Klaus Bringmann / Thomas Schäfer: Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums (= Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt), Berlin: Akademie Verlag 2002, 394 S., 2 Karten, ISBN 978-3-05-003054-8, EUR 34,80
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Die Verfasser wollen darlegen, wie Augustus die neue Staatsform des Prinzipats schuf und durch Anknüpfung an politische Organisationsformen der späten römischen Republik seine Herrschaft zu legitimieren vermochte. Zentrale Themen bilden dementsprechend die politische Ordnung und die Gesellschaftsstruktur Roms unter Augustus und sein Herrschaftsinstrumentarium. Nicht behandelt werden die augusteische Kunst und Literatur mit Ausnahme der Baukunst, die Schäfer als Ausdruck der Selbstdarstellung des Augustus erörtert. Die übrigen Kapitel hat Bringmann verfasst.
Das Werk ist in der Reihe "Studienbücher Geschichte und Kultur der Antike" erschienen und nach den hierdurch bedingten Vorgaben in einen darstellenden Teil und eine ergänzende Zusammenstellung relevanter Quellen in deutscher Übersetzung gegliedert. Die Quellensammlung enthält zahlreiche Literaturhinweise und kommentierende Anmerkungen sowie viele Illustrationen, und zwar insbesondere Münzabbildungen. Ein umfangreicher Anhang mit Zeittafel, Quellenverzeichnis, Arbeitsbibliografie, Glossar, einer Stammtafel der Familie des Augustus, einer Tabelle der parthischen und armenischen Herrscher und einem Personenverzeichnis erleichtern die Benutzung des Buches und bieten zusätzliche Informationen.
In der einleitenden Reflexion über "Augustus' Stellung in der römischen Geschichte" hebt Bringmann hervor, dass es dem ersten Prinzeps gelungen sei, seine Position in der res publica zu legalisieren und im öffentlichen Bewusstsein der Bürger zu legitimieren. Dass Oktavians Aufstieg zur Alleinherrschaft aber eine breite Blutspur hinterlassen hatte, verdeutlicht Bringmanns Skizze der Ereignisse von der Ermordung Caesars bis zum Untergang des Marcus Antonius und der Kleopatra.
In der Darstellung des frühen Prinzipats thematisiert Bringmann zunächst die "öffentlichrechtliche Begründung" der Herrschaft des Augustus (45-54). In diesem Abschnitt stehen selbstverständlich die staatsrechtlichen Regelungen der Jahre 27 und 23 vor Christus im Mittelpunkt. Nach Auffassung Bringmanns hat der Machthaber im Zusammenhang mit der Zuerkennung des neuen Ehrentitels "Augustus" Anfang 27 vor Christus die ihm übertragene umfassende, aber zunächst auf zehn Jahre begrenzte Kommandogewalt in den noch nicht endgültig "befriedeten" Provinzen aufgrund seiner Position als Konsul bis zum Jahre 23 ausgeübt (48). Bringmann schließt sich somit in der Beurteilung der Befehlsgewalt des Augustus der Forschungsthese an, dass dieser erst 23 vor Christus ein qualitativ neues Imperium erhalten habe, das nach der modernen (nicht der antiken) Terminologie als imperium proconsulare maius bezeichnet wird. Diese Interpretation der Regelungen 27 und 23 vor Christus ist freilich problematisch. Cassius Dio (53,12,1-7) hat zwar die Befugnisse, die Augustus 27 erhielt, nicht terminologisch exakt klassifiziert, doch setzt der Historiker (53,32,5) in seinem Bericht über Augustus' Maßnahmen Mitte 23 vor Christus offenbar voraus, dass der Prinzeps nach diesem Zeitpunkt ein ihm schon früher, und zwar seit 27, übertragenes imperium proconsulare in erweiterter Form ausübte. Dies besagt, dass die Amtsgewalt, die Augustus nach seinem Rücktritt vom Konsulat Mitte 23 im gesamten Imperium Romanum ausübte, höher als die der jeweiligen Provinzstatthalter sein sollte und insofern fortan eben ein imperium proconsulare maius darstellte.
In der Frage des imperium consulare vertritt Bringmann die Auffassung, dass Augustus 19 vor Christus umfassende konsularische Befugnisse erhielt. Der Wortlaut des Textes bei Cassius Dio (54,10,5) lässt aber eher darauf schließen, dass der Prinzeps 19 vor Christus die besondere Ehre eines Konsuls - die sella curulis und die 12 Liktoren - in Anspruch nehmen konnte.
In weiteren Kapiteln behandelt Bringmann die materiellen Grundlagen der Macht des Augustus, das Verhältnis des Prinzeps zum Senat, zum Ritterstand und zur Armee, seine Leistungen für Rom und Italien und so genannte innere Reformen. Eingefügt sind in diesen Kontext die Ausführungen Schäfers zu den Baumaßnahmen des Augustus.
Es ist beiden Verfassern gelungen, auf begrenztem Raum die wesentlichen Probleme der jeweiligen Themenkomplexe aufzuzeigen. So wird deutlich, dass die von Augustus durchgeführten Reformen die Tradition der "Verrechtlichung" des mos maiorum weiterführten (89) und dass die Akzeptanz, die der Prinzeps in Senatskreisen, bei der Armee und bei der plebs urbana fand, von entscheidender Bedeutung für die Stabilisierung seiner Herrschaft war.
In seiner Skizze der Außenpolitik des Augustus behandelt Bringmann schwerpunktmäßig das umstrittene Problem der Motive und Ziele der römischen Aktionen im rechtsrheinischen Germanien im frühen Prinzipat. Bringmann geht davon aus, dass Augustus eine "Provinzialisierung Germaniens" anstrebte (103). Insofern schließt sich Bringmann hier einer verbreiteten Forschungsthese an, die freilich auch immer wieder angezweifelt worden ist. So hat kürzlich Peter Kehne darauf hingewiesen, dass die rechtsrheinischen römischen Feldzüge in der Zeit des Augustus nicht zuletzt einer außen- und sicherheitspolitischen Legitimierung des ersten Prinzeps dienten. [1] Zu beachten ist zudem, dass im rechtsrheinischen Germanien damals noch vorstaatliche Strukturen bestanden und hierdurch sich für die Römer große Schwierigkeiten ergaben, die Verhältnisse dort unter Kontrolle zu bringen. Sie waren gezwungen, über ranghohe Personen in diesem Raum Einfluss zu gewinnen, konnten hierdurch aber keine verlässlichen Stützen für ihre eigene Herrschaftsorganisation finden. Unter diesen Umständen war schwerlich schon eine Grundlage für eine Provinzialisierung gegeben.
Abschließend skizziert Bringmann Grundzüge der "Reichsverwaltung" unter Berücksichtigung demografischer Fragen sowie Augustus' Regelungen der Nachfolge im Prinzipat und das Bild des Prinzeps in der Öffentlichkeit, die nach dem Chaos der Bürgerkriege die Wiederherstellung der inneren Ordnung durch Augustus anerkannt und ihn "als Retter des Staates und der zivilisierten Welt wie einen Gott" geehrt habe (127). Bringmann erinnert in diesem Zusammenhang freilich auch an den blutigen Weg "des jungen Caesar zur Macht". Insgesamt ist Bringmanns Urteil über die Leistung des Augustus aber in starkem Maße geprägt von seiner Überzeugung, "daß die Republik der Kette von Gewalt und Bürgerkrieg mit ihren Mitteln nicht mehr Herr werden konnte" (128). Diese These ist zweifellos problematisch. Die augusteische Propagandaphrase von der res publica restituta kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begründer des Prinzipats zu den Totengräbern der res publica libera zählte, wenn auch die republikanische libertas ein ambivalenter Begriff war.
Für Studierende der Geschichte ist das Buch von hohem Informationswert.
Anmerkung:
[1] P. Kehne: Limitierte Offensiven: Drusus, Tiberius und die Germanienpolitik im Dienste des augusteischen Prinzipats, in: J. Spielvogel (Hg.): Res publica reperta. Festschrift für Jochen Bleicken zum 75. Geburtstag, Stuttgart 2002, 297-321, hier 318.
Karl-Wilhelm Welwei