Ursula Härting / Kathleen Borms: Abraham Govaerts der Waldmaler (1589-1626), Wommelgem: Blondé Art Printing International 2004, 208 S., 45 Farb-, 215 s/w-Abb., ISBN 978-90-7670-454-8, EUR 65,00
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Die Monografie über den flämischen Landschaftsmaler Abraham Govaerts, die Kathleen Borms und Ursula Härting vorgelegt haben, ist ein hervorragendes Beispiel für den heutigen Stand der Forschung zur flämischen Landschaftsmalerei - nicht nur, weil hier sämtliche derzeit bekannten Informationen zu Werk und sozialem Umfeld des Künstlers sehr übersichtlich aufbereitet sowie viele Abbildungen in guter Qualität abgedruckt sind, sondern auch, weil der Versuch unternommen wird, historisches, kunstsoziologisches und kennerschaftliches Wissen mit der Frage nach der historischen Bedeutung der Waldlandschaften zu kombinieren. Gerade die Zusammenführung der häufig aus den verschiedenen methodischen Lagern misstrauisch beäugten, entweder als 'positivistisch' oder als 'spekulativ' bewerteten Versuche, der großen Menge an Landschaftsbildern (im Norden wie im Süden der Niederlande) besser Herr zu werden, ist eine der anstehenden Aufgaben der Kunstgeschichte. Diese wird anhand immer größerer Datenmengen aus unterschiedlichsten Erhebungen und Analysen neue Narrative und Erklärungsmuster finden müssen. Das scheinbar konventionelle Beispiel einer Künstlermonografie offenbart sehr gut die Fortschritte und die offenen Fragen bei der Beschreibung des sozial eingebundenen Künstlers, der Konzeptualisierung von Personal-Stil, Werkstatt, Komposition und Ikonografie sowie ihrer historischen Rezeption und der damit einhergehenden Wertschätzung und Deutung.
Kathleen Borms und Ursula Härting haben sich, sehr zum Vorteil der Benutzer des Buches, dafür entschieden, das Material vollständig anzubieten, das heißt, die bekannten Dokumente abzudrucken (174-195), einen 196 Nummern zählenden Katalog zu erstellen, sämtliche verfügbaren Bilder (wenngleich zum Teil sehr klein) abzubilden, und darüber hinaus mehrere Aufbereitungsvarianten der Daten nebeneinander zu stellen. Vorausschickend, dass der Katalog in seiner Funktion, das gesicherte Werk Govaerts vorzustellen und die Verästelungen in der Geschichte der Waldkompositionen zu verfolgen, nichts zu wünschen übrig lässt, soll das Augenmerk hier auf die aktuelle Problematik des Genres "Künstlermonografie" gelenkt werden.
Im ersten, auf Borms' Licentiaats-Schrift beruhenden Teil (10-24) wird Govaerts als wohlhabender Künstler, Besitzer mehrerer Häuser, Dekan der Lukas-Gilde und Kapitän der Bürgerwache vorgestellt, der nach seinem frühzeitigen Tod im Alter von siebenunddreißig Jahren eine prall gefüllte Werkstatt mit teils unfertigen Bildern hinterließ, die von heute großteils unbekannten Malern für den Verkauf vollendet wurden. Sowohl die Gilde-Abrechnungen als auch die minuziöse Aufstellung des Besitzes nach dem Tod des "Kunstmalers" geben Einblick in die feucht-fröhlichen Gepflogenheiten der Maler bei feierlichen Anlässen und darüber hinaus in eine Werkstattpraxis, deren synergetische Prozesse wahrscheinlich gar nicht abschließend zu analysieren sind.
Der Hauptteil des Fließtextes (25-73, Ursula Härting) ist dem "Waldmaler" Govaerts gewidmet, wobei die Verfasserin auf sehr unterschiedliche Weise das Werk eines stark spezialisierten Malers zu organisieren sucht. Am Anfang steht eine kommentierte Chronologie, die anhand der gesicherten Werke, unter Zuhilfenahme der Dokumente und durch Händescheidung, ein Gerüst liefert. Es folgt die Suche nach Lehrern und Vorbildern, die Härting zu Recht in Jan Brueghel I und Gillis Claesz d'Hondecoeter sieht. Dabei thematisiert sie allerdings eigens, dass der Vermittlungsprozess von Vor- zu Nachbild nur auf Umwegen, nämlich anhand kompositorischer und motivischer Gemeinsamkeiten, nachzuvollziehen ist, dass auf diesem Feld also keine Dokumente die Beobachtungen stützen können, und Stilgeschichte und Händescheidung folglich ihre prominente Rolle behalten. Am anderen Ende des Spektrums von Werkverständnis und künstlerischer Praxis steht die beachtliche Liste von Govaerts Mitarbeitern, die ein gemeinschaftliches Arbeiten auf unterschiedlichen Niveaus belegt und somit zeigt, dass selbst in kleineren Werkstätten und Arbeitszusammenhängen die Autorschaft ganz konkret zur Disposition steht und es neuer Modelle zu ihrem Verständnis bedarf (Kapitel 8).
Kapitel 6 und 7, die sich einerseits mit dem "Waldmaler" und andererseits mit weiteren "speziellen Themen" beschäftigen, belegen eindrücklich das komplexe Verhältnis von 'reiner' Landschaftsmalerei und ihren 'zusätzlichen' Themen. Letztere lassen sich meist einfacher kategorisieren, stammen sie doch aus dem religiösen oder mythologischen Bereich, die beide über eine Jahrhunderte alte Ikonografie verfügen, sodass zum Beispiel eine "Ruhe auf der Flucht" klar definiert ist. Ursula Härting versucht, die beiden Ebenen zu trennen und spricht daher etwa vom "Prinzip der Waldfolie im MmK-Typus" (56). "MmK" meint "Maria mit Kind", und in dieser bis in die Etikettierung dringenden Reduzierung eines Marienbildes zu einem Kompositionstypus zeigen sich auch die Grenzen derartiger Ordnungsraster. Die vorgenommene Trennung ist selbstverständlich eine methodische, die ebenfalls Deutungen zulässt, in der beide Komponenten verknüpft werden, sodass die Landschaft zu einem Argument für das Marienverständnis werden kann. Mir scheint es dennoch notwendig, darauf hinzuweisen, dass die Typologisierung, sei es der Ikonografie oder sei es der Landschaften, die in den einzelnen Bildern geschaffene Verdichtung untergräbt und Gefahr läuft, das genuine Vermögen der Landschaftsmalerei, Bedeutung mit eigenen Mitteln zu generieren, aus dem Blick verliert.
Ähnlich ist das Spannungsverhältnis im letzten, besonders ausführlichen Kapitel "Zur Bedeutung von Walddarstellungen" (63-71), in dem ein "Spektrum vom Wald als zentraler Ressource und heimatlicher Lebenswelt bis zu herrschaftlichen und religiösen Assoziationen" (70) konstatiert wird. So sehr die Suche nach der "Bedeutung" des Waldes, seiner historischen Wahrnehmung und den mit ihm verbundenen Assoziationen zu begrüßen ist, so schwierig gestaltet sich nach wie vor das Zusammenführen dieses historischen Wissens mit der im Bild produzierten Aussage, die letztlich nur in einer hermeneutischen, konkrete Interpretationen wagenden Befragung des Materials zu eruieren ist.
Das Buch von Kathleen Borms und Ursula Härting ist ein positives Beispiel für den skrupulösen Umgang sowohl mit den Bildern als auch mit anderweitigen Dokumenten des historischen Verständnisses. Es sollte jedoch gerade wegen der angewandten Vorsicht und wegen seines analytischen, die einzelnen Fragen deutlich trennenden Aufbaus eine Diskussion darüber entfachen, ob und wie man die disparaten Bereiche erneut in eine verbindende Struktur überführen kann. Das Ziel dieser Diskussion könnte in der neuen Konzeptualisierung von 'Künstler' und 'Werk' liegen, deren historisches wie aktuelles Verständnis schließlich zur Debatte steht.
Tanja Michalsky