Karin Masser: Christóbal de Gentil de Rojas O.F.M. und der lutherische Abt Gerardus Wolterius Molanus. Ein Beitrag zur Geschichte der Unionsbestrebungen der katholischen und evangelischen Kirche im 17. Jahrhundert (= Reformationsgeschichtliche Studien und Texte; Bd. 145), Münster: Aschendorff 2002, 525 S., ISBN 978-3-402-03809-3, EUR 64,00
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Die Bemühungen um eine Vereinigung der seit der Reformation getrennten westlichen Kirchen sind beinahe so alt wie die Kirchenspaltung selbst. Von Anfang an gab es Pläne und Initiativen, die verloren gegangene Einheit wiederherzustellen, sei es durch ein Ökumenisches Konzil, sei es durch Religionsgespräche, sei es durch politische Verhandlungen, sei es mit Gewalt. Bekanntlich haben diese Bestrebungen sämtlich allenfalls partielle Erfolge gezeitigt. Nichtsdestoweniger haben sie immer wieder die Aufmerksamkeit der Kirchenhistoriker aller Konfessionen wie auch der Profanhistoriker gefunden.
Im Zentrum der zu besprechenden Studie, einer Dissertation an der Innsbrucker Katholisch-Theologischen Fakultät, stehen zwei der schillerndsten Persönlichkeiten, die sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts um eine Vereinigung der römisch-katholischen mit der lutherischen Kirche oder, besser gesagt, zumindest einem Teil der lutherischen Landeskirchen bemühten: Christóbal de Gentil de Rojas y Spinola und Gerard Wolter Molan. Wie kontrovers diese beiden Männer von der Forschung bewertet wurden, wird in dem knappen Forschungsüberblick erkennbar, den Karin Masser ihrer Studie voranstellt. Zugleich bezieht die Verfasserin selbst Stellung, indem sie die Rolle ihrer Protagonisten positiver einschätzt, als dies weite Teile der Forschung bisher getan haben, und etwa die Ansicht äußert, dass die Bedeutung Molans in den Unionsverhandlungen - auch zu Gunsten von Gottfried Wilhelm Leibniz - bislang unterschätzt worden sei.
Den historischen Kontext ihres eigentlichen Themas behandelt Masser eher knapp, indem sie unter der Überschrift "Zur Geschichtsmächtigkeit des Konfessionellen im 17. Jahrhundert" (25-39), die von den habsburgischen Kaisern getragene "universalherrschaftliche und universalkirchliche Idee" (26) dem "säkularisierten Katholizismus" (29) französischer Prägung gegenüberstellt und schließlich die "institutionalisierte religiöse Spaltung" (32) im römisch-deutschen Reich behandelt. Eine ausführlichere Einordnung in die Geschichte der kirchlichen Unionsversuche sucht man hingegen vergeblich.
Wesentlich mehr Raum verwendet Karin Masser dagegen auf die Biografie Rojas y Spinolas. Sie schildert den Eintritt in das Kölner Franziskanerkloster, den theologischen Werdegang, die ersten Kontakte zum Kaiserhof und die diplomatischen Missionen, die Rojas y Spinola im Dienst beider habsburgischer Linien seit den 1660er-Jahren unternahm und die vielfach im Kontext der Bestrebungen der Wiener Hofburg zu sehen sind, die Reichsstände gegen die Bedrohung durch die Osmanen und das ludovizianische Frankreich zu mobilisieren und eine Einigung des Reichs in politischer, wirtschaftlicher und konfessioneller Hinsicht voranzutreiben (Kapitel II).
Es war vor allem letzterer Bereich, in dem Rojas y Spinola seit den 1670er-Jahren ein beachtliches persönliches Engagement entfaltete. Seine Bemühungen um eine Rückführung der deutschen Protestanten in den Schoß der Römischen Kirche, die von der Kurie und ihren Vertretern im Reich teils mit Wohlwollen, jedoch auch mit Skepsis und nicht ohne Kritik betrachtet wurden, konzentrierten sich auf das Welfenhaus, wobei zunächst der Konvertit Herzog Johann Friedrich von Hannover und nach dessen Tod (1679) sein Bruder und Nachfolger Ernst August die wichtigsten Adressaten des mittlerweile zum Bischof von Tina ernannten Franziskanerpaters waren.
Wichtigster Verhandlungspartner Rojas y Spinolas auf hannoverscher Seite war der Kirchendirektor und Abt des Klosters Loccum Gerard(us) Wolter(ius) Molan(us), dessen Persönlichkeit, Werdegang und Amtsführung Masser das nächste Kapitel ihrer Darstellung (III) widmet. Mit ihrer insgesamt recht positiven Bewertung Molans setzt sie sich hierbei von einem Großteil der bisherigen Forschung ab.
Im Zentrum der beiden folgenden Kapitel stehen der so genannte Unionskonvent von 1683, die von Rojas y Spinola und Molanus vorgelegten Unionsschriften ("Regulae circa Christianorum omnium ecclesiasticam reunionem", "Methodus reducendae unionis ecclesiasticae inter Romanenses et Protestantes") sowie die sich dagegen sowohl auf katholischer wie protestantischer Seite erhebenden Widerstände, die schließlich dazu führten, dass die Verhandlungen nicht fortgesetzt wurden und Rojas y Spinola sich in sein Bistum Wiener Neustadt zurückzog, zu dessen Bischof er 1685 von Kaiser Leopold I. präsentiert wurde - was von Masser weniger als Belohnung denn als eine Art Abschiebung dargestellt wird (323).
Das letzte Kapitel ist den Bemühungen Rojas y Spinolas um ein Wiederaufgreifen der Unionsgespräche seit den ausgehenden 1680er-Jahren bis zu den letzten Verhandlungen zwischen Molanus und dem Nachfolger Rojas y Spinolas als Bischof von Wiener Neustadt, Franz Anton Graf Buchheim-Schönborn, gewidmet. Deutlich wird die gestiegene Bedeutung Gottfried Wilhelm Leibniz' in dieser Phase der Verhandlungen, auch im Rahmen des Austauschs zwischen Molanus und Bossuet.
Auf recht eigentümliche Weise beendet Karin Masser ihre Darstellung: Um Molan, der "kein Krypotkatholik" gewesen sei, aber niemals "einen ausschließlich konfessionellen Standpunkt verteidigen" wollte, wirklich gerecht [zu] beurteilen, und das heißt [zu] vermeiden, daß allein aus der Sicht dessen geurteilt wird, der über ihn befindet" (413), druckt sie - ohne weiteren Kommentar - das Testament des Loccumer Abts ab (414-426). Die Schlussbetrachtung nutzt Karin Masser nicht nur zur Zusammenfassung ihrer Ergebnisse, sondern auch dazu, sie in Beziehung zum derzeitigen ökumenischen Gespräch zu setzen.
Der nicht zu gering zu veranschlagende Wert der Studie liegt darin, dass erstmals alle verfügbaren Informationen über Rojas und Molan zusammengefasst worden sind. Wirklich neue Erkenntnisse kann Masser jedoch nur für Teilbereiche beibringen, insbesondere etwa für die frühe Biografie Rojas y Spinolas. Andere Aspekte, wie zum Beispiel die ungarischen Verhandlungen des Bischofs, bleiben nach wie vor einigermaßen undeutlich - was allerdings nicht zuletzt auch mit der extrem schwierigen Quellenlage zusammenhängt. Positiv hervorzuheben ist, dass neben der theologie- und im engeren Sinne kirchengeschichtlichen Dimension auch dem profanhistorischen Kontext große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Allerdings gewinnt man gelegentlich den Eindruck, dass die Theologin auf dem Gebiet der Diplomatie- sowie der Reichsverfassungsgeschichte nicht recht zuhause ist. So lässt sich die Vorstellung "reichsrechtlich verankerter fürstlicher Souveränität" (23) schwerlich mit den Ergebnissen der Reichsgeschichtsforschung der vergangenen Jahrzehnte vereinbaren - deutsche Reichsstände waren eben nicht souverän. Der Blick in die Fußnoten und in das Literaturverzeichnis lehrt, dass sich Masser für den historisch-politischen Kontext in der Tat vielfach auf ältere Arbeiten stützt. Auch eine wichtige Neuerscheinung zum Kern des Themas ist bei der Überarbeitung der Dissertation für den Druck nicht berücksichtigt worden.[1] Kritisch anzumerken ist ferner, dass leider alllzu viele (Flüchtigkeits-)Fehler stehen geblieben sind.
Der Band wird abgeschlossen durch einen umfangreichen Dokumentenanhang. Ein Register fehlt jedoch bedauerlicherweise.
Anmerkung:
[1] Heinz Duchhardt / Gerhard May (Hg.): Union - Konversion - Toleranz. Dimensionen der Annäherung zwischen den christlichen Konfessionen im 17. und 18. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz; Beiheft 50), Mainz 2000.
Matthias Schnettger