Andrea Pühringer entstand als überarbeitete Fassung ihrer Dissertation, die im Jahr 1998 an der Universität Wien approbiert wurde. Pühringer versucht, die Entwicklung und strukturellen Änderungen der Budgets nieder- und oberösterreichischer landesfürstlicher Städte seit der zweiten Hälfte des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zu ergründen. Im Mittelpunkt ihrer Forschung steht dabei die Frage, ob, und gegebenenfalls in welchem Maße, die untersuchten Vorgänge mit dem "Niedergang des Städtewesens" zusammenhingen. Die grundlegende Voraussetzung einer solchen Analyse besteht in einer eingehenden Erkenntnis des sehr unterschiedlichen frühneuzeitlichen städtischen Rechnungswesens. Dieses hatte - einerseits im Rahmen der unterschiedlich fortschreitenden Bürokratisierung und Professionalisierung der Finanzverwaltung einzelner Stadtgemeinden, andererseits infolge der sich vermehrenden zentralistischen Eingriffe in die kommunale Wirtschaft - während der untersuchten, relativ langen Zeitspanne viele Wandlungen durchzumachen. Die städtische Autonomie wurde nämlich auch im ökonomischen Bereich zur Zielscheibe der Angriffe derjenigen Kräfte, welche an der Gestaltung des modernen Staats beteiligt waren.

Von den insgesamt sieben oberösterreichischen und vierzehn niederösterreichischen Stadtgemeinden, die in dem behandelten Zeitraum dauerhaft oder nur vorübergehende den Status einer landesfürstlichen Stadt besaßen, hat Pühringer in Anbetracht der Überlieferung von relevanten Quellen für die komparative Analyse vier Beispiele ausgewählt, nämlich Eggenburg und Krems in Niederösterreich und Freistadt und Wels in Oberösterreich. Die Untersuchung der Stadtfinanzen stützt sie auf die quantifizierende Analyse serieller Quellen. Diese stellen trotz aller Probleme, die mit ihrer Auswertung und ihrem Vergleich verbunden sind, eine vom Gesichtspunkt der Erforschung der ökonomischen Lage der frühneuzeitlichen Städte unentbehrliche Quellenbasis dar. Bei jeder der vier Gemeinden skizziert Pühringer die Voraussetzungen der dortigen Wirtschaftsentwicklung sowie die Struktur der Organe, die an der Stadtfinanzverwaltung teilnahmen. Anschließend wertet sie die Teilbereiche der kommunalen Wirtschaft unter Berücksichtigung ihres Anteils an den Stadtbudgets aus.

Die Teilergebnisse ihrer eigenen Forschung sowie die Resultate älterer Untersuchungen, die sich mit der Finanzwirtschaft anderer österreichischer Orte auseinander setzten, zusammenfassend, gelangt Andrea Pühringer zu einer Reihe wichtiger Feststellungen. Den dominierenden Posten in den Stadtbudgets stellten bei den untersuchten Beispielen die Steuern dar, unter denen hier, im Unterschied zu anderen Territorien des Heiligen Römischen Reiches, die direkten Steuern langfristig die größte Rolle spielten. Demgegenüber verloren die Akzisen, die andernorts im Reich eine wesentlich breitere Skala von Bedarfsgütern betrafen, in den österreichischen Gemeinden während des 17. Jahrhunderts an Bedeutung, weil die städtischen Magistrate, die in der Regel das Recht auf diese Abgaben erworben hatten, mit Rücksicht auf die Überlastung der Bürger durch die direkten Steuern auf ihre regelmäßige Erhebung verzichteten. Bis in das 18. Jahrhundert hinein, als die Stadtbevölkerung neue Kapitalkraft erlangte, nahm die Bedeutung des zweitwichtigsten Stadtbudgetpostens, des Kredits, allmählich ab. Die durch die Erhöhung der direkten Steuerlast und die Verschuldung der Stadtbudgets verursachte Abnahme der Darlehen, die die ober- und niederösterreichischen Städte dem Landesherrn gewährten, stellt Pühringer bereits für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts fest. Dies ist als besonders bemerkenswertes Ergebnis zu bewerten, denn bei einer Reihe landesfürstlicher Städte in anderen Teilen der Habsburgermonarchie, wie zum Beispiel in Böhmen und Mähren, ergibt die Analyse ihrer damaligen - sowohl freiwilligen als auch Zwangskredite - ein ganz anderes Bild.

In der sinkenden Möglichkeit der landesfürstlichen Städte, als Kreditgeber aufzutreten, sucht Pühringer eine der Ursachen für die Unterminierung ihrer politischen Autonomie, denn Hand in Hand mit der traditionellen Animosität der höheren Stände gegen die Städte ging das zum Teil konfessionell, vornehmlich aber wirtschaftlich motivierte Bestreben des Landesfürsten, diese Gemeinden als Kammergüter vollständig zu beherrschen. Den viel beschworenen langfristigen ökonomischen und gesellschaftlichen Niedergang des Stadtbürgertums verbindet Pühringer jedoch nicht nur mit den erwähnten Faktoren und mit den Folgen der großen frühneuzeitlichen Kriege, sondern auch mit dem bereits überlebten Zunftwesen und den zurückgebliebenen Strukturen der Stadtwirtschaft.

Pühringer versucht auch, die Kenntnisse über das frühneuzeitliche städtische Rechnungswesen in Ober- und Niederösterreich zusammenzufassen. Seine Zentralisierung und der Übergang vom chronologischen Ordnen unsortierter Einträge zu ihrer systematischen Gliederung verliefen in größeren Stadtgemeinden in der Regel schneller als in den kleineren. In der sehr unterschiedlichen Qualität konkreter Einträge spiegelte sich vor allem die Sorgfalt der einzelnen Beamter wider. Diese hing auch von den aktuellen Umständen ihrer Amtszeit ab, was sich beispielsweise in einer häufig nur oberflächlichen Rechnungsführung während der Kriegszeiten bemerkbar machte. Die großen Schwankungen der frühneuzeitlichen Stadtbudgets sind daher keinesfalls bloß als Symptome der Entwicklungstendenzen der Stadtökonomie zu verstehen, sondern sie weisen in beträchtlichem Maße eben auf die Rechnungspraxis hin, die durch das Fortlassen der meisten Beträge, die nicht durch die Stadtkasse geflossen waren, sowie zahlreiche, heutzutage zum großen Teil nicht mehr rekonstruierbare Verschiebungen von Restsummen zwischen benachbarten oder aber auch weit entfernten Rechnungsterminen gekennzeichnet war. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte sich in vielen österreichischen Städten schon die kameralistische Buchführung durch, die die Außenstände vollständig verzeichnete.

Andrea Pühringer hat eine methodologisch anregende Abhandlung publiziert, die zur Erkenntnis der Schlüsselaspekte von Gefüge und Funktion der frühneuzeitlichen Stadtorganismen wesentlich beiträgt und sich zugleich als Vorbild wünschenswerter ähnlich konzipierter Vergleichsstudien für die (nicht nur landesfürstlichen) Städte in anderen Ländern der Habsburgermonarchie sowie in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches anbietet.

Tomas Sterneck