Rezension über:

Gabriele Baumbach / Cordula Bischoff (Hgg.): Frau und Bildnis 1600 - 1750. Barocke Repräsentationskultur an europäischen Fürstenhöfen (= Kasseler Semesterbücher. Studia Cassellana; Bd. 12), Kassel: kassel university press 2003, 320 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-933146-95-3, EUR 34,00
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Rezension von:
Simone Roggendorf
Anglistisches Seminar, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
Redaktionelle Betreuung:
Sigrid Ruby
Empfohlene Zitierweise:
Simone Roggendorf: Rezension von: Gabriele Baumbach / Cordula Bischoff (Hgg.): Frau und Bildnis 1600 - 1750. Barocke Repräsentationskultur an europäischen Fürstenhöfen, Kassel: kassel university press 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 1 [15.01.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/01/3323.html


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Gabriele Baumbach / Cordula Bischoff (Hgg.): Frau und Bildnis 1600 - 1750

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Wie Gabriele Baumbach und Cordula Bischoff konstatieren, sind "[i]n der Forschung [...] weder das Porträt allgemein - und schon gar nicht das der Frühen Neuzeit - noch speziell die Möglichkeiten der weiblichen Repräsentation im Bildnis hinreichend behandelt." (9) Dieses Forschungsdefizit regte zu der Tagung "Frau und Bildnis 1600-1750. Barocke Repräsentationskultur an deutschen Fürstenhöfen" an, die im Mai 2001 an der Kunsthochschule Kassel stattfand und die sich den (Selbst-)Entwürfen deutscher Fürstinnen in bildkünstlerischen, literarischen und musikalischen Porträtformen widmete. Der nun vorliegende, auch Frankreich und die polnisch-litauische Adelsrepublik berücksichtigende Tagungsband versammelt einen Teil der Beiträge und ist mit einer von Nina Trauth hervorragend zusammengestellten Auswahlbibliographie zum weiblichen Adelsporträt der Frühen Neuzeit im europäischen Raum versehen.

In ihrer Einleitung skizzieren die Herausgeberinnen die Funktionen, Nutzungszusammenhänge und materiellen Ausformungen von Porträts im höfischen Kontext. Da das frühneuzeitliche Bildnis hier vor allem als Repräsentationsmedium fungierte, stehen in den Einzelbeiträgen Fragen nach dem Selbst- und Rollenverständnis des/der Porträtierten, den Repräsentationsabsichten und dem Funktionszusammenhang von Porträts beziehungsweise Porträtgalerien im Vordergrund. Die zumeist kontextorientierte Herangehensweise erweist sich dabei als ebenso fruchtbar und erkenntnisreich wie die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Darstellungs- und Repräsentationsmodi. Um so bedauerlicher ist das Versäumnis der Herausgeberinnen, die Beiträge im Kontext der aktuellen Porträt- und Geschlechterforschung zu situieren, die theoretischen Grundannahmen darzulegen und zentrale Begriffe wie "Repräsentation" zu klären.

Den kunsthistorischen, literatur- und musikwissenschaftlichen Beiträgen ist der grundlegende Aufsatz der Historikerin Heide Wunder vorangestellt. Die Autorin knüpft darin an die neuere geschlechter- und kulturgeschichtliche Forschung an und legt dar, auf welchen dynastie-politischen Konstellationen die repräsentativen Rollen der Frauen des hohen Adels beruhten. Die Autorin liest Dynastie nicht nur als agnatische Herrscherfolge, sondern als komplexes, auf Geschlechtszugehörigkeit beruhendes Beziehungsgeflecht und Handlungsfeld, das auch höfischen Frauen (insbesondere Fürstinnen, Regentinnen und Witwen) einen relativ großen Handlungsspielraum und zahlreiche rollenabhängige Einflussmöglichkeiten bot.

Bis zu welchem Ausmaß historische Realität für politische Repräsentationszwecke hocharistokratischer Frauen verfälscht wurde, zeigt Berthold Hinz in seiner hervorragenden Analyse des Reiterporträts der Maria de Medici. Das Porträt nimmt unter dem Titel Der Triumph von Jülich (1622-25) eine zentrale Stelle in dem von Peter Paul Rubens für das Palais Luxembourg geschaffenen Bilderzyklus ein. Der Zyklus diente nach Hinz der Rehabilitierung der Königswitwe und sollte ihr "politisches Comeback einleiten" (45). Auf Grund der Tatsache, dass Maria de Medici den Krieg um die Jülich-Klevesche Erbfolge aus konfessionellen Gründen zutiefst verabscheute und die strategischen Züge ihres Gatten, Heinrich IV., zu durchkreuzen suchte, liest Hinz das Bild als "eine an monströse Selbstverleugnung grenzende, [...] strikt etatistische" (49) Tatsachen-Revision.

Auch Nina Trauth zielt in ihrem aufschlussreichen Beitrag zu den orientalischen Maskeraden der Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden auf den fragwürdigen Dokumentcharakter von Historienbildern ab. Sie weist die geläufige Lesart der höfischen Maskeraden als Dokumentation bestimmter Kostümfeste und damit als Ereignisbild zurück. Stattdessen schlägt sie vor, diese Bildnismaskeraden als Rollenporträts zu lesen und die Selbstdarstellung in Maskerade "als Prozeß von Grenzziehungen" (81) zu verstehen, der durch Überblendungen von Fremd- und Geschlechterbildern gekennzeichnet ist: "Einerseits verkörpert der Feind [die Türken] das verhaßte Heidentum und kann den im Namen des christlichen Kaisertums erfochtenen Triumph verherrlichen - gleichzeitig wird mit den orientalisierenden Verkleidungen auch die sexuell konnotierte Haremsmetapher aufgerufen." (97)

Die Frage nach den realen historischen Bezügen ist in Cordula Bischoffs Entwicklungsgeschichte des neben dem offiziellen Standesporträt zunehmend an Bedeutung gewinnenden "privaten" Porträttyps der handarbeitenden Fürstin ebenfalls zentral. Wie die Autorin darlegt, löste das der Inszenierung als Privatperson dienende Bild der stickenden Fürstin ab den 1740er-Jahren die tatsächlich stickende (Hoch-)Aristokratin ab. Sie führt dies auf die im 18. Jahrhundert allmählich schwindende Bedeutung der Stickereikunst für die Innenausstattung europäischer Fürstenhöfe zurück, denn "eine gleichzeitige Sinnbildlichkeit von textiler Handarbeit als höchst offizielles Repräsentationsmedium und als Ausweis häuslicher Intimität schlossen sich aus" (267). Erst als die Handarbeit neue Werte wie Häuslichkeit und Privatheit verkörperte, erlangte das Genremotiv der handarbeitenden Frau für Fürstinnen Porträtwürdigkeit und wurde dann vor allem im 19. Jahrhundert zu einem Hauptmotiv in bürgerlichen Frauenporträts.

Welche Bedeutung dem Medium selbst bei den Möglichkeiten weiblicher Subjektkonstitution zukommt, verdeutlicht der interdisziplinär angelegte Beitrag von Heike Talkenberger. Die Betrachtung von Memoiren und Porträts der Sophie von Hannover und deren Urenkelin, Wilhelmine von Bayreuth, ermöglicht die Rekonstruktion unterschiedlicher Fassetten von Individualität und erlaubt damit Rückschlüsse auf ein umfassenderes Selbstbild hochadeliger Frauen. Während die private Schreibform vor allem der retrospektiven Sinnstiftung, der Konfliktbewältigung und der Selbstverständigung sowie -rechtfertigung diente, fungierten die offiziellen Porträts als selbst- und standesbewusste Inszenierungen einer sich vom Ehemann unabhängig denkenden, eigene Bereiche und Rollen gestaltenden Frau.

Eine selbstbewusste Demonstration nicht nur spezifisch weiblicher Rollenvorstellungen, sondern auch der Repräsentations- und Herrschaftsansprüche einer Frau stellt die Oper Talestri der Maria Antonia Walpurgis von Sachsen dar. Dieses "'dreifache' Selbstporträt der dichtenden, komponierenden und sängerisch darstellenden sächsischen Kurfürstin" (113) nahm laut Christine Fischer sowohl im musikdramatischen als auch im zeremoniellen Aufführungskontext eine Sonderstellung ein. Maria Antonia inszenierte sich darin als Amazonenkönigin, die Ideale wie Liebe und Freundschaft verkörpert und die Vereinbarkeit von Weiblichkeit und Regierungsrolle sowie von Liebe und Regierungspflichten vorführt. Aufgeführt wurde die Oper brisanterweise anlässlich der Rückkehr ihres Schwiegervaters, König Friedrich August II., im kurprinzlichen Reithaus. Nach Fischer machten "gerade die bewussten Abweichungen vom Decorum [...] die Talestri -Aufführung zu einem Kommunikationsmittel für Maria Antonias politische Ambitionen" (127).

Wie Michael Wenzel anhand der von Sophia Dorothea von Preußen um 1711 bei dem Hofmaler Antoine Pesne für Monbijou in Auftrag gegebenen Frauenporträtserie plausibel nachweist, konnten auch Schönheitengalerien als politische Stellungnahmen hocharistokratischer Frauen verstanden werden. Der Autor liest die Porträtserie der Kronprinzessin als Demonstration ihrer "oppositionellen" und spezifisch weiblichen Hof- und Repräsentationskultur. Laut Wenzel grenzte sie sich mit ihrer auf den eigenen Hofstaat beschränkten Schönheitengalerie nicht nur bewusst von der Politik, den künstlerischen Aufträgen und der männlichen Hofkultur ihres Gatten, des Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., ab, sondern negierte damit auch die gesamteuropäische Ausrichtung der Hocharistokratie, wie sie beispielsweise noch in der Porträtgalerie der Sophie Charlotte von Preußen in Charlottenburg anschaulich wurde.

Nach Gabriele Baumbach nutzten auch Männer Frauenporträtgalerien für politische und kulturelle Repräsentationszwecke. Die neue Bestandsaufnahme der Schönheiten- und Ahnengalerie, die Landgraf Wilhelm VIII. nach der Übernahme der Regentschaft bei Johann Heinrich Tischbein dem Älteren für Schloss Wilhelmsthal um 1753 in Auftrag gab, führt zu der überzeugenden Deutung der Frauenporträtgalerie als imaginärem Hofstaat. Dieser sollte eine lebendige weibliche Hofkultur vortäuschen, die Besucher auf das Hofleben im Kreise schöner Frauen einstimmen und auf die verwandt- und freundschaftlichen Beziehungen des Landgrafen hinweisen.

Die Bedeutung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei der Darstellung der/des Porträtierten beziehungsweise der/des Auftraggebenden spielt in fast allen Beiträgen eine wichtige Rolle, wird aber vor allem im Beitrag von Sophia Kemlein zentral. Wie die Autorin anhand von Sargporträts stichhaltig nachweist, hatten Frauen keine Teilhabe an der sarmatischen Ideologie, die dem männlich dominierten Adel der polnisch-litauischen Republik seit der Union von Lublin (1569) trotz aller ethnischen und regionalen Unterschiede durch den Abstammungsmythos eine kollektive Identität zu verleihen vermochte. Im Unterschied zu den männlichen Bildnissen sind die Frauenporträts weniger uniform und gegenüber westeuropäischen Einflüsse offen, während die Männer eine rigide Abgrenzungskultur und -politik betrieben.

Helga Meises stärker theoretisierender Beitrag beschäftigt sich mit Wissens- und Machtbedingungen des Porträts als Darstellungs- und Vermittlungsform weiblichen Rollenverständnisses. Die Autorin versteht das Porträt in Anlehnung an Foucault als Dispositiv, als ein "'heterogenes Ensemble', in dem Elemente verschiedener Ordnungen [...] zusammentreten, um auf eine gesellschaftliche Notlage, eine Dringlichkeit zu antworten" (161). Nach Meinung der Autorin markieren Kaspar Stielers Lustspiel Der Vermeinte Printz , die literarischen Porträts der Salonnières und Amaranthes' Frauenzimmer-Lexicon wichtige Schnittstellen, die als Indikatoren für den "Umbau der Geschlechterverhältnisse in der Frühen Neuzeit" (163) gelesen werden können. Während das gemalte Porträt in Stielers Verwechslungskomödie als (selbst-)erkenntnisbeförderndes Wissensbild fungiert und den Salonnières als Mittel und Waffe weiblicher Selbstverständigung in der Querelle des femmes diente, erscheint es bei Amaranthes als Dispositiv und damit als Austragungsort von Macht überholt.

Der Sammelband vereint interessante und gut lesbare Beiträge, die ein facettenreiches, disziplinenübergreifendes Bild weiblicher Repräsentationskultur der Frühen Neuzeit entwerfen und zur weiteren Beschäftigung mit diesem von der Forschung bislang vernachlässigtem Gegenstand anregen.

Simone Roggendorf