Iris Lauterbach (Hg.): Friedrich Ludwig von Sckell (1750-1823). Gartenkünstler und Stadtplaner, Worms: Wernersche Verlagsanstalt 2002, 395 S., 175 Abb., ISBN 978-3-88462-190-5, EUR 19,90
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Zum 250. Geburtstag des bedeutendsten Gartenkünstlers am 13. September 2000 organisierte Iris Lauterbach vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München eine zweitägige interdisziplinäre Tagung zu Sckell, finanziell ermöglicht durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Die gehaltenen Vorträge sind mit zwei Ausnahmen jetzt im Druck erschienen. Sckell wurde erstmals 1927 von Franz Hallbaum kunst- und gartenhistorisch gewürdigt ("Der Landschaftsgarten. Sein Entstehen und seine Einführung in Deutschland durch Friedrich Ludwig von Sckell 1750-1823", München 1927). Seitdem ist merkwürdigerweise über Sckell nichts Neues von Bedeutung erschienen. Zwar legte Volker Hannwacker 1992 seine Dissertation als Buch vor [1], sie behandelte aber nur die Arbeiten der bayerischen Periode und brachte die Forschung nicht weiter. Verdienstvoll waren Einzelforschungen zu Schöpfungen Sckells, namentlich aus Anlass des Jubiläums des Englischen Gartens in München, herausgegeben vom Freistaat Bayern (1989), und über Schönbusch bei Aschaffenburg (Jost Albert und Werner Helmberger 1999).
Die Beiträge des vorliegenden Bandes bringen aus verschiedenen Blickwinkeln neue Erkenntnisse ein. Als Referenten wurden Kunst- und Architekturhistoriker sowie Landschaftsarchitekten gewonnen, die auf neues Material in Form von Plänen, Briefen und Porträts zurückgreifen konnten. Peter Lack, selbst ein Mitglied der Familie Sckell, stellt anhand von Material aus der Familienchronik die zahlreichen Gärtner dieser Sippe und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen bis ins 20. Jahrhundert vor. Er macht deutlich, dass die Sckells nicht nur eine Gärtnerfamilie waren, die etwa in Schwetzingen, Zweibrücken, Saarbrücken und Weimar wirkte, sondern auch als Künstlerfamilie verstanden werden können, indem es Verbindungen zu den Malern Carl Rottmann und Clemens von Zimmermann gab.
Jan Woudstra berichtet über die Beziehungen Sckells und seines Neffen und Amtsnachfolgers Carl August Sckell zu England. Über Sckells Ausbildung in England konnte er leider nicht mehr herausbringen, als sein Neffe angibt. Diesem zufolge hatte er bei Capability Brown und Chambers gelernt, was nicht unbedingt im Sinne einer persönlichen Ausbildung zu verstehen sein muss. Sckell selbst beruft sich in seinem Lehrbuch "Beiträge zur bildenden Gartenkunst" (1818 und 1825) auf Thomas Whately ("Observations on Modern Gardening", 1770). John Claudius Loudon räumte nach einem Besuch in München 1828 den Werken des damals schon verstorbenen Sckell einen erstaunlichen Raum in seinen Publikationen ein. Sckell hatte auf diese Weise das für einen deutschen Gärtner seltene Glück, im englischsprachigen Fachpublikum bekannt zu werden, wie im übrigen die Dissertation von Franziska Kirchner über den Central Park in New York (1999) das Nachwirken des Englischen Gartens bis dorthin belegt. Mehr Material fand Woudstra über den Englandaufenthalt des Neffen.
Iris Lauterbach selbst referierte über Sckells Pariser Aufenthalt während seiner jugendlichen Wanderjahre. In Paris gelang es ihr, etliche Briefe Sckells zu finden, die dieser nach seiner Rückkehr nach Deutschland an den Leiter des Pariser Botanischen Gartens, André Thouin, geschrieben hatte. Sckell war weit länger in Frankreich als bisher angenommen, nämlich ebenso lange wie in England. So wird man auch dem Einfluss Frankreichs auf seinen künstlerischen Werdegang eine bedeutendere Rolle einräumen müssen als bisher. Gegenstand des Briefwechsels war vor allem die Vervollständigung der botanischen Sammlungen in München, an der Sckell wesentlich mitwirkte. Die Briefe aus den Jahren 1781-1812 sind im Anhang transkribiert. Leider weiß man noch immer nicht, wo sich die Zeichnungen befinden, die der junge Sckell laut Auskunft seines Neffen aus Paris und London an den pfälzischen Kurfürsten Carl Theodor schickte.
Hier schließt Uta Hasekamp an, indem sie Sckells Respekt vor der "alten symmetrischen Gartenkunst" behandelt, der sich besonders in der Beibehaltung der barocken Hauptzüge in Nymphenburg äußerte. Er ist leicht auf seine Ausbildung im Rokokogarten Schwetzingen und in Paris zurückzuführen. Gerhard Siemon befasst sich eingehend mit der Zeichenkunst Sckells. Er geht seiner Arbeitsweise in den verschiedenen Tätigkeitsphasen nach, wobei er auch unveröffentlichte Briefe zitiert. Einige sonst kaum bekannte Pläne sind exemplarisch in großen Abbildungen und ausführlichen Beschreibungen vorgestellt. Das von Siemon in Angriff genommene Inventar von Sckells zeichnerischem Werk ist das dringendste Desiderat der Sckellforschung. In der Denkmalpflege nicht unumstritten ist seine Ansicht (268), dass die in den Entwürfen überlieferte Idee Vorrang vor dem Bestand haben müsse.
Jost Albert gibt einen Überblick über Sckells Kompositionsprinzipien und Arbeitstechniken. Am Beispiel von Schönbusch behandelt er besonders die Abfolge der Sichten im so genannten "Großen Wiesental" und analysiert anhand eigener Grafiken die dortigen Raumbildungen. Die Ausführungstechniken werden anhand von Sckells Beiträgen beschrieben. Rainer Herzog referiert über seine denkmalpflegerische Arbeit an Sckells Werk in den landschaftlichen Partien Nymphenburgs. Bei der Entscheidung über Maßnahmen spielt der heutige Bestand eine ebenso wichtige und im Zweifelsfall sogar wichtigere Rolle als die Aussage der verschiedenen historischen Pläne, die genau analysiert und auf einen einheitlichen Maßstab gebracht werden. Michael Seiler aus Potsdam geht der Frage nach, inwieweit Sckell als Vorbild für den eine Generation jüngeren Peter Joseph Lenné gewirkt hat. Die von Gerhard Hinz (1937) behauptete persönliche Bekanntschaft der beiden ist nicht nachweisbar, ja nicht einmal ein Besuch der Sckellschen Hauptwerke lässt sich beweisen. Lenné hat sich über Sckell überhaupt nicht geäußert. So muss sich Seiler auf einen Werkvergleich beschränken, der eine Reihe von Ähnlichkeiten ergibt.
Christoph Dittscheid stellt Sckell erstmals nicht nur als Gärtner, sondern auch als einen professionellen Verfertiger architektonischer Entwürfe und Jünger Vitruvs vor. Eindrucksvoll wird der enge Zusammenhang von Klassizismus und Landschaftsgarten am Beispiel eines einzigen Entwerfers deutlich. Hans Lehmbruchs Artikel über die Rolle und das Werk Sckells als Stadtplaner, vor allem in München, nimmt rund ein Drittel des Bandes ein. Lehmbruch bildet eine Vielzahl von Plänen Sckells zur Stadterweiterung Münchens erstmals ab. Die Neugestaltung Münchens als Hauptstadt des 1806 gegründeten Königreichs Bayern hatte besondere politische Bedeutung. Vorbilder waren sicher auch die europäischen Hauptstädte Paris und London, die Sckell während seiner Ausbildung kennen gelernt hatte. Die Neukonzeption der Stadtgestalt wurde später unter Ludwig I. und Leo von Klenze fortgesetzt, wobei sie zum Teil auf Sckells Konzepten beruhte. Nebenbei hat Lehmbruch das bisher unbekannte persönliche Wappen Friedrich Ludwig von Sckells im Bayerischen Hauptstaatsarchiv gefunden, das Sckell 1808 zusammen mit einem Orden und dem persönlichen Adelsprädikat erhielt.
Der wichtige Band vertieft unser Wissen über Sckell als künstlerische Persönlichkeit, als Gartenkünstler, Architekt und Stadtplaner anhand von neuem Material. Er macht aber auch deutlich, dass Sckell - besonders im Vergleich zu Lenné - nur ansatzweise erforscht ist, und noch zahlreiche Aspekte vertieft werden müssten. Die Desiderate der Sckellforschung sind mannigfaltig: Es fehlt eine gründliche Biografie Sckells, ein Verzeichnis der von Sckell bearbeiteten Anlagen, ein Bestandsverzeichnis der Sckell-Pläne, eine Untersuchung der Pflanzenverwendung bei Sckell oder eine Analyse von Sckells Lehrbuch sowie der Vergleich mit anderen Gartenkünstlern seiner Zeit, die Rezeptionsgeschichte, die Erforschung der Sckell-Schule oder eine Beschreibung und Abgrenzung des Werks von Carl August Sckell. Insbesondere ist die leider verbreitete Vernachlässigung der Pflanzen im Werk des Gartenkünstlers anzumahnen. Während in der Kunstgeschichte niemand daran zweifelt, dass der Unterschied zwischen Holz, Bronze und Zinkguss ein beträchtlicher ist, meinen in der Gartengeschichte immer noch viele, es sei nebensächlich, mit welchen Pflanzen ein Gartenkünstler arbeitete und wie er sie einsetzte. So behandelt auch der vorliegende Band das Thema nicht, und die Hainbuche (Carpinus) erscheint als Rätselpflanze "Parpinus." (239).
Anmerkung:
[1] "Friedrich Ludwig von Sckell. Der Begründer des Landschaftsgartens in Deutschland", Stuttgart 1992
Clemens A. Wimmer