Rezension über:

Eva Semotanová: Atlas zemí Korony české. [Atlas der Länder der Böhmischen Krone], Praha: Aleš Skřivan 2002, 192 S., ISBN 978-80-86493-04-6, EUR 51,00
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Rezension von:
Wolfgang Kreft
Herder-Institut, Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Winfried Irgang
Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Kreft: Rezension von: Eva Semotanová: Atlas zemí Korony české. [Atlas der Länder der Böhmischen Krone], Praha: Aleš Skřivan 2002, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 10 [15.10.2003], URL: https://www.sehepunkte.de
/2003/10/4090.html


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Andere Journale:

Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.

Eva Semotanová: Atlas zemí Korony české

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Der in bester kartografiehistorischer, von Karel Kuchař, Ludvík Mucha und František Roubík geprägter Tradition bearbeitete Atlasband enthält eine Auswahl von 60 Landkarten der Böhmischen Kronländer in mehrheitlich doppelseitigen, mehrfarbigen Reproduktionen, die zumeist aus der Kartensammlung des Historischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik stammen. Abgebildet werden Karten sowohl der behandelten Gesamtregion als auch von Teilregionen, aus dem Zeitraum von der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Zu Beginn des Abbildungsteils wird die geografische Lage der Böhmischen Länder in der Welt und in Europa anhand verschiedener Karten aus unterschiedlichen Epochen dargestellt. Dabei stilisiert die älteste, noch in ptolemäischer Tradition gehaltene Karte von Erhard Etzlaub (1500) Böhmen als das Herz Europas. Dagegen dokumentieren die nur wenige Jahrzehnte später entstandenen ersten Regionalkarten von Böhmen (Claudianus, 1518), Schlesien (Helwig, 1561) und Mähren (Fabricius, 1569) bereits die territorialen Ländergrenzen und damit auch einen geopolitischen Machtanspruch der damaligen Herrscher, die sich mit diesen Karten erstmals einen Überblick über die geografische Ausdehnung ihrer Länder verschafften. Die zunächst in tschechischer und erst später in deutscher (1544) bzw. lateinischer (1550) Nomenklatur herausgegebene Claudianus-Karte sollte später eine wichtige Rolle bei der Entstehung der regionalen und nationalen Identität der Tschechen spielen. Weite Verbreitung fanden diese Karten in verkleinerter Form zunächst in den Atlanten von Ortelius und Mercator am Ende des 16. Jahrhunderts. Diese Zeit zwischen Symbiose und Trennung, in der die luxemburgischen Länder der Krone Böhmen unter habsburgische Herrschaft gerieten (1526) - bevor die Lausitz 1648 an Sachsen und der Großteil Schlesiens 1742 an Preußen verloren ging -, fand ihren Niederschlag erstmals in den von niederländischen und französischen Verlagen herausgegebenen Atlas- und Regionalkarten des 17. Jahrhunderts (Regni Bohemiae, Ducatus Silesiae, Marchionatus Moraviae et Lusatiae). Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts erschienen Karten mit diesem Titel auch im Nürnberger Homann-Verlag (68f.), der gleichzeitig aber auch die Karte Germania Austriaca herausgab (66f.), in der Böhmen und Mähren zusammen mit den österreichischen Fürstentümern dargestellt sind, nicht jedoch Schlesien - Ausdruck der herrschenden Unsicherheit über die territorialen Zugehörigkeiten? Sinnvoll ergänzt wird dieser Teil des Bandes durch einige thematische Karten zur inneren Verwaltungsgliederung von Böhmen und Mähren im 18. und 19. Jahrhundert sowie die von František Palacký 1874 herausgegebene Historická mapa Čech/Mappa historica Regni Bohemiae über die Einteilung in Archidiakonate und Dekanate im 14. Jahrhundert.

Der zweite, mehr als die Hälfte der vorliegenden Atlas-Karten behandelnde Teil ist der detaillierteren Darstellung der einzelnen Kreise Böhmens und Mährens gewidmet, herausgegeben von verschiedenen Verlegern des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts wie Mattäus Seutter, Johann Schönberg, Anton Elsenwanger, Franz Jakob Kraibich oder Jan Loth. Beginnend mit den ersten großen Kartenwerken von Johann Christoph Müller, der Mähren 1708-1712 und Böhmen 1712-1717 kreisweise aufnahm, wurde die Wiedergabe der Topographie im Verlauf des nächsten Jahrhunderts immer exakter. Zahlreiche Landschafts- und Gebirgsnamen sind aufgeführt, umfangreiche Kartenlegenden erläutern die Signaturen für Städte, Dörfer, Klöster, Bergwerke, Fabriken, Mühlen usw., die zusammen mit den Karten des ersten Teils in ihrer kulturhistorischen Bedeutung einen wichtigen Teil des Kulturerbes der Tschechischen Republik darstellen. Alle Karten werden in einem umfangreichen Textteil erläutert.

Im einleitenden Teil werden die zentralen Begriffe des Bandes (Länder der Krone Böhmen, Böhmische Länder und Böhmen) in ihren zeitlichen Zusammenhängen erläutert und instruktiv durch entsprechende historisch-thematische Kartendarstellungen ergänzt. Abgeschlossen wird der Band durch ein biografisches Verzeichnis der im Atlas vertretenen Kartenzeichner und Verleger, ein Literaturverzeichnis, durch eine englische und deutsche Zusammenfassung sowie durch Register der Toponyme und Personennamen.

Wolfgang Kreft