Bert-Oliver Manig: Die Politik der Ehre. Die Rehabilitation der Berufssoldaten in der frühen Bundesrepublik (= Veröffentlichungen des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen; Bd. 22), Göttingen: Wallstein 2004, 640 S., ISBN 978-3-89244-658-3, EUR 48,00
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Wie gestaltete sich die Ankunft von "Hitlers Eliten" in der Bundesrepublik? Welcher Preis war für ihre Integration in die westdeutsche Gesellschaft zu entrichten? Und weshalb konnte die zweite deutsche Demokratie trotz der hohen personellen Kontinuität innerhalb der Funktionseliten ein Erfolg werden? Fragen wie diese werden von der deutschen Zeitgeschichtsschreibung seit einigen Jahren vielfältig thematisiert. [1] Für die Berufssoldaten liegt mit der überarbeiteten Fassung der Göttinger Dissertation von Bert-Oliver Manig jetzt eine umfangreiche Studie über eine Berufsgruppe vor, die von der alliierten Entnazifizierungspolitik zunächst in besonderem Maße betroffen war.
Manig hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Rehabilitierung in den Jahren 1945 bis 1953 als politischen Prozess zu beschreiben (8). Diesen Vorgang analysiert er in seiner chronologisch aufgebauten Studie in fünf Hauptkapiteln. Nach einer kurzen Skizze der Ausgangslage im Jahr 1945 schildert er im zweiten Kapitel die Auseinandersetzungen um die Offizierspensionen in der Besatzungszeit. Im Hauptteil der Arbeit analysiert Manig die Politik der Soldatenverbände nach Gründung der Bundesrepublik, wobei er drei Phasen unterscheidet: (I) die Jahre 1949 bis 1951, in denen der regierungsnahe "Bund versorgungsberechtigter Wehrmachtsangehöriger" eine dominierende Rolle spielte; (II) die Hochkonjunktur des Soldatennationalismus 1951 und schließlich (III) die rasche Deradikalisierung und bürgerliche Integration der Soldaten in den Jahren 1952 und 1953.
Manig schildert die Soldatenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg als "Kampf" um materielle Interessen auf der einen und bürgerliche Anerkennung auf der anderen Seite. Dabei besticht seine Studie durch die minuziöse Rekonstruktion verbandsinterner Kommunikationsstrukturen, die er in ihrer engen Verflechtung mit den Bonner Regierungsstellen, und insbesondere dem Amt Blank, analysiert. Damit geraten auch Themen in den Blick des Autors, die zunächst exotisch anmuten, in den zeitgenössischen Debatten aber eine nicht unerhebliche Wirkmacht entwickeln konnten, wie insbesondere das Kapitel über die "Selbstmordwelle in Offiziersfamilien" zeigt. Die Stärke dieses methodischen Zugriffs erweist sich aber auch an klassischeren Untersuchungsgegenständen wie den Debatten um den 20. Juli und die Generalamnestiebewegung.
In Anlehnung an Norbert Frei und sein Konzept der "vergangenheitspolitischen Grenzmarkierung" [2] entwickelt Manig in seiner Darstellung eine üppig wuchernde Grenzmetaphorik. Die Frage nach Fähigkeit und Bereitschaft der Parteien zur Grenzsetzung gegenüber nationalistischen Tendenzen zieht sich als roter Faden durch die gesamte Studie. Dabei wird den Eingriffen der Besatzungsmächte in den Prozess der "Privatisierung" antidemokratischer und nationalistischer Ressentiments große Bedeutung zugemessen. Zwar sei kein Urteil darüber möglich, wie weit die Konzessionsbereitschaft der Bundesregierung unter anderen Umständen gereicht hätte, aber: "Die nähere Betrachtung der Entwicklung der Soldatenpolitik im Jahre 1951, als man sich bereits von den Fesseln des Besatzungsrechts frei wähnte, die Popularität der Amnestiebewegung und noch die Anpassungsbereitschaft der demokratischen Parteien im Wahlkampf 1953 legen hier ein sehr pessimistisches Urteil nahe. Dank der ständigen Interventionsbereitschaft der Besatzungsmächte wurde der politische Test auf die Härte des Nachkriegsnationalismus nicht gemacht." (599f.)
Zu bedauern ist dagegen die Entscheidung des Autors, ausgerechnet seine Untersuchung über den Manstein-Prozess für die Druckfassung zu streichen (31). Insgesamt wird der Leser eher beiläufig über die Nachkriegskarrieren hochrangiger Offiziere informiert, die sich unter anderem im neu gegründeten Amt Blank zusammengefunden hatten. [3] So hätte die Tatsache, dass Speidel trotz seiner verantwortlichen Stellung in der Pariser Besatzungsverwaltung auch nach dem Krieg einen "guten Kontakt zur französischen Militärverwaltung" haben konnte (204), der Ausgangspunkt für spannende Fragen nach transnationalen Gesprächszusammenhängen und grenzüberschreitenden Standesinteressen werden können. In Frankreich war Speidel so unumstritten nämlich nicht, wie Manig uns glauben machen möchte. Ulrich Lappenküper hat in seiner umfassenden Studie zu den deutsch-französischen Beziehungen erst kürzlich darauf hingewiesen, dass die französische Regierung seiner Wiederverwendung mit erheblichen Vorbehalten begegnete. [4]
Anzumerken ist schließlich, dass der Verzicht auf ein Namensverzeichnis bei dem stattlichen Seitenumfang von mehr als 600 Seiten für den Benutzer eine gewisse Herausforderung darstellt; dem schnellen Zugriff zumindest bleibt das Werk damit weitgehend verschlossen. Der geduldige Leser aber wird in der flüssig geschriebenen Darstellung viel Neues erfahren über das Selbstverständnis einer deklassierten Elite in den Gründerjahren der Bundesrepublik und ihre schrittweise Einbindung in eine demokratisch verfasste Gesellschaft.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903-1989, Bonn 1996.
[2] Vgl. Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1996.
[3] Vgl. Alaric Searle: Wehrmacht Generals, West German Society, and the Debate on Rearmament, 1949-1959, Westport 2004. Vgl. hierzu die Rezension von Edward B. Westermann in dieser Ausgabe; http://www.sehepunkte.de/2004/09/5377.html
[4] Vgl. Ulrich Lappenküper: Die deutsch-französischen Beziehungen 1949-1963, München 2001, 599f.
Claudia Moisel