Marcus Junkelmann: Hollywoods Traum von Rom. "Gladiator" und die Tradition des Monumentalfilms (= Kulturgeschichte der antiken Welt; Bd. 94), Mainz: Philipp von Zabern 2004, XI + 462 S., ISBN 978-3-8053-2905-7, EUR 59,90
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Marcello Ghetta: Spätantikes Heidentum. Trier und das Trevererland, Trier: Kliomedia 2008
Als im Jahr 2000 "Gladiator" in die Kinos kam, handelte es sich um den ersten Antikfilm seit A. Manns "Fall of the Roman Empire" von 1964 und die Wiederbelebung eines Genres, das bei Vielen schon als endgültig ausgestorben galt. So kam in Polen 2001 eine neue "Quo Vadis?" Verfilmung in die Kinos, 2004 wurde "Troja" erobert, und Produktionen über das Leben Alexanders, Hannibals und Kyros des Großen stehen in den Startlöchern. Dieses Revival des Antikfilms und der Umstand, dass in modernen Gesellschaften Geschichtsbilder wesentlich durch Fernseh- und Kinofilme konstituiert werden, hat dazu geführt, dass sich auch Alte Geschichte, Klassische Philologie und Archäologie verstärkt mit der Rezeption ihrer Inhalte im Film auseinandersetzen. Dabei stehen vor allem Fragen nach der Funktion von Geschichte im Film im Mittelpunkt des Interesses. Es geht darum, welche Geschichtsbilder zum Gegenstand filmischer Auseinandersetzungen werden und welche darstellungstheoretischen und -praktischen Optionen - insbesondere im Spannungsfeld von Narration und Bildlichkeit - für den Transfer von wissenschaftlichen in filmische Geschichtsdarstellungen und umgekehrt relevant sind.
In diesen Kontext gehört auch das Werk des Münchener Archäologen Marcus Junkelmann, das in 17 in sich weitgehend abgeschlossenen Kapiteln (inklusive Einleitung) zunächst "grundsätzliche Probleme des Genres" (3) und im zweiten Teil Ridley Scotts "Gladiator" untersucht, wobei hier einige ältere Filme - wie etwa "Fall of the Roman Empire" oder "Spartacus" - mit in die Analyse einbezogen werden. Dabei stellt Junkelmann seinen Idealtyp "Antikfilm" folgendermaßen dar: "Authentizität und filmische Wirksamkeit brauchen sich meines Erachtens keineswegs auszuschließen, wie viele Drehbuchautoren und Regisseure leider zu glauben scheinen. Der Idealfall bestünde vielmehr in der konsequenten visuellen und dramaturgischen Erschließung und Ausbeutung der Fakten, die ja meist viel packender und interessanter sind als alle Erfindungen und Klischees" (2). Von dieser Bestimmung des idealen Verhältnisses aus analysiert Junkelmann in den Produktionen Hollywoods festzustellende Abweichungen und kritisiert diese.
Nach einem kurzen Kapitel über die "Wiedergeburt eines totgeglaubten Genres" durch "Gladiator" und einer Übersicht über die Reaktionen auf den Film (5-11) folgen Überlegungen zum Genre des Historienfilms (13-21). Im Folgenden geht Junkelmann auf die Gründe ein, die dazu führen, dass der Plot von Antikfilmen und die Rekonstruktion der Vergangenheit durch den Historiker teilweise deutlich voneinander abweichen. Insgesamt sind es vier Faktoren, die von ihm herausgearbeitet werden: Zum Ersten mache die zur Verfügung stehende Länge des Films eine Straffung des Materials notwendig; daneben besitze das historische Geschehen "in aller Regel nicht sämtliche von den Filmleuten gewünschten Elemente" (25), es gebe in Film und Drama den Drang, "kollektive Entwicklungen auf Entscheidungen und Taten einiger weniger Übermenschen zu reduzieren" (25), was Junkelmann mit dem "Starsystem" Hollywoods in Verbindung bringt, und schließlich fehle die Einbeziehung von Historikern in die Produktion von Antikfilmen, ein Punkt, dem Junkelmann nach einem Erfahrungsbericht K. M. Colemans, die als Beraterin bei der Produktion von "Gladiator" involviert war (44f.), ein eigenes Kapitel widmet (47-59).
Die Tradition, in welcher die Bildkompositionen moderner Antikfilme stehen, ist das Thema des folgenden Kapitels (61-119): Ausgehend von dem Bericht Ridley Scotts, er sei durch Jean-Léon Gérômes Gemälde "Pollice verso" inspiriert worden, einen Römerfilm zu drehen, zeichnet Junkelmann den Einfluss der Historienmalerei, des historischen Romans und der Theaterinszenierungen des 19. Jahrhunderts auf den entstehenden Antikfilm nach. Dessen Entwicklung von den ersten italienischen Produktionen der Stummfilmzeit über die monumentalen Hollywood-Filme der 50er-Jahre bis zur Krise des Genres steht im Folgenden im Mittelpunkt seiner Ausführungen, wobei auch die Instrumentalisierung des Films etwa im faschistischen Italien oder in der Zeit des Kalten Krieges kurz thematisiert wird. Für den Niedergang des Genres macht Junkelmann aber weniger politische oder gesellschaftliche Veränderungen als vielmehr die "abschreckenden finanziellen Risiken" (109) verantwortlich, die die Studios bewogen hätten, bis "Gladiator" keine Antikfilme mehr zu produzieren.
In dem Kapitel "Anziehen und Ausziehen" (117-149) widmet sich Junkelmann einem der zentralen Charakteristika des Antikfilms, nämlich den verwendeten Kostümen. Auch hier kann der Autor zeigen, wie stark zum einen der Einfluss des 19. Jahrhunderts ist, zum anderen, wie sich in den Kostümen der Schauspieler der jeweilige Stil der Zeit widerspiegelt. Vor allem bei Frauenkostümen und Make-up beklagt Junkelmann ausführlich die Differenzen zwischen dem rekonstruierbaren Vorbild und den Ausführungen durch die Requisite. Nur kurz geht er hingegen auf die Rolle, die Details als Zeichen zur Evozierung einer bestimmten Epoche besitzen, ein.
Das folgende Kapitel (151-165) dient dazu "an einem exemplarischen Fall darzustellen, wie historische Expertise von den Autoren, vom Produzenten, vom Regisseur, vom Verleih und selbst von einigen der Schauspieler zum Vehikel ihrer politischen und künstlerischen Ambitionen und ihrer persönlichen Animositäten gemacht wird, und was von ihr am Ende übrig bleibt" (151). Junkelmann verfolgt hier anhand des gut dokumentierten Films "Spartacus", wie sich ausgehend von der Romanvorlage, die H. Fast 1951 vorgelegt hatte, über die Ausarbeitung des Drehbuches bis hin zu weiteren Veränderungen während des Drehs und schließlich dem Schnitt Aussageabsicht und intendierte Aktualisierung des Stoffes änderten.
In der folgenden zweiten Hälfte des Bandes steht nun die Analyse von "Gladiator" und der Vergleich dieses Films vor allem mit Manns "Fall of the Roman Empire" im Mittelpunkt. Am Anfang steht der Vergleich der Prologe dieser beiden Filme sowie desjenigen von "Quo Vadis?", um so den unterschiedlichen Umgang der Filme mit der Antike zu verdeutlichen (167-176). In einem weiteren Abschnitt werden die Handlungen von "Gladiator" und "Fall" miteinander verglichen, wobei sowohl die Übereinstimmungen in Rahmenhandlung und Personenkonstellation als auch die Differenzen zwischen Original und Remake deutlich gemacht werden (177-193). Es folgt die Analyse der Schlachtsequenz, mit welcher "Gladiator" beginnt. Auch hier steht der Nachweis der Fehler, die Scott in der filmischen Umsetzung der Schlacht gemacht hat, im Vordergrund. Der Einsatz des Feuers wird ebenso wie die Reiterattacke einer umfassenden Kritik unterzogen. Von größerem Interesse als die Auflistung von Fehlern und Versäumnissen des Regisseurs ist dabei die Verbindung der Schlachtszene mit ähnlichen Szenen in "Saving Private Ryan" oder "Path of Glory". Ähnliches gilt auch in Bezug auf die Ausführungen zur "Welt der Arena" (215-269): Auch hier sind es nicht die Detailfehler, die Junkelmann in extenso nachweist, wie etwa die falschen Waffen und Rüstungen der Gladiatoren (239-247), der falsche Umgang mit ihnen (247), das zu hohe Gewicht der gezeigten Wagen (253) oder Fehler bei Kreuzigungen (257; die Liste ließe sich beliebig verlängern), sondern die Bezüge zu anderen Filmen und die Rolle von Zitaten, durch welche ein Genre konstituiert wird.
Der Visualisierung der Größe Roms ist das folgende Kapitel gewidmet (271-303). Junkelmann kann hier zeigen, wie nicht durch die präzise Rekonstruktion, sondern durch Monumentalisierung der Eindruck von Größe vermittelt wird. Auch geht er der Bedeutung faschistischer Ästhetik für die Bildkomposition in "Gladiator" nach. Dem folgen Überlegungen zur Funktion der Römer im Film und der Antikfilmen inhärenten Aktualisierung des gezeigten Stoffes, das heißt der Übersetzung des Plots in die Zeit des Rezipienten (305-347). Es wird deutlich, wie in Hollywoodproduktionen der 50er-Jahre das kaiserzeitliche Rom als Chiffre für faschistische oder kommunistische Systeme Verwendung fand, während es in "Fall of the Roman Empire" als Analogie zur USA und der von ihr betriebenen Außenpolitik wurde. Das Buch endet mit einer Analyse der Sterbeszenen in "Gladiator" (349-360). Eine Filmografie und ein umfangreiches Literaturverzeichnis runden den Band ab.
Es ist darüber hinaus auf die herausragende Ausstattung des Bandes zu verweisen. So finden sich hochwertige Abbildungen von Filmplakaten, Standbilder aus den erwähnten Filmen, Fotos vom Set ebenso wie Abbildungen von Historiengemälden und archäologischem Material, die die Argumentation Junkelmanns illustrieren.
Insgesamt leistet das Buch das, was in der Einleitung versprochen wurde: Es ordnet "Gladiator" in den Kontext des amerikanischen Antikfilms ein, vergleicht die filmische Rekonstruktion mit derjenigen des Historikers und weist Fehler nach. Die unterschiedlichen Logiken von Film und Wissenschaft, der gesellschaftliche Bezug, der für Konjunkturen des Genres verantwortlich zu machen ist, die Auswahl der Geschichtsbilder und die Funktionalisierung des Mediums werden hingegen nicht oder nur kurz thematisiert.
Jan Timmer