Heinrich Schwendemann / Wolfgang Dietsche: Hitlers Schloß. Die 'Führerresidenz' in Posen, Berlin: Ch. Links Verlag 2003, 200 S., 100 s/w-Abb., ISBN 978-3-86153-289-7, EUR 34,80
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Das 1905-1910 in Posen errichtete Königliche Residenzschloss blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Ursprünglich gedacht als Residenz für Wilhelm II., in dieser Funktion aber nur 1913 ein einziges Mal genutzt, diente es während der Zweiten Polnischen Republik zunächst als Sitz des Ministeriums für die früheren preußischen Gebiete und beherbergte zeitweilig das Museum für kirchliche Kunst. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg befand sich in dem Gebäude der Dienstsitz von Gauleiter Arthur Greiser. Nach dem Krieg zog zunächst die Stadtverwaltung ein, bis das Schloss 1962 schließlich in das Kulturzentrum "Zamek" umgewandelt wurde und heute kulturellen und gewerblichen Einrichtungen Platz bietet. Bisher waren in der Forschung nur vereinzelte Hinweise auf die Rolle Adolf Hitlers bei den Umbauarbeiten seit 1940 bekannt geworden.
Die beiden Verfasser begründen ihre Fokussierung auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs mit der historischen und architektonischen Einzigartigkeit des Gebäudes. Hitler nahm offensichtlich viel intensiver als bisher bekannt Anteil an den Umbaumaßnahmen, die Albert Speer unterstanden und offiziell lediglich dem Einzug der Gauverwaltung in das wilhelminische Bauwerk dienten. Intern äußerte der Diktator die Absicht, nach einem siegreichen Kriegsausgang Posen zu seiner Residenz im östlichen Teil des deutschen Herrschaftsgebiets zu machen. Das im Stil der nationalsozialistischen Architektur erneuerte Schloss sollte neben der Neuen Reichskanzlei in Berlin, dem "Berghof" auf dem Obersalzberg und dem so genannten "Führerbau" in München als vierte Residenz Hitlers dienen. Als einziges dieser Bauwerke hat sich eben nur das Posener Schloss bis heute in wesentlichen Teilen in den Baustrukturen und in der Innenarchitektur erhalten, die es im Juli 1944 aufwies, als die Umbauarbeiten kriegsbedingt eingestellt wurden.
Die Geschichte des Bauwerks bis 1939 integrieren die Verfasser in eine Schilderung der deutsch-polnischen Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung Posens und dessen stadtplanerischer Gestaltung. Für die Zwischenkriegszeit, der ein 13-seitiges Kapitel gewidmet ist, ergibt sich bei dieser sinnvollen Verknüpfung aber ein Missverhältnis, da sich lediglich ein einzelner Absatz auf das Schloss bezieht. Ungeachtet dessen stellt das Werk einen nützlichen Beitrag zur populärwissenschaftlichen Historiographie über Posen dar, dessen Stadtgeschichte von deutscher Seite immer noch fast ausschließlich im Zusammenhang mit Spezialstudien abgehandelt wird. Dieser positive Eindruck wird durch das reichhaltige Fotomaterial gestützt, für dessen Zusammenstellung erstmals auf den Nachlass des bei den Umbauarbeiten federführenden Architekten Franz Böhmer zurückgegriffen werden konnte. Akribisch dokumentieren die Verfasser die einzelnen Umbaumaßnahmen 1940-1944. So wurde anstelle der für Wilhelm II. im südwestlichen Schlossturm erbauten Kapelle ein Arbeitszimmer für Hitler samt einem neuen Balkon eingerichtet, um statt des wilhelminischen Gottesgnadentums Volksnähe und Arbeitsfleiß zu demonstrieren. Angesichts der hohen Kosten, die sich bis Ende 1941 gegenüber den ursprünglichen Planungen fast vervierfacht hatten, regte sich bei den städtischen Behörden mit zunehmender Kriegsdauer Widerstand gegen die verschwenderischen Baumaßnahmen. Die Verfasser vermuten, dass die Bevölkerung den wahren Zweck der Bauarbeiten ahnte, können dies aber nur an einem einzelnen Brief belegen.
Die Fokussierung der Darstellung auf die Frage nach dem persönlichen Einfluss Hitlers und seinen Plänen für die Nachkriegszeit birgt Gefahren, die bereits in dem reißerischen Buchtitel durchscheinen. Dass einzelne Eigennamen falsch bzw. uneinheitlich geschrieben werden oder veraltete Begriffe wie "zweite polnische Teilung" Verwendung finden, wäre für sich genommen kein größerer Makel. Empfindlich gestört wird der Leseeindruck jedoch von der häufigen Verwendung zeitgenössischer, auf Hitler bezogener Begriffe. Ununterbrochen begegnet man dem "Führer", der "Führertreppe" im "Führertreppenhaus" oder dem "Führerschreibtisch" im "Führerarbeitszimmer". Wenn auch diese Wortungetüme in Anführungszeichen gesetzt sind und dem damaligen Sprachgebrauch in Schrift und Wort entsprechen mögen, wirken sie doch wie eine unnötige Effekthascherei, welcher der ansonsten flüssig geschriebene Text mit seinem spannenden Inhalt nicht bedurft hätte. Dieser allzu freizügige Umgang mit nationalsozialistischem Vokabular rächt sich in dem Moment, wo die Anführungszeichen vergessen werden: "Um die Versorgung des Führers und seiner Entourage reibungslos zu sichern, waren große bauliche Veränderungen vorgenommen worden" (148). Diese Textstelle erzeugte beim Rezensenten dasselbe, was die Verfasser bei einem Rundgang durch die heute weitgehend unveränderten Gänge des Schlosses empfanden: "einen beklemmenden Eindruck".
Christoph Schröder