Anne Richardot: Le rire des Lumières (= Les Dix-Huitièmes Siècles; 61), Paris: Editions Honoré Champion 2002, 310 S., ISBN 978-2-7453-0507-7, EUR 45,00
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Ist das Lachen seit der Antike und in Frankreich insbesondere seit der Renaissance (es sei hier nur auf Rabelais' Zitat "le rire est le propre de l'homme" erinnert) als Spezifikum des Menschen ausführlich gedeutet worden, so ist hingegen die speziell gesellschaftliche und somit kulturgeschichtliche Dimension dieser menschlichen Erscheinung dort erst mit Bergsons Rire (1900) thematisiert und von da an bis George Minois' meisterhafter Histoire du rire et de la dérision (1999) und Antoine de Baecques Les Eclats de rire. La culture des rieurs au XVIIIe siècle (2000) Gegenstand zahlreicher Studien gewesen. Hatte Letzterer sein Augenmerk auf das Lachen der Revolution als Ergebnis einer dreifachen, aus "bel esprit", "farce" und "gaieté" bestehenden und zugleich hoch politisch geprägten Traditionslinie gerichtet, so stellt die Soziabilität sowie die mit ihr einhergehende Sorge um eine als ihre Grundlage betrachtete Kontrolle über die Körperlichkeit und die Affekte den Hintergrund der ideengeschichtlich geführten und sehr gut dokumentierten Analyse Annie Richardots dar.
Aus dieser Perspektive erklärt sich die überwiegende Ablehnung des Lachens in den erzieherischen Schriften des 18. Jahrhunderts, gehört es doch zu den schwer kontrollierbaren Erscheinungen des menschlichen Körpers. Darüber hinaus wird aus der postulierten Verbindung zwischen dem Lachen und einer bei den Pädagogen der Aufklärung stets verdächtigen Sexualität eine radikale Ablehnung des als grotesk und obszön empfundenen Lachens abgeleitet. Verstärkt wird diese durch die Entwicklung eines medizinischen Diskurses, der in Ablehnung einer langen Tradition, die das Lachen als Zeichen einer gesunden Vernunft deutete, dieses nunmehr als Symptom einer organischen Dysfunktion präsentiert. Andererseits wird in der Folge von Hobbes das Lachen als Merkmal einer Überheblichkeit angesehen, die das Ideal einer durch das gegenseitige Wohlwollen (bienfaisance) ihrer Mitglieder geprägten Gesellschaft gefährdet: "le rire est en effet sécessioniste et contredit l'idéal d'unité et de réciprocité entre les âmes dont le siècle rêve de manière quasi fantasmatique. La fiction entretient à grands frais, surtout dans la seconde moitié du siècle, cet imaginaire de la relation, compromise par d'importuns plaisants: le portrait du méchant se confond désormais souvent avec celui du rieur" (44).
Den Paradigmawechsel, der dem Lachen widerfährt, illustriert Anne Richardot durch eine sehr überzeugende Darstellung der Art und Weise, wie Demokrit als Leitfigur der Philosophen allmählich durch Heraklit abgelöst wird. Während das Bild des homo ridens lange bevorzugt wurde, wird hingegen im 18. Jahrhundert der Heraclitus flens wegen des Mitgefühls, das er für seine Mitmenschen aufbringt, gepriesen. Dabei arbeitet die Autorin den Zusammenhang zwischen dem Bild Heraklits und der Entstehung einer neuen Sensibilität sorgfältig heraus, die das segregierende Lachen zu Gunsten der flüssigen Rhetorik ("rhétorique liquide") der Tränen zurückweist.
Eine solche abwertende, da auf dem Verständnis einer die Gesellschaft regulierenden guten Kommunikation beruhende Analyse des Lachens modifiziert ebenfalls die Regeln der für die höfisch-aristokratischen Kultur Frankreichs so prägnanten Konversationskultur, wie es die Verfasserin im zweiten Teil ihrer Studie "La scène mondaine: De la raillerie au persiflage" zeigt. Die Salonkultur der französischen Klassik betrachtet das Lachen als Bestandteil einer auf das Gefallen (plaire) gerichteten aristokratischen Urbanität. Sogar das Lästern (raillerie) lässt die aristokratische Konversation zu, sofern es bestimmten Regeln entspricht, die man als eine Art Vertrag innerhalb einer Kaste betrachten könnte.
Hätte Richardot bei Berücksichtigung einiger Erträge aus der von ihr vollkommen ignorierten deutschen Konversationsforschung (vergleiche unter anderem die Arbeiten Fritz Schalks oder Claudia Schmölders') ihre Analyse vielleicht differenzierter gestalten können, so bleibt dennoch ihre Feststellung richtig, dass im Zuge der sich entwickelnden Kritik der Höflichkeit das Lachen in der Konversation zunehmend infrage gestellt wird. Sehr gelungen ist dabei das Kapitel zum Schönling (petit-maîtres), das auf eine dritte Begründung verweist, um das Umkehren in der Wertung des Lachens in der Konversation zu erklären. Zielte das Lachen früher auf einen besseren Zusammenhalt innerhalb einer sozialen Schicht, so erweist es sich bei den petits-maîtres als ein stetiges Mittel zur Sprengung einer als künstlich empfundenen Höflichkeit. Fluchtpunkt des Gesprächs ist nicht mehr das Gefallen, sondern das Verführen, und das Lachen ist Zeichen der Zugehörigkeit nicht mehr zu einer Kaste, sondern zu einer Sekte. Die fein geregelte und schonende raillerie weicht nicht zuletzt der ungebremsten beleidigenden persiflage in einem Prozess, den Anne Richardot pointiert als "glissement d'un rire grégaire à un rire qui nie toute communauté" bezeichnet (123).
Diese die Werte innerhalb der aristokratischen Welt infrage stellende Entwicklung ebnet auch den Weg zu einer verstärkten, aber bürgerlich geprägten Kritik der elitären Kultur und somit zu einer Politisierung der Debatte über das Lachen.
Bevor die Autorin im dritten Teil ihrer Studie ("Rire national, rire politique") auf die explizite politische Dimension des Lachens eingeht, thematisiert sie den Frohsinn als Komponente sowohl der von Fremden hervorgehobenen Nationaleigenschaften der Franzosen (so zum Beispiel bei Beat Louis de Muralts Lettre sur les Anglais et les Français von 1725) als auch des französischen Selbstverständnisses. [1] Die Franzosen beanspruchen das Lachen als Nationaleigenschaft dermaßen für sich, dass sie um die Mitte des Jahrhunderts nach einem französischen Ursprung des für sie zuerst schwer verständlichen englischen Humour suchen. Bereits hier ist eine politische Komponente implizit vorhanden, da die Autoren gleichzeitig ein Schwinden des französischen Frohsinns im Laufe des Jahrhunderts konstatieren, das mancher Autor auf eine zunehmend gespaltene Gesellschaft zurückführt. Dies kommt in der Wahrnehmung der im Ancien Régime zahlreichen Feste im besonderen Maße zum Tragen und lässt im Gegenzug den Wunsch nach Festen antiker Art entstehen, in denen sich die Vertreter aller gesellschaftlichen Schichten zwanglos mischen konnten.
Verarbeiten Mercier und Rousseau diesen Traum in literarisch fiktiven Werken, so ermöglicht die Revolution eine zeitweilige Verwirklichung der Fiktion eines fröhlichen ständeübergreifenden Festes. Das Apolitische solcher Feste weicht dennoch rasch wieder einem politischen Nutzen des Lachens: Das Lachen der Jakobiner in der zum Possenspiel werdenden Hinrichtung der Adligen lässt das als Bedrohung empfundene Lachen der Aristokraten ersticken. Politisiert wird das Lachen darüber hinaus, weil der Zusammenhang zwischen den politischen Institutionen und der Entstehung des Lachens unter anderem bei Caraccioli, Cerruti oder Madame de Staël thematisiert wird, die zum Ergebnis kommen, dass das Lachen als eine Eigenschaft, die sich nur in einer Monarchie zu entwickeln vermöge, mit der einem Bürger ziemenden Ernsthaftigkeit nicht vereinbar sei.
Nach diesem, allerdings weniger innovativ wirkenden Kapitel fokussiert Annie Richardot im letzten Teil ihrer Studie ("La littérature au péril du rire") auf das Lachen als Grundelement des literarischen Wirkens Rousseaus, dessen Schaffen dem Versuch entstamme, das Lächerliche, das an ihm hafte, zu entkräften, denn "le geste autobiographique cherche à défendre son auteur, tâchant de décaricaturer l'image risible qui s'est imposée, de redonner au personnage une épaisseur humaine perdue" (230). Anhand einer sehr stringent und überzeugend geführten Textanalyse gelingt es der Autorin dann, mit aller Schärfe die Bedeutung des Lachens als Instrument der Erkenntnis bei Diderot herauszuarbeiten, der im Neveu de Rameau stets zwischen der Freiheit eines destruktiven und ungebremsten Lachens und der Ernsthaftigkeit der Tugend schwankt.
Durch die solide Materialpräsentation der Studie, den klaren Aufbau der Argumentation und die stets gelungene Kombination von Makro- und Mikroanalyse stellt Le Rire des Lumières einen wesentlichen Beitrag zur eminent komplizierten Kultur der französischen Aufklärung dar.
Anmerkung:
[1] Vgl. hierzu den in der Bibliografie nicht erwähnten Aufsatz von Jocelyn Huchette: La 'gaieté française' ou la question du caractère national dans la définition du rire, de L'Esprit des lois à De la littérature, in: Dix-huitième siècle 32 (2000), 97-109.
Christophe Losfeld