Bernd Modrow (Hg.): Gespräche zur Gartenkunst und anderen Künsten. Symposium der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen am 28. Juni 2002, Regensburg: Schnell & Steiner 2004, 192 S., ISBN 978-3-7954-1631-7, EUR 29,90
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Dem europäischen Kunst- und Naturverständnis des 18. Jahrhunderts widmet sich dieser Band, entstanden anlässlich eines Symposions im Comödienhaus des Staatsparks Hanau-Wilhelmsbad auf der Landesgartenschau in Hanau 2002. Das Sujet - die mit der Aufklärung entstehende neue Gartenästhetik - wird dargestellt zumeist am Beispiel des im Rhein-Main-Gebiet gelegenen Parks Wilhelmsbad. Das schön gestaltete Cover des Buches aus dem Schnell & Steiner Verlag zeigt den Blick auf die weitläufige Wilhelmsbader Parklandschaft bei Hanau. Der Klappentext verspricht, dass die Reihe "Gespräche zur Gartenkunst und anderen Künsten", deren erster Band hier vorliegt, das "Geflecht aus Gartengestaltung und Architektur, Literatur, Musik und Theater, Philosophie, Ästhetik und Pädagogik umfassender als bislang in den Blick nehmen" will. Der Leser wird allerdings allein gelassen mit dem Versuch, die Bedeutung der Aufsätze in die Geschichte der Gartenbaukunst und Forschungsstand einzuordnen, denn ein einleitender Aufsatz fehlt. Das Buch fügt so einem bereits gut erforschten Thema eine Reihe von Details hinzu.
Ulrich Schütte verfolgt in seinem Beitrag "Der Garten und die Künste im 18. Jahrhundert" die theoretischen Hintergründe einer gegen Ende des 18. Jahrhunderts gemachten Äußerung von Johann Georg Sulzer in seiner "Allgemeinen Theorie der Schönen Künste", derzufolge der Gärtner immer das Gegenteil dessen tun müsse, was der Baumeister leiste. Damit machte sich Sulzer zum Sprachrohr der neuen Gartenästhetik, die sich dem "Zurück zur Natur" verschrieben hatte. Die vorangehende barocke Gartenkunst, wie sie sich in den großen Lustgärten der fürstlichen Schlösser manifestierte, wurde noch durchaus handwerklich verstanden, als Schaffung einer geordneten Welt. Die prunkvollen Gärten stellten Räume für die Repräsentation fürstlicher Macht zur Verfügung und übernahmen daher "Formen, Strukturen und Nutzungsmöglichkeiten aus der Architektur" (21). Dagegen steht die von Sulzer propagierte neue Natürlichkeit des Gartens, in dem nicht, wie in der Architektur, das mathematische Prinzip und die gerade Linie walten, sondern jede Künstlichkeit vermieden werden sollte. So gab es auch keine fixierten Routen und vorgegebenen Sichtachsen mehr. Die Gärten luden vielmehr bereits durch ihre Anlage zum bildenden und erfreuenden Spaziergang durch die Natur ein. Explizit mit Bauwerken im Garten beschäftigt sich der Beitrag von Helmut Reinhardt: Während der fürstliche Besitzer seinen formalen Garten bis ins kleinste Details festlegte, selbst Überraschungen sorgfältig plante und dadurch seinen Herrschaftsanspruch unterstrich, verzichtete der englische Garten auf Sichtachsen und den Formschnitt der Pflanzen. Vielmehr löste sich der Garten unter Einbeziehung der umgebenden Landschaft in einzelne Stimmungsbilder auf, die alle Sinne ansprechen sollten. Während des 18. Jahrhunderts wurde die Gartenkunst zu einem Teil des Bildungskanons von Adel und Bürgertum aufgewertet. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts finden sich in den Gartenanlagen Bauwerke nach allen Stilen und Epochen, und auch die Entdeckung neuer Länder spiegelte sich deutlich wieder. Viele Gebäude verfielen in den folgenden Jahrzehnten mit den wechselnden Moden jedoch wieder und machten neuen Projekten Platz, manche sind allerdings bis heute erhalten.
Eckhart G. Franz befasst sich mit den hessischen Fürsten und ihren englischen Gärten. Nachdem 1765 Fürst Leopold III. von Anhalt-Dessau mit seinem Park in Wörlitz den ersten Landschaftsgarten nach englischem Vorbild auf deutschem Boden geschaffen hatte, ließ sich nach dem Siebenjährigen Krieg auch der hessische Adel zur Anlage der modernen Gartenkunstwerke inspirieren. So zeichnete sich etwa Karoline von Hessen-Darmstadt nicht nur durch ein naturwissenschaftlich und ästhetisch begründetes Interesse an Pflanzen aus, sondern auch durch Versuche, neue Gewerbe zu begründen, indem sie Färbepflanzen und Maulbeerbäume anpflanzen ließ. Bernd Modrow, Herausgeber des Bandes, verweist darauf, dass das "Gartenkunstwerk Park Wilhelmsbad" seine Entstehung nicht nur einer gartentheoretischen, sondern vielmehr einer umfassenden geistigen Bewegung verdankt. Mit seinen künstlichen Ruinen, seiner Pyramide, seinem Heckentheater, Wippen, Schaukeln, Kegelspielen und einem Karussell sowie einem schiffbaren Kanal und einem Teich mit Inseln stellte er geradezu das Ideal eines sentimentalen Landschaftsgartens dar. Geschickte Werbung zog bereits im 18. Jahrhundert eine Vielzahl von Badegästen an, unter anderem angelockt durch die fingierten "Briefe eines Schweizers", die die Vorzüge des Bades priesen. Der Beitrag von Natascha Hoefer bringt eine kommentarlose Vorab-Edition von Andenken, Stammbuch und Inschrift dieser 1780 erstmalig erschienenen "Briefe eines Schweizers über das Wilhelmsbad bey Hanau", deren vollständige Edition gerade von der Verfasserin vorbereitet wird. Auch Heidrun Merk befasst sich mit Wilhelmsbad als Kurort des 18. Jahrhunderts, "eine der luxuriösesten Kur- und Badeanlagen Deutschlands" (135). Geschaffen von Erbprinz Wilhelm von Hessen-Kassel, Graf von Hanau, wurde der Kurort von den Zeitgenossen hoch gepriesen, obwohl die Quelle sich als durchaus nicht heilkräftig erwies und bald versiegte, sodass auch der Bäderbetrieb zum Erliegen kam. Versuche, ihn wieder zu beleben, blieben erfolglos. Die Geschichte der Quelle nahm aus der Perspektive der Autorin so "immer groteskere Formen an und man glaubt zuweilen, mitten in eine Posse geraten zu sein" (139). Immerhin trug niemand anderes als die fürstliche Rentenkammer mit dazu bei, dass dem Kurgast vorgespiegelt wurde, er bade in einem als heilkräftig erwiesenem Wasser. Das führte jedoch nur zum vollständigen Ruin des Rufes der Quelle. Bei wirklichen Krankheiten empfahlen selbst die Leibärzte der hessischen Fürsten andere Wässer. Dennoch blieb Wilhelmsbad mit seiner Vielzahl von Gartenattraktionen auch weiterhin gut für Abwechslung und Amüsement.
Monika Vogt befasst sich mit dem Garten als Bühne, der "Inszenierung der Illusionen", und richtet den Blick auf das um 1800 in Frankreich erfundene Trompe l'oeil, für das sich Gartenmotive geradezu anboten. So spielten eine Vielzahl von Wandmalereien in fürstlichen Gebäuden den Blick auf Arkadien vor. Einen vergleichbaren Brückenschlag zwischen ganz unterschiedlichen Künsten versucht Immacolata Amodeo mit ihrem Beitrag über die Beziehungen zwischen Garten und Oper und arbeitet schließlich Analogien zwischen beiden, etwa in ihrem Umgang mit Künstlichkeit und Natürlichkeit, heraus. Dunja Zobel-Klein beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Gartenkunst und Landschaftsmalerei am Beispiel der Gartenserie von Carl Kuntz über den Garten von Schwetzingen 1795. Sie geht auf den Künstler und seine Ausbildung ein und widmet sich dann ausführlich der Bildsprache und Entstehung der sechs Aquatintablätter von 1795, die Bauwerke wie Tempel und Moschee in der idyllischen Umgebung des Schwetzinger Gartens darstellen. Initiator der Blätter war der Verleger, der sich damit seinem Fürsten empfahl, zugleich jedoch großen Erfolg beim Publikum hatte, sodass die Blätter immer wieder neu aufgelegt wurden. Der Künstler prägte so über viele Jahre hinweg das Bild des Gartens überhaupt.
Michael Seiler liefert schließlich einen "Knigge für historische Gärten", den er für eine Voraussetzung angemessenen Marketings hält, wie es im Untertitel seines Beitrages heißt. Dabei lässt er sich von den Fragen leiten, was ein historischer Garten sei und was er für die Gesellschaft bedeute, wie man ihm begegnen solle und welche Art des Umgangs auszuschließen sei. Das angestrebte "Marketing" für historische Gärten zielt nicht nur auf Touristen, sondern auch die vor Ort wohnende Bevölkerung, insbesondere die Jugend, der mithilfe des Gartens Kulturgeschichte, Geschichte, Naturkunde, Bildende Kunst und Literatur nahe gebracht werden soll. In seinem bereits erwähnten Beitrag zur Geschichte Wilhelmsbads spannt auch Bernd Modrow, stellvertretender Direktor der Verwaltung Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, den Bogen zur Gegenwart. In nahezu unveränderter Form seit seiner Entstehung erhalten, wurde der Park Wilhelmsbad in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert. Ein Parkpflegewerk auf wissenschaftlich-fachlicher Grundlage soll die Erhaltung des Kulturguts mit neuen Nutzungsbedürfnissen in Einklang bringen, ohne den Park zum Museum zu machen. Sein Beitrag mündet in die Forderung nach weiteren finanziellen und personellen Mitteln für die Erhaltung des Gartenkunstwerks - sie waren, so sein Schlusswort, letztlich der Anlass, das Symposium abzuhalten.
Rita Gudermann